Ruhrgebiet. In vielen tausend Gaststätten in NRW bereiten Wirte und Beschäftigte die Öffnung vor. Manche voller Euphorie, doch andere sind eher skeptisch.
Die Tische sind schon auf Distanz gegangen, 1,50 Meter dazwischen, einige haben sich sogar quer gestellt, wenngleich nicht aus eigener Kraft. Die Tischdecken liegen auf ihnen, Zucker, Pfeffer, Salz, Öl fehlen noch, dafür steht auf jedem Tisch ein Väschen mit zwei frischen weißen Rosen. Sieht hier, sieht in der gesamten Gastronomie stark nach Wiedereröffnung aus.
Lars Trautmann, der Restaurantleiter, weiß noch, wie es hier im Saal aussah, als sie ein Krisengespräch hatten vor Wochen: „Es ist beängstigend, wenn Sie durch ein Restaurant gehen, wo sonst immer Leute sitzen, und dann ist alles abgeschlossen.“ Aber jetzt? Geht’s wieder los! Das Ziel: „Montag 10 Uhr aufmachen, 12 Uhr warme Küche.“ Die Tage des rot-weißen Flatterbandes um den Biergarten draußen, sie sind gezählt.
Große Unsicherheit über die Hygieneregeln für Gastfreundschaft
Wie hier in der „Schlossgastronomie Kaisergarten“ in Oberhausen arbeiten an diesem Wochenende tausende Wirte und ihre Beschäftigten daran, ihre Gaststätten wieder an den Start zu bringen. Montag können sie wieder zapfen, kochen und bedienen, nicht jeder wird das tun, wird sich Dienstag anschließen oder erst Mittwoch. Viel Arbeit noch bis dahin!
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Zugleich sind etliche aber verunsichert, wie die Hygieneregeln für Gastfreundschaft denn nun genau aussehen. Lars Trautmann sagt es so: „Ich hab’ gestern Abend drei Nachrichtensendungen geguckt und war am Ende so schlau wie nach (der Kindernachrichtensendung) Logo. Warum kann das Ordnungsamt nicht eine Mail an alle schicken?“ Kurze Pause, dann: „Naja, die haben jetzt auch viel am Hals.“
Bochumer Wirt: „Betriebswirtschaftlich lohnt sich das nicht“
Im Kaisergarten kann man die Aufbruchstimmung praktisch anfassen, kein Wunder: einem großen Ausflugslokal mit Biergarten, das drinnen auch noch gehobene Küche pflegt – und eine Pommesbude parkseitig betreibt. Andere Gastronomen sind weit, sehr weit entfernt von Wiedereröffnungseuphorie.
„Für uns ist das ein Fiasko“, sagt Heinz Bruns, der Sprecher der Bochumer Wirte. Er betreibt das Restaurant im Wasserschloss Haus Kemnade. Mit den Beschränkungen seien viele Restaurant-Öffnungen ein Minus-Geschäft, sagt der 59-Jährige: „Betriebswirtschaftlich lohnt sich das nicht.“ Er mache am Mittwoch nur „aus emotionalen Gründen“ wieder auf: „Wir wollen wieder Kundenkontakt pflegen und unsere Mitarbeiter einsetzen.“ Insgesamt gilt: Je kleiner das Lokal, desto größer das Problem.
Nach der achtwöchigen Schließung kommt es zu ersten Insolvenzen
Wiederum andererseits setzt auch die achtwöchige Schließung seit Mitte März der Gastronomie erkennbar zu, und manche klagen nicht mehr nur, sondern sie verabschieden sich jetzt tatsächlich. So hat das „Brauhaus Zeche Jacobi“ an der Centro-Promenade gerade Insolvenz angemeldet. Betreiber Gerald Friedauer begründet das ausdrücklich mit den fehlenden Einnahmen während der Corona-Zwangspause: „Eine große Immobilie mit einem hohen Kostenblock ist über einen langen Zeitraum ohne Einnahmen nicht zu betreiben.“
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Also nochmal zur Schlossgastronomie, das ist ja nicht weit. Inhaberin Heidemarie Steinke hatte in der Zwangspause allein mit dem Lehrmädchen einen Imbiss- und Abholbetrieb aufrechterhalten: So eine Frau ist das. Und jetzt? Sagt die 69-Jährige: „Das geht von Jetzt auf Dann wieder los, nur etwas vorsichtiger.“
Gäste müssen ihre Personalien aufschreiben und werden dann platziert
Die Köche sitzen zusammen, sie planen, welche Gerichte sie von Montag an anbieten; apropos Speisekarte: Ist die eigentlich laminiert für Desinfektion, oder kriegt jeder Gast eine neue? Nach der Putzerei seit Donnerstag müssen Kühlhäuser hochgefahren werden, frische Waren bestellt und Getränke (hat der Lieferant eigentlich noch genug Laster laufen für alle Bestellungen?).
Die Tafel mit den großgeschriebenen Abstandsregeln müssen sie noch aufstellen, die Gasse einrichten, wo Gäste zunächst Ihre Personalien hinterlassen und dann platziert werden. Günter Porscha, Freund des Hauses, spritzt schon mal die weißen Draußentische mit dem Druckstrahler ab: „Jetzt ist Not am Mann, da muss man.“ Darf der Stammtisch kommen? Schulterzucken. Muss man Abstand kleben? Müssen Gäste reservieren? Schulterzucken. Schulterzucken. Sie werden das lösen bis Montag. Guten Start! Allen, die kochen, zapfen und bedienen.