Essen. Die Versöhnung nach langer Trennung war gescheitert, da stach der Mann auf die schwangere Frau ein. Jetzt muss er sechseinhalb Jahre in Haft.
Elf Jahre lebten sie getrennt, dann versöhnten sie sich wieder. Als die Liebe der beiden nach kurzer Zeit erneut endete, stach der Mann zu, schnitt seiner Frau in der Silvesternacht 2018/19 in der Altenessener Wohnung fast die Kehle durch. Dafür muss Ugur B. ins Gefängnis. Das Essener Schwurgericht verurteilte den 37-Jährigen am Dienstag zu sechseinhalb Jahren Haft wegen versuchten Totschlags, überbot den Antrag von Staatsanwältin Birgit Jürgens noch um ein halbes Jahr.
Von einer „Tragödie“ sprach Richter Jörg Schmitt im Urteil. Anfang des Jahrtausends hatte das Ehepaar zwei Kinder bekommen, doch schon 2004 trennte sich der Mann von der Familie. Er ging zurück in sein Heimatland Türkei. Erst vor wenigen Jahren hatte das älteste Kind Kontakt zu ihm aufgenommen. Das frühere Ehepaar beschloss, wieder in Altenessen zusammenzuziehen. Sie wurde Ende 2018 schwanger. Doch schnell kam wieder Streit auf.
Eskalation in der Silvesternacht
Silvester eskalierte die Lage. Schließlich stand er hinter ihr, zog an ihren Haaren, so dass ihr Hals überdehnt war und frei lag. Mit einem Tomatenmesser schnitt er ihr quer über den Hals. Sie wehrte sich, „kämpfte in Todesangst um ihr Leben“, wie Richter Schmitt betonte. Mehrere Stiche bekam die Schwangere noch in den Nacken. Ein Nachbar rettete ihr das Leben, indem er ihrem Ex-Ehemann das Messer aus der Hand riss.
Das sei eindeutig ein versuchtes Tötungsdelikt, begründete der Richter das Urteil. Der Angeklagte habe seine Frau zwar nicht umbringen wollen. Durch den Messereinsatz habe er ihren Tod aber billigend in Kauf genommen. Schmitt: „Jedes Kind weiß, wo das endet, wenn man mit dem Messer den Hals verletzt.“
Angeklagter sieht sich als Retter
Das Gericht ging im Urteil auch auf die Version ein, die der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte zu Beginn der Verhandlung selbst geliefert hatte. Seine Frau, so erzählte er, habe das Messer in der Hand gehabt und mit ihrem Selbstmord gedroht. Er habe das verhindern wollen und nach dem Messer gegriffen. Dabei seien im Gerangel ihre Verletzungen entstanden. Mit seiner Verteidigerin stellte er diese Szene sogar nach, es brachte ihm aber nichts. So könne es nicht gewesen sein, betonte nämlich die Rechtsmedizinerin Janine Helmus.
Fortan bestand der Angeklagte auch nicht mehr auf der Selbstmordversion. Jetzt gab er vor, sich an die Tat nicht erinnern zu können. „Das glauben wir ihm aber auch nicht“, sagte Richter Schmitt.
Kinder mussten als Zeugen gehört werden
So mussten auch noch die beiden Kinder gehört werden. Richter Schmitt erinnerte an die Folgen der Tat für das Opfer, aber auch für die Kinder. Straferhöhend wertete das Gericht, dass Ugur B. von der Schwangerschaft wusste, als er zustach. Das Ungeborene überlebte die Attacke auf die Mutter.
Zum Angeklagten sagte Schmitt eindringliche Worte: „Beide Kinder sind durch die Tat schwer traumatisiert. Überlegen Sie mal, was Sie den beiden angetan haben. Dafür tragen Sie die Verantwortung.“