Düsseldorf. Der Handelsverband NRW will mehr verkaufsoffene Sonntage, sobald es die Corona-Lage zulässt. Um Händlern zu Umsatz zu verhelfen. Verdi lehnt ab.

Bei verkaufsoffenen Sonntagen in NRW trudeln derzeit immer mehr Absagen ein - wegen Corona. Gleichwohl will sich der Handelsverband NRW (HDE) alsbald für mehr verkaufsoffene Sonntage in NRW in diesem Jahr einsetzen - um dem vom Lockdown getroffenen Einzelhandel mehr Umsatzmöglichkeiten zu verschaffen.

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"Verkaufsoffene Sonntage sind für den Einzelhandel notwendig, für die Zeit nach Corona", sagt Rainer Gallus, Geschäftsführer des HDE in NRW. Viele Händler sehen sich durch die Wochen des Lockdowns in ihrer Existenz bedroht: "Verkaufsoffene Sonntage könnten helfen, den Konsum wieder anzuregen", glaubt Gallus. Man wolle deshalb "mit den Kommunen über künftige verkaufsoffene Sonntage sprechen", kündigt Gallus im Gespräch mit dieser Zeitung an: "Sobald es die Corona-Lage erlaubt".

Corona: Viele Einzelhändler sehen sich in Insolvenz-Gefahr

"Einem Drittel der Einzelhändler in NRW drohen Umsatz-Rückgänge von 25 bis 50 Prozent, acht Prozent von mehr als 50 Prozent." Das ist das Ergebnis einer "Blitzumfrage", die die Industrie- und Handelskammer NRW jüngst für die Bereiche Gastgewerbe, Reisegewerbe und Einzelhandel veröffentlicht hat. Ohne weitere unterstützende Maßnahmen steige demnach das Insolvenzrisiko in den Branchen teils dramatisch an. "Im Reisegewerbe erwarten drei Viertel der befragten Unternehmen, dass sie in 2020 Insolvenz anmelden müssen. Im Gastgewerbe liegt der Anteil bei 60 Prozent, im Einzelhandel immerhin noch bei 38 Prozent", teilte die IHK NRW mit.

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Dass mehr verkaufsoffene Sonntage den Umsatz ankurbeln, glaubt Nils Böhlke aus dem Fachbereich Handel der Gewerkschaft Verdi NRW indes nicht: "Wir erwarten nicht, dass den Menschen am Sonntag mehr Geld zur Verfügung steht, das sie nicht auch unter der Woche ausgeben können", sagt Böhlke. Aus Verdi-Sicht sei vielmehr damit zu rechnen, "dass der Konsum in diesem Jahr sinken wird, weil viele Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, etwa weil sie in Kurzarbeit sind." Sein Fazit: "Da helfen verkaufsoffene Sonntage nicht weiter".

Verkaufsoffener Sonntag: Handelsverband hofft auf "Flexibilität der Kommunen"

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In Düsseldorf weist man in der Stadtverwaltung auch auf rechtliche Bedenken hin. Es sei gar nicht möglich, "einfach so die Hürden für verkaufsoffene Sonntage zu senken", sagt ein Sprecher auf Nachfrage - auch nicht wegen Corona: "Die Genehmigung muss rechtssicher sein" und sei an klare Vorgaben gebunden. Zudem sind mit Blick auf eine Genehmigung neben dem örtlichen Ordnungsamt auch die zuständigen Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände, Kirchen, die jeweiligen Industrie-und Handelskammer und die Handwerkskammer anzuhören - sogar doppelt: Bei Antragstellung und beim Genehmigungsvorschlag der Kommune.

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    Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte 2018 das Ladenöffnungsgesetz in NRW geändert und mehr verkaufsoffene Sonntage je Jahr ermöglicht. Zudem ist für einen verkaufsoffenen Sonntag seitdem nicht mehr zwingend eine Messe oder ein Fest als "Anlass" nötig, sondern "Sachgründe", erläutert Rainer Gallus vom HDE: "Das kann auch der Erhalt, die Stärkung oder die Entwicklung eines zukunftsfähigen stationären Einzelhandelsangebotes sein." Gleichwohl aber gebe es seitdem noch kein Beispiel in NRW, wo ein Verkaufs-Sonntag ohne begleitenden Anlass genehmigt worden wäre. "Wir hoffen hier auf mehr Flexibilität der Kommunen", sagt Gallus mit Blick auf die Corona-Krise.

    Die "Zeit nach Corona" ist noch zu weit weg

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    Bei der Gewerkschaft Verdi, die zuletzt immer wieder erfolgreich verkaufsoffene Sonntage vor Gericht stoppte, verweist Handels-Sekretär Nils Böhlke auf Gerichtsentscheide, etwa vom Bundesverwaltungsgericht. Das hatte etwa 2015 klar gestellt, "dass das bloße Umsatzinteresse nicht als Anlass eines verkaufsoffenen Sonntags ausreicht", sagt Böhlke. Zudem sei der Sonntag im Grundgesetz besonders geschützt und kein herkömmlicher Arbeitstag. Dies zu ändern, bedürfe einer Grundgesetzänderung und müsste also vom Bundestag beschlossen werden. Was die "Belebung des Einzelhandels" als Anlass angehe, bräuchte es "ein sehr klares Konzept der Organistoren, um zu begründen, wie ein solcher einmaliger verkaufsoffener Sonntag tatsächlich eine solche Wirkung haben sollte", meint Böhlke.

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    Solange Kontaktsperren und Abstandsgebot dazu führen, dass Großveranstaltungen bis vorerst 31. August verboten sind, haben sich verkaufsoffene Sonntage in NRW ohnehin erstmal erledigt, sagt ein Sprecher der Stadt Gelsenkirchen. Mit der "Zeit nach Corona" mag man sich in Gelsenkirchen derzeit noch nicht beschäftigen: "Wir sind noch am Anfang der Pandemie und müssen alles dafür tun, dass wir die neu gewonnenen Freiheiten mit den Ladenöffnungen nicht wieder verspielen", sagt der Sprecher.

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    Mit Absagen verkaufsoffener Sonntage tun sich Kommunen dennoch schwer. Grund: "Nichts passiert automatisch", erklärt der Sprecher der Stadt Düsseldorf: "Formell muss der Stadtrat die entsprechende Ordnungsverfügung zurücknehmen, weil er sie zuvor auch beschlossen hatte". Die Stadt Essen etwa weist aktuell darauf hin, dass vier Termine zwischen dem 17. Mai und dem 30. August derzeit noch als "beschlossen" gelten: "Dies kann sich aufgrund der dynamischen Entwicklungen rund um das Coronavirus jedoch jederzeit ändern."

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      Die Stadt Köln hat erst an diesem Dienstag die beiden am kommenden Wochenende geplanten verkaufsoffenen Sonntage zur "Südstadt-Safari" und zur "Rodenkirchener Kunstmeile" abgesagt. Dass dies so spät erfolgte, habe an "Abstimmungen mit den Veranstaltern" gelegen, sagt eine Stadtsprecherin auf Nachfrage. Fünf weitere Termine im Stadtgebiet sind jedoch noch offen. Es steht bisher nur fest, dass auch die Ladenöffnung während des NRW-Tags 2020 am 23. August, dessen zentrale Feier nach Köln vergeben worden war, entfällt: Das Land hat den NRW-Tag jüngst abgesagt - neben weiteren geplanten Großveranstaltungen.

      "Eigentlich sollte klar sein, dass alle Großveranstaltungen verboten sind"

      Auch in Bottrop wurde bisher nur der für Sonntag geplante "Pferdemarkt" in der Innenstadt abgesagt. Damit entfällt auch der Anlass für den geplanten verkaufsoffenen Sonntag, sagt ein Sprecher. Das Stadtfest (7. Juni) und das Kirchhellener Dorffest (16. August) wären die nächsten Termine. Absagen kämen aber vermutlich erst eine Woche vorher, sagt ein Stadt-Sprecher: "Wir werden die Lage abwarten". In Bochum wiederum gilt laut Stadt, dass alle geplanten Termine abgesagt sind. Die Stadt aber wolle die Lage beobachten und in Absprache mit der Politik eventuell über die Termine neu diskutieren.

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      Die Stadt Hattingen hat widerum alle drei bis Ende August geplanten verkaufsoffenen Sonntage vor Ort definitiv gestrichen. „Eigentlich sollte es klar sein, da alle Großveranstaltungen bis Ende August verboten sind, trotzdem gibt es noch Anfragen“, teilt die Stadt mit. In Dinslaken heißt es: "In Anbetracht der aktuellen Coronakrise und mit Blick auf die geltenden Abstandsregelungen sehen wir verkaufsoffene Sonntage derzeit überaus kritisch. Aus unserer Sicht kommen verkaufsoffene Sonntage im Moment nicht in Frage."

      In Düsseldorf hält man sich die nächsten Entscheidungen noch offen. "Die aktuelle Coronaschutzverordnung NRW endet mit Ablauf des 3. Mai 2020. Was danach kommen wird, entscheiden Bund und Länder in der nächsten Woche", teilt die Stadt auf Anfrage mit. Der nächste verkaufsoffene Sonntag in der Landeshauptstadt ist für den 10. Mai geplant.