Essen./Gelsenkirchen. Im Prozess um die vermisste Gelsenkirchenerin Anna Smaczny schweigt der Angeklagte Michael S. aus Krefeld. Auf Mord lautet die Anklage.

Er könnte reden. Hätte vielleicht die Möglichkeit, den Angehörigen der seit dem 23. Juni vergangenen Jahres vermissten Gelsenkirchenerin Anna Smaczny einen Ort der Trauer zu nennen. Doch er ist am Mittwoch vor dem Essener Schwurgericht der Angeklagte. Mord wirft Staatsanwältin Sonja Hüppe dem 47 Jahre alten Krefelder Michael S. vor, und so hat er das Recht zu schweigen. Das nutzt er. Ohne Antwort bleiben die Angehörigen.

Die Juristen im Saal benötigen Antworten von Michael S. nicht unbedingt. Mit Anna Smaczny, die heute 36 Jahre alt wäre, hatte er seit 2017 eine On-Off-Beziehung geführt. Die Ermittlungen hatten ergeben, dass sie sich von ihm getrennt hatte, er dies aber nicht akzeptieren wollte. Sicher ist die Staatsanwaltschaft, dass er sie am 23. Juni umgebracht hat. Denn die Polizei fand bei ihm ein Video. Eindeutig sollen darauf die regungslos am Boden liegende Anna Smaczny, den Kopf verschnürt in einer Plastiktüte, und der Angeklagte selbst zu erkennen sein.

Video zeigt weibliche Leiche

Die Aufnahme trägt das Datum des 23. Juni, und der nur halb bekleidete weibliche Mensch am Boden ist höchst wahrscheinlich tot, sagt Rechtsmedizinerin Janine Helmus in ihrem vorläufigen Gutachten. Kein Atemzug ist zu erkennen, kein noch so kleiner Reflex, als der Mann auf dem Video sich an der Frau vergeht.

Michael S., der in einem Krefelder Müllheizwerk gearbeitet hatte, ist ein großer, sehr massiger Mann. Er sitzt da im grauen Polohemd, den Kopf kahl rasiert. Weil er zur Tat schweigt und auch zu seinem bisherigen Leben nichts sagen will, liest Richter Martin Hahnemann aus einem alten Urteil des Landgerichtes Duisburg vor, das den Angeklagten bereits 1999 zu elf Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt hatte. Opfer war seine Ex-Freundin, die sich von ihm getrennt hatte und der er morgens nur mit Unterhose bekleidet in ihrer Wohnung auflauerte, als sie von einer Fahrt heimgekehrt war.

Bereits 1998 Ex-Freundin mit 120 Stichen getötet

Mit 120 Messerstichen tötete er im Jahre 1998 die Frau, ging danach ins Bad der fremden Wohnung, um zu duschen, um die verräterischen Blutspuren abzuwaschen.

Notorisches Lügen und Großmannssucht hatten die Richter ihm damals attestiert. Deutlich zeichnet das Urteil nach, wie er sich in den polizeilichen Vernehmungen in Lügen verstrickt, immer mehr einräumt und dann plötzlich schweigt.Viele Parallelen zum heutigen Fall weist die Tat auf.

Kein guter Liebhaber

2017 hatte der gebürtige Gelsenkirchener im Internet auf einer Dating-Plattform Anna Smaczny kennengelernt. Etwa ein halbes Jahr hielt die Beziehung, dann trennte sie sich von ihm. "Er war kein guter Liebhaber", erzählt ihre Zwillingsschwester am Donnerstag vor Gericht, "er war kein Mann, mit dem man etwas aufbauen, Kinder, ein Haus haben könnte."

Laut Anklage hatte Anna Smaczny sich aber nicht völlig von ihm getrennt. Sie soll andere Beziehungen unterhalten, auch mit dem Angeklagten weiter geschlafen haben. Beide sollen auch ein Kind geplant haben, Anna Smaczny wollte es aber alleine großziehen. Das habe er nicht akzeptiert.

Brandstiftung in ihrer Wohnung

Die Anklage wirft ihm vor diesem Hintergrund auch vor, ihre Gelsenkirchener Wohnung im Stadtteil Bismarck angezündet zu haben. Verletzt wurde dabei niemand. Später habe er sie in einem anonymen Brief beschuldigt, den Brand selbst gelegt zu haben. Durch seine Tat habe er wieder Einfluss auf sie nehmen wollen, glaubt die Anklage.

Gegenüber der Polizei verdächtigt sie ihn für die Brandstiftung, trifft sich dennoch weiter mit ihm. Im Sommer eskaliert die Lage. Kurz vor ihrem Verschwinden ruft er sie an, er warte darauf, in die Psychiatrie gebracht zu werden. Sie solle bitte noch einmal zu ihm kommen.

Weiteres Verfahren wegen Gewalt gegen eine Ex-Freundin

Es gibt ein weiteres, noch nicht rechtskräftiges Verfahren gegen Michael S., in dem es ebenfalls um Gewalt gegen eine Frau geht. Da soll er eine Freundin, eine 32 Jahre alte Prostituierte aus Essen in einer Liebesnacht am Valentinstag 2014 unvermittelt gefesselt, geschlagen und getreten haben. Als Alibi hatte er in diesem Verfahren ein ärztliches Attest vorgelegt. Es entpuppte sich als Fälschung. Zwei Jahre und acht Monate Haft gab ihm das Landgericht Krefeld, über die Revision ist noch nicht entschieden.

Im aktuellen Verfahren sitzt als Gutachterin die Psychiaterin Maren Losch. Sie soll sicherlich prüfen, ob der Angeklagte wirklich voll schuldfähig ist. Angeklagt ist aber auch, ihn nach einer Gefängnisstrafe zusätzlich in der Sicherungsverwahrung unterzubringen. Dann müsste Michael S. eine lange Zeit in Unfreiheit leben. Auch dazu wird die Psychiaterin Stellung nehmen. 13 Sitzungstage hat das Essener Schwurgericht angesetzt, um auch diese Fragen zu klären.