Mülheim. Die Städte müssen improvisieren, um Coronatests für Lehrer, Erzieher und Urlauber anbieten zu können. Mülheim hat seine Kapazitäten verdreifacht.
Die Stadt Mülheim hat noch einen Sonnenschirm gekauft. Einen richtig großen. Die Feuerwehr baut ihn auf, während die Autos der Reiserückkehrer, Lehrer und Erzieher schon durch einen ebenfalls provisorischen Pavillon kriechen. Die Schlange vor dem neuen Drive-In-Test ist lang, der Panoramaschirm soll einem zweiten Corona-Test-Team Schatten bieten und so die Wartezeit verringern. Aber schaut man sich die Vorgeschichte an, ist es ein kleines Wunder, dass es am Montag so weitgehend reibungslos anläuft – und kein Wunder, dass die Städte sauer sind.
Schon vor rund einer Woche sprach Mülheims Stadtdirektor Frank Steinfort aus, was man inoffiziell in vielen Städten und weitaus deutlicher hört: „Das Land überfordert uns mit der Kurzfristigkeit und dem Volumen … Wie sollen wir das schaffen, wenn sich jetzt alle Reiserückkehrer innerhalb von 72 Stunden und parallel alle rund 4000 Mitarbeitenden von Kitas und Schulen in Mülheim alle 14 Tage testen lassen können?“ Vor allem, kritisierte Steinfort, fehle es immer noch an konkreten Vorgaben des Landes.
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Das Land hat zwar Verträge mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgeschlossen, nach denen die Hausärzte es richten sollen, zusammen mit den Testzentren an Flughäfen. Praktisch sehen sich aber auch viele niedergelassene Ärzte überfordert, die Kapazitäten genügen darum vielerorts (noch) nicht, und die Gesundheitsämter sind in der Pflicht. Die Lage in den Städten sieht sehr unterschiedlich aus.
Die Städte improvisieren
Gelsenkirchen etwa hat sein Testzentrum in der Emscher-Lippe-Halle erst vor wenigen Wochen abgebaut und setzt nun – wie vorgesehen – auf die Hausärzte. Ein Servicemobil des Roten Kreuzes macht Hausbesuche. Oberhausen hat zudem fürs Wochenende eine Notfallpraxis im Krankenhaus eingerichtet und vergibt gesonderte Termine durch das Gesundheitsamt, unter der Woche gibt es weiterhin einen Drive-In am Stadion. Duisburg jedoch hat vergangene Woche 100 Wartende abweisen müssen. Darauf hat die Stadt von zwei auf vier Teststraßen aufgestockt im Theater am Marientor.
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Mülheim nun hat die Testkapazitäten seines Diagnosezentrums in Saarn verdreifacht. Ein paar Tage lang musste die Stadt Reiserückkehrer, Lehrer und Erzieher an die rund zehn Hausärzte verweisen, die Tests anbieten. Nun steht Magnus Müller unter dem Pavillon und fragt ins Cabrio: „Was unterrichten Sie denn? … Meine beste Freundin fängt nun mit Latein an.“ Zwei, drei freundliche Sätze zur Begrüßung müssen sein: „Anders geht es nicht, wir machen das alles in unserer Freizeit.“Freizeit.“
Für einen Kasten Kühles
Magnus Müller hat in der Sterneküche gearbeitet, in der Event-Gastronomie, zuletzt in Australien, doch nun herrscht Corona, und bis er etwas Neues findet, engagiert sich Müller bei den Johannitern. Mit Bastian, Kacper und Julian halten vier Ehrenamtler mit Mundschutz die Stimmung hoch – bei deutlich über 30 Grad, für ein bisschen Grillgut, einen Kasten Kühles und ein paar Äpfel machen sie die Abstriche. „Fehlt nur ein Swimmingpool“, soll der Reporter schreiben.
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Natürlich sind die Amtsärzte ebenfalls geschlossen da, aber eben auch das Deutsche Rote Kreuz, die Freiwillige und die Berufsfeuerwehr. Die Stadt mobilisiert ihre Reserven, ohne die Ehrenamtler ginge es wohl nicht. Denn die üblichen 80 bis 100 Patienten mit Symptomen und Überweisung kommen weiterhin in das ehemalige Flüchtlingsdorf auf dem Kirmesplatz, nur jetzt am Vormittag. Der Nachmittag ist für Reiserückkehrer, LehrerInnen und ErzieherInnen reserviert, 214 sind es heute insgesamt, wobei die Urlauber etwas mehr als die Hälfte stellen. Lehrer und Erzieher sollen eigentlich im Wochenwechsel kommen, doch auch ein gutes Dutzend Kita-Mitarbeiter hatte sich über die eilends programmierte Online-Anmeldung angemeldet.
Im Cabrio sitzen drei Lehrerinnen von der Schildbergschule, zwei weitere im Auto dahinter. Sie waren im Urlaub, Kroatien, Bayern, Nordsee, „und wir wollen nicht das Risiko eingehen, etwas in die Klassen hineinzutragen.“ Etwa drei Viertel des Grundschulkollegiums wollen sich nun alle zwei Wochen testen lassen, schätzen die drei. – Und die anderen? „Machen sich nicht so große Sorgen.“ – „Die Test-Abstände könnte noch enger gesteckt sein. Ich habe immerhin mit 90 Schülern täglich zu tun.“
Risikogebiet hin oder her
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„Und du bist … die Leonie“, sagt Magnus. „In welche Klasse kommst du nach den Ferien? In die acht schon! Warst du mal beim Zahnarzt?“ So läuft’s auch auf dem Beifahrersitz. Mund weit auf, Stäbchen tief rein und über den Rachen gewischt. Ist ein bisschen unangenehm. „Aber Spritzen sind doofer“, sagt Leonie hinterher. Das Wattestäbchen kommt in ein Röhrchen, Leonie und ihre Mutter Melanie P. (39) bekommen einen Zettel mit QR-Code. Damit können sie ihr Testergebnis abrufen. Auch sie waren nicht im Risikogebiet, sondern in der Eifel. „Ich wünsche dir einen schönen Tag“, sagt Magnus. „Du hast dir ein Eis verdient.“
Offenbar wird das Drive-In-Angebot geschätzt. Nur ein gutes Fünftel stellt sich in die moderate Schlange vor einer der Holzbaracken. Die anderen warten bis zu eineinhalb Stunden in ihren Autos – es ist der erste Tag. „Aber dafür steht man nicht dicht mit anderen zusammen und hat kein Ansteckungsrisiko“, sagt Oliver K. (40). Mit seiner Familie ist er aus Südtirol heimgekehrt. „Der Umgang der Italiener war gefühlt ein bisschen lockerer.“