Essen. Reiserückkehrer, Kita- und Schulbeschäftigte – Zehntausende Corona-Tests rollen auf die Hausarztpraxen zu. Manche Ärzte lehnen das ab.
Mit Besorgnis sehen die Hausärzte dem Ansturm von Patienten entgegen, die sich auf das Corona-Virus testen lassen wollen. Das sei wegen der knappen Vorbereitungszeit eine riesige Herausforderung für die Ärzte, sagt Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein dieser Redaktion. „Ich habe in meiner Praxis pro Woche etwa zehn bis 20 Tests. Wenn es viel mehr werden, kann ich keine anderen Patienten mehr versorgen. Dann ist die Praxis tot.“
In der vergangenen Woche wurden nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums 19.100 Rückkehrer an Flughäfen in NRW getestet. Dabei fielen 329 Corona-positiv auf; rund 6000 Befunde stehen noch aus. Alle anderen Urlauber aus Risikogebieten, die etwa mit Auto oder Bahn reisen, sollen sich binnen 72 Stunden in den Hausarztpraxen testen lassen. Bis gestern lagen demnach 515 positive Meldungen vor. Die meisten kamen aus dem Kosovo (213 Fälle), der Türkei (58) und Serbien (37).
Tests für mehr als 360.000 Beschäftigte
Zusätzlich können sich seit Montag alle Kita-Beschäftigen freiwillig testen lassen. Ab kommender Woche starten die Testmöglichkeiten auch für alle NRW-Schulbeschäftigte, sie können alle 14 Tage kostenlos einen Abstrich machen lassen. Die Regelung gilt zunächst bis 9. Oktober. Die Kassenärztliche Vereinigung kalkuliert mit rund 153.000 Kita-Mitarbeitern und über 210.000 Beschäftigten an Schulen.
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Wegen der fehlenden Vorbereitungszeit fühlten sich manche Praxen überrumpelt, berichtet der Allgemeinmediziner Jens Grothues, Mitglied im Vorstand des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe. „Es gibt Praxen, für diese zusätzliche Belastung gerade eine große Herausforderung darstellt, aber nach einer Anlaufzeit wird man die Tests in den Praxisablauf integrieren können.“
Einige Hausärzte lehnen Corona-Tests ab
Manche Praxen würden gar keine Tests anbieten, weiß Grothues. „Das ist auch eine freiwillige Angelegenheit.“ Einige Hausärzte führten dafür wirtschaftliche Gründe an, 15 Euro für einen Abstrich seien angesichts des Aufwands zu wenig. Andere Ärzte gehörten wegen ihres Alters selbst zur Risikogruppe.
„Wenn alle Hausärzte mitmachen, gibt es keine Überforderung“, glaubt Funken. Man müsse daher die Fälle auf Praxen und kommunale Abstrichzentren verteilen, rät er. Viele Abläufe in den Praxen müssten sich auch erst noch einspielen. „Wenn wir versagen, dann trifft der Ansturm die Krankenhäuser.“ Und das wäre bei steigenden Infektionszahlen fatal.
Quarantäne für Heimkehrer aus Risikoländern
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NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist sicher, dass sich die Testpflicht für Reiserückkehrer umsetzen lässt. „Ich denke, wir kriegen das hin“, sagte er. In den Hausarztpraxen sieht es hingegen offenbar anders aus: „Das läuft ganz unterschiedlich ab“, sagt Jens Grothues, im Vorstand des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe. „Ich hatte heute zwei Familien, die aus Italien zurückkamen. Eine Familie ließ sich testen, die andere lehnte das ab.“
Obwohl Italien auf der Liste des Robert-Koch-Instituts aktuell nicht als Risikoland verzeichnet ist, registrierte das NRW-Gesundheitsministerium in der letzten Woche sechs positiv getestete Rückkehrer. Wie die Testpflicht für Urlaubsheimkehrer kontrolliert werden kann, ist bislang nicht geklärt. Heimkehrer aus Risikoländern sind grundsätzlich verpflichtet, sich in eine 14-tägige Quarantäne zu begeben und das Gesundheitsamt zu informieren.
Hausärzte fühlen sich überfordert
Grothues hofft indes, dass der Ansturm auf die Praxen geringer ausfällt als befürchtet. Viele Urlauber aus NRW seien wegen der Pandemie nicht ins Ausland geflogen, sondern hätten ihre Ferien in Deutschland verbracht. „In ein bis zwei Wochen werden die Praxen Routine bei der Organisation der Tests haben.“ Bisher indes sehen sich viele Hausärzte überfordert. Oft seien die nötigen Räumlichkeiten für eine separate Behandlung von möglicherweise infizierten Patienten gar nicht vorhanden.
Das NRW-Gesundheitsministerium geht hingegen davon aus, dass die Hausärzte die anfallenden Tests bewältigen. Sie seien „von den Kassenärztlichen Vereinigungen über die bevorstehenden Testungen umfassend informiert“ worden. Dass es zu Beginn nicht reibungslos ablaufe, sei zu erwarten gewesen. „Wir gehen davon aus, dass sich das Testgeschehen einpendeln wird“, so das Ministerium.
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Zudem erwarten die Ärzte Zehntausende Beschäftige von Kitas und Schulen, die sich bis zu den Herbstferien alle 14 Tage testen lassen können. Um die Testkapazitäten nicht zu überfordern, wechseln sich Kita- und Schulbeschäftigte in einem wöchentlichen Test-Rhythmus ab.
Abstriche direkt an den Schulen
Um die Praxen vor einem Ansturm von Kita- und Schulpersonal zu schützen, schlägt Grothues vor, Abstriche direkt an Schulen vorzunehmen. „Ziel muss es sein, mögliche Infektpatienten aus den Hausarztpraxen herauszuhalten.“ Er selbst habe vor Ort bereits einigen Schulleitern einen Abstrich-Service angeboten.
Mit Sorge blickt der Arzt dem Herbst entgegen. „Wir befürchten die Schnupfenzeit. Die Ärzte werden zahllose Abstriche machen müssen.“ Bis ein Ergebnis vorliegt, müsse das erkältete Kind in Quarantäne. „So könnte ein geregelter Schulbetrieb schwierig werden“, fürchtet er.