Ruhrgebiet. Im Ruhrgebiet sollen weitere sieben Kaufhäuser schließen. Ein Blick zurück zeigt: Für die meisten gibt es sehr wohl neue Nutzung in anderer Form.

Eine Baustelle ist immer auch ein Versprechen. Bauarbeiter geben es gerade, ihr Hämmern und ihr Bohren kann jeder hören, der über Recklinghausens Altstadtmarkt läuft. „Ruhrgemütlich“, wie auf einem städtischen Plakat gegenüber zu lesen ist, ist das vielleicht nicht; aber zukunftsträchtig: Die Karstadt-Ruine von 2016 ist längst aufgebrochen, Bagger fuhrwerken, und Banner an Bauzäunen zeigen, was hier entsteht: das „Marktquartier“, ein Gebäude mit Anspruch statt Waschbeton, wenn es denn so kommt. Die Monokultur Kaufhaus weicht vielfältiger Nutzung.

Schnurstracks acht Kilometer südlich davon ist das Bild eigentlich dasselbe: ein verhängter Gebäuderiese mitten in der Fußgängerzone, Arbeitsgeräusche, Bauzäune, Transparente: „Neue Höfe Herne. Die Zukunft wird geladen“ steht hier oder „Herne wird der Hof gemacht.“ Das hier war mal Hertie, bis es 2009 schloss. Die Jahreszahl zeigt es schon: Die Wiederbelebung von Warenhaus-Immobilien ist keine Jahrhundert-, aber eine Jahrzehntaufgabe. Jedoch eine lösbare.

„Stadtentwicklung jetzt ganz neu denken“

Im Umbau sieht ein altes Kaufhaus zwischendurch eher trostlos aus, wie hier in Herne 2019.
Im Umbau sieht ein altes Kaufhaus zwischendurch eher trostlos aus, wie hier in Herne 2019. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Sie rollt gerade mit Wumms auf Essen, Dortmund und Witten zu und wird mit allergrößtem Respekt erwartet: In den beiden großen Städten will „Galeria Karstadt Kaufhof“ jeweils drei Häuser schließen, im deutlich kleineren Witten eines. Die letzte Generation Kaufhäuser stirbt, nach den Althoffs und Hortens und den Quelles und Herties.

Man müsse nun „retten, was zu retten ist“, sagt Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). Sein Essener Kollege Thomas Kufen (CDU) sagt vorsichtig, die Weiterentwicklung der Innenstadt wäre „mit Karstadt einfacher“ gewesen. Und die Bürgermeisterin der Stadt Witten, Sonja Leidemann (SPD), meint, man müsse „Stadtentwicklung jetzt ganz neu denken“.

Die Lösung heißt: Verkleinern, umbauen, aufteilen

Man kann zum Beispiel bei Elisabeth Röttsches nachhören, der Chefin des Herner Einzelhandelsverbandes: Durch die Hertie-Schließung 2009 sei „eine große Lücke entstanden, die „sehr, sehr lange“ Bestand hatte und dem Umfeld in der Fußgängerzone „nicht gut getan hat“. Aber natürlich zeigen Recklinghausen und Herne gerade auch: Geht doch!

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Und sie sind nicht die einzigen. Noch ganz ohne die angekündigten sieben Schließungen, kamen seit 2009 elf solcher Immobilien allein im Ruhrgebiet auf den nicht vorhandenen Markt. Sinnlos gewordene Gebäude in allerbester Lage, mit großer Vergangenheit und ohne Zukunft, so schien es. Buchstäblich: Klötze am Bein der Fußgängerzone, Umsatzkiller der Nachbarschaft. Doch die Mehrzahl existiert in veränderter Form noch heute und wird auch genutzt, wenngleich anders. Die Lösung kam aus Buer. Sie heißt: Verkleinern, umbauen, aufteilen.

Einzelhandel, Gastronomie und Wohnungen sind die typische Nutzung

Bueraner Bürger, nicht völlig mittellos, haben das Problem des leerstehenden Kaufhauses vor acht Jahren selbst in die Hand genommen. Nicht aus Menschenliebe oder aus Lokalpatriotismus mit Herzklopfen, sondern aus Sorge um die Umsätze und das Leben im Ortskern. Heraus kam das „Linden-Karree“: mit Geschäften, Stadtbücherei, Fitness-Studio und Altenwohnungen unter dem früheren Einheitsdach.

Im Herbst 2018 eröffnete im früheren Karstadt-Haus in Bottrop ein anderes Kaufhaus, im Frühjahr 2019 war schon wieder Schluss.
Im Herbst 2018 eröffnete im früheren Karstadt-Haus in Bottrop ein anderes Kaufhaus, im Frühjahr 2019 war schon wieder Schluss. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Natürlich gibt es Warenhäuser, die verschwanden. In Essen-Rüttenscheid schon mal eines, in Gladbeck, in Mülheim. Typischerweise wurden sie ersetzt durch kleinere Einkaufszentren. Aber in Originalgebäuden mischen Investoren heute Geschäfte und Gastronomie, Büro und Wohnung, Fitnessstudio und Hotel.

In Bottrop heißt der Komplex „Althoff-Arkaden“ – nach dem ganz frühen Kaufhaus

Aber selbst Stadtentwicklung ist kein Ponyhof: Die erwünschte gastronomische Teilnutzung in Herne ist derzeit wegen Corona schwierig zu entwickeln.

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Und nicht jeder Weg führt ans Ziel: Der Versuch scheiterte, einen Teil von Karstadt Bottrop mit einem neuen Kaufhaus wiederzubeleben; die Kette aus Rheinland-Pfalz, Moses mit Namen, führte in die Irre. Die „Althoff-Arkaden“ hier setzen ansonsten aber auch auf Mischnutzung. Der Name Althoff erinnert übrigens an das Kaufhaus, das hier stand, bevor es Karstadt wurde. Aber das ist ein anderes, abgeschlossenes Thema.