Ruhrgebiet. Unsere Initiative „Wir im Revier“ hilft Menschen, die durch die Corona-Krise in Not geraten sind. Die ersten Betroffenen dürfen sich freuen.

Die Initiative „Wir im Revier“ möchte Menschen helfen, die durch Corona in Not geraten sind. Die Funke Mediengruppe und die Wirtschaftsförderer der Business Metropole Ruhr, Stiftungen und Unternehmen aus dem Ruhrgebiet, Caritas und Diakonie haben sich dafür zusammengetan; deutlich mehr als eine halbe Million Euro sind im Topf. Leserinnen und Leser haben schon viele Vorschläge gemacht, erste Empfänger sind ausgewählt, die einmalig bis zu 1000 Euro erhalten. Lesen Sie hier ihre Geschichten. Und helfen Sie uns weiter, indem Sie uns sagen, wer außerdem Hilfe braucht!

Zur Aktion "Wir im Revier"

„Ich sage immer, so lange ich arbeiten kann, bin ich glücklich“

Blerim Neza hat geöffnet, aber viele seiner Kunden gehen derzeit lieber nicht aus dem Haus.
Blerim Neza hat geöffnet, aber viele seiner Kunden gehen derzeit lieber nicht aus dem Haus. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Kämpferherz“ steht neben seinem Namen auf Facebook: Und so ist er wohl, Blerim Neza aus Essen. Chronisch krank von Kindesbeinen an, nierenkrank und auch schon -transplantiert, seit zehn Jahren an der Dialyse. Und auf die Internetseite seiner Podologie-Praxis schreibt er: „Ich arbeite für euch!“ Dreimal in der Woche geht er nachts an die Dialyse, kommt früh um fünf nach Hause, um um acht wieder zu öffnen. Nur kommen derzeit nicht viele Kunden. Die medizinische Fußpflege brauchen, sind Risikopatienten allesamt, alt oder mit diabetischen Füßen.

Blerim Neza sagt ihnen, dass er offen hat und dass ihre Füße Pflege brauchen, aber viele hätten Angst: „Sie hören doch alle, sie sollen lieber nicht rausgehen.“ Der 37-Jährige hat immer so gewirtschaftet, sagt er, dass er es sich „leisten kann, krank zu werden“. Er, der nach vielen Krankenhausaufenthalten spät die Schule nachholte, will nicht vom Staat leben. „Ich sage immer, so lange ich arbeiten kann, bin ich glücklich.“ Aber nun macht die Krise ihm doch Angst: zu verlieren, was er sich aufgebaut hat.

Die Emscherküken krähen zunächst nur im Internet

Laura Lange muss noch warten, bis sie ihre neue Kindertagespflege in Essen eröffnen darf.
Laura Lange muss noch warten, bis sie ihre neue Kindertagespflege in Essen eröffnen darf. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die „Emscherküken“ krähen im Moment nur im Internet, die Kinder einer neuen Tagespflege in Essen-Altenessen. Anfang April sollte sie eröffnen, der Termin stand fest, einige Kinder unter drei Jahren waren bereits angemeldet – und dann Corona. Die Stadtverwaltung sagte die terminierten Abnahmen durch das Bau- und das Jugendamt ab. „Da wurde uns schnell klar, dass das Projekt zunächst nichts wird“, sagt Laura Lange.

Die 40-Jährige hat gemeinsam mit ihrem Mann Marc Lange (46) einen Kredit aufgenommen und ein früheres Eiscafé gemietet, denn neun fremde Kinder zugleich darf man nicht in der Wohnung betreuen. Sie haben renoviert, sogar die Möbel sind schon da, wenngleich noch nicht aufgestellt. „Wir haben Mietkosten, wir haben Stromkosten, der Kredit läuft.“ Noch nicht einmal Notbetreuung ist möglich, es fehlen ja die Abnahmen; mit den entsprechenden Konsequenzen für die Eltern. „Bei uns“, muss Laura Lange ihnen sagen, „liegt jetzt alles auf Eis“.

Herr Meier ist sprachlos, Schweigen in der Leitung

Keine Zeit zum Telefonieren, Herr Meier aus Mülheim bittet um Verständnis, es ist alles so schwierig zur Zeit. Die gute Nachricht, „Wir im Revier wird Ihnen helfen“, bekommen wir noch eben unter – sie macht Herrn Meier sprachlos. Schweigen in der Leitung. „Um Gottes Willen“, sagt er dann dankbar. Herr Meier heißt eigentlich anders, er hat viele schlechte Erfahrung gemacht, aber diese ist nun eine gute.

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Der gelernte Maler und Lackierer musste seinen Beruf aufgeben: Seine beiden Söhne (neun und 17) sind schwer autistisch, Meier muss seiner Frau bei der Pflege helfen, denn sie ist selbst chronisch krank. Normalerweise gehen die Jungs zu einer Förderschule, bekommen dort kostenlos Essen; nun sind sie seit Wochen zuhause, werden das bis mindestens zu den Ferien sein. Wir im Revier wird der Familie mit dem Essensgeld helfen, das sie nun extra ausgeben müssen.

Anrufe kamen, Mails gingen ein, und keine guten

Thomas Krause spielt Klarinette in seinem Musikzimmer in Bochum-Wattenscheid.
Thomas Krause spielt Klarinette in seinem Musikzimmer in Bochum-Wattenscheid. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Ein Tausendsassa von Musiker, dieser Thomas Krause: Flöte und Klarinette hat er studiert, Saxophon und Klavier spielt er sowieso, ist Konzertmusiker, Orchesteraushilfe, Chorleiter: Und all das ist gerade weggebrochen. „Ich habe eine Drittelstelle an der Musikschule Bochum“, sagt der 58-Jährige: „Aber sämtliche Einkünfte aus meiner selbstständigen Tätigkeit als freischaffender Musiker fallen weg.“ Mitte März ging das alles sehr schnell, Anrufe kamen, Mails gingen ein – und keine guten.

Osterkonzerte gingen verloren, die Leitung des Kirchenchores von St. Maria-Magdalena in Bochum, die Kurse bei der Landesmusikakademie, das Engagement im Theater St. Gallen. Ein Lichtblick ist vielleicht die Entscheidung, die Kirchen wiederzubeleben. Ansonsten ist Stillstand um Thomas Krause, die Musikschule unterrichtet ja auch nicht. „Selbst wenn ich privaten Unterricht geben möchte, darf ich das in dieser Situation nicht.“

Der Clown hängt in der Luft: „Ich bin nervlich schwer angeschlagen“

Als Clown und Nikolaus können Sie Detlef Vollrath engagieren, doch er selbst bezeichnet sich als „Kinderanimateur“. „Ich bin kein Clown, der nur Faxen macht und Luftballontiere modelliert“, sagt der Mann aus Duisburg: Sondern als ,Papa Clownie’ animiert er die Kinder, selbst mit ihm aktiv zu werden. Zu spielen, zu malen, zu balancieren. „Da ich zu 90 Prozent mit den Kindern arbeite, habe ich durch die Abstandsregeln den Schwarzen Peter gezogen.“

Detlef Vollrath alias „Papa Clownie“ hat derzeit keinen Grund, fröhlich zu sein.
Detlef Vollrath alias „Papa Clownie“ hat derzeit keinen Grund, fröhlich zu sein. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Schulen und Kitas, Gemeinden und Behinderteneinrichtungen engagierten den Clown sei vielen Jahren immer wieder. Vorbei. „Ich bin nervlich schwer angeschlagen.“ Dabei hatte Vollrath nach einer scheren Krankheit im Sommer 2019 gerade erst wieder Mut gefasst, zu arbeiten. Stattdessen gehört er nun auch noch zur Risikogruppe. Nach der deutschen Wiedervereinigung war der Mann aus Potsdam in den Westen gekommen, hatte sieben Jahre im Zirkus gearbeitet und sich dann auf eigene Füße gestellt. Auf die Füße von Papa Clownie. Jetzt hängt er in der Luft.

Niemand kommt mehr, um den Messerwerfer zu sehen oder die Artistin

It’s Showtime, so würde das Programm 2020 im „Circus Altano“ heißen – wenn es denn gespielt werden dürfte. Aber es gibt keine Show mehr, das Gastspiel in Menden endete abrupt, das in Mülheim fing gar nicht mehr an, alle Termine für Sauer- und Bergisches Land sind abgesagt. Da steht sie nun, die ganze zwölfköpfige Familie Neigert, mit ihren Tieren, ihren Zelten, ihren Wohnwagen auf dem Flughafen Essen/Mülheim; und die Plakate in der Stadt werben für Vorstellungen, die nicht stattfinden dürfen.

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Luftbild von der Cranger Kirmes 2019 in Herne, Crange, Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Von Andreas Böhme, Michael Muscheid und Dirk Hein

„Es ist ein harter Kampf“, sagt Zirkusdirektor Karl-Remo Neigert, und dabei hat er „doch noch nie betteln müssen“. Er versteht die Leute, „die sind selbst in Kurzarbeit und haben auch nichts in den Taschen“, und trotzdem haben einige gespendet: Futter für die Tiere, Ponys, Lama, Hunde, Tauben, die Flöhe nicht gezählt (Neigert hat seinen Humor nicht verloren). Aber natürlich kommt niemand mehr, um Olaf, den Clown, zu sehen, das ist der jüngste Sohn, oder den älteren, der Messer wirft, oder die Tochter, die Artistin ist und die Ansagen macht… Sie trainieren jetzt in einem kleinen Zelt und warten auf bessere Zeiten.

Derweil zählt der Chef das Geld, das er braucht für seine Zirkusfamilie in fünfter Generation, für die Versicherungen, die Platzmiete, die Tiere, die Reparaturen… Am heutigen Samstag hat er Geburtstag, er wird 51, da kommt das Geschenk von „Wir im Revier“ gerade recht. Herzlichen Glückwunsch!

>>INFO: HIER KÖNNEN SIE WEITERE VORSCHLÄGE MACHEN

Zur Aktion "Wir im Revier"

Auf der Internetseite zur Aktion finden Sie alle Informationen und können weitere Vorschläge machen. Schauen Sie genau hin und sagen Sie uns, wer in Ihrer Umgebung, in Ihrer Nachbarschaft durch Corona in Not geraten ist und dringend Hilfe braucht! Erzählen Sie uns ihre Geschichte!

Große Stiftungen und Unternehmen aus dem Ruhrgebiet sowie der Regionalverband Ruhr (RVR) haben auf Initiative der Funke Mediengruppe NRW und der Business Metropole Ruhr GmbH einen Spendenfonds aufgelegt; RAG-Stiftung, Brost-Stiftung, Stiftung Mercator sind dabei.

Ein Gremium aus Vertretern der beteiligten Stiftungen und Institutionen begutachtet die Fälle und spricht Empfehlungen aus, Caritas und Diakonie entscheiden abschließend, wer hilfebedürftig ist, und informiert die Betroffenen.