Hagen. Montag öffnen die Buchläden wieder. Warum Thalia-Chef Michael Busch im Interview verkaufsoffene Sonntag bis Ende Januar 2021 fordert.

Mitten in der Coronakrise ist der Buchhandel eine der ersten Branchen, die ab Montag wieder flächendeckend ihre Läden öffnen dürfen. Michael Busch, Chef der größten Kette Thalia/Mayersche, sieht die Innenstädte durch die Krise gestärkt, fordert im Gespräch mit Frank Meßing aber auch verkaufsoffene Sonntage bis Ende Januar, damit der Handel seine Umsatzeinbrüche einholen kann.

Herr Busch, der Shutdown geht für den deutschen Buchhandel am Montag zu Ende. Waren wirklich alle 350 Thalia und Mayersche-Buchhandlungen über Wochen geschlossen?

Michael Busch: In Berlin und Sachsen-Anhalt war der Buchhandel von dem Verkaufsverbot ausgenommen. Als reine Abholstationen haben wir beispielsweise in Berlin zwei Drittel unserer Läden geöffnet, auch in NRW waren wir in dieser Weise präsent. An diesen Standorten haben die Kunden zum Teil Wartezeiten von 50 Minuten in Kauf genommen um sich mit Büchern zu versorgen. Damit haben wir keinen überwältigenden Umsatz gemacht. Uns war aber das Signal wichtig, für unsere Kunden da zu sein.

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Hat sich das Bücher-Geschäft in Corona-Zeiten ganz auf das Internet konzentriert?

In unserem Online-Geschäft sind wir um mehrere hundert Prozent gewachsen, auch wegen der hohen Quote an Neukunden, die das Lesen neu für sich entdeckt haben. Auf der anderen Seite lag der stationäre Umsatz bei Null. Vor allem in unseren Läden in den Innenstädten leben wir von Spontankäufen. Die sind komplett weggefallen.

Dabei haben die Menschen im Moment mangels Alternativen mehr Gelegenheit, ein Buch zu lesen.

Das stimmt. Es wird mehr gelesen und wir nutzen alle verfügbaren Kanäle wie unseren Onlineshop, aber auch Newsletter, Social Media-Posts und die Direktansprache um die Menschen mit neuen Ideen für den Bucheinkauf zu versorgen. Über die Thalia-App konnten die Kunden mit ihrem Lieblingsbuchhändler in Verbindung bleiben.

Wer dieser Tage ein Buch online bestellt, muss deutlich länger auf die Lieferung warten als sonst, weil die Zustelldienste überlastet sind.

Stimmt. In der Regel sind unsere Lieferungen nach ein, in wenigen Fällen nach zwei Tagen versandfertig – allerdings haben die Lieferdienste aktuell mitunter Lieferzeiten von bis zu einer Woche; das betrifft den ganzen E-Commerce- und Versandhandel. Im Verlauf der Krise hat sich die Zustellzeit immer weiter verlängert. Wir haben bereits reagiert und verschicken Bücher nicht mehr nur als Pakete. Damit geht es schneller. Hier hat sich die Post als guter Partner sehr flexibel gezeigt.

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Werden wegen der großen Verunsicherung durch Corona andere Titel nachgefragt und gelesen als sonst?

Es gibt schon ein paar Besonderheiten, die der Krise geschuldet sind. Zum Bespiel werden Kinderbücher, aber auch Malbücher, verstärkt nachgefragt. Auch die Erwachsenen wollten nicht nur lesen, sondern haben auch Rätselhefte und Bastelbücher erstanden. Am Anfang der Krise gab es einen deutlichen Anstieg bei Titeln, die sich mit dem Thema Börse Aktien beschäftigen.

Ab Montag dürfen Buchläden im Gegensatz zum übrigen Handel unabhängig von ihrer Größe öffnen. Sind Sie mit der Regelung zufrieden?

Zunächst einmal freut es mich natürlich, dass die Politik den Buchhandel mit in die erste Öffnungsphase nimmt. Ich befürchte allerdings, dass es einen föderalen Flickenteppich geben wird. Jedes Bundesland wird das anders regeln. Thüringen und Bayern haben schon angekündigt, später zu starten. Wir hoffen, dass dies die einzigen Ausnahmen bleiben. Als vorbildlich erachten wir die Vorgehensweise der Landesregierung in NRW. Wir sehen, dass konstruktive Vorschläge schnell und unkompliziert aufgenommen werden.

Überall gleich ist aber die staatliche Auflage, dass Händler in ihren Läden die Distanz der Kunden untereinander und zu den Mitarbeitern sicherstellen müssen.

Im Rahmen der geltenden Hygienevorschriften, ja. Es fehlt jedoch eine klare Definition, wie viele Kunden wir, gemessen an der Verkaufsfläche, in den Laden lassendürfen. In Österreich und den Niederlanden gibt es solche Faustformeln. So wird auch eine Ungleichbehandlung von großen und kleinen Geschäften vermieden.

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Im Buchladen stöbert man gern und liest sich vielleicht auch mal in einem Buch fest. Wird das noch möglich sein?

Natürlich. Wir müssen uns hier alle solidarisch zeigen und Geduld mitbringen. Wir werden keinen Kunden aus dem Laden komplimentieren.

Ist die Öffnung ab Montag für Sie nicht auch ein wirtschaftliches Risiko? In Essen etwa bleiben Ihre unmittelbaren Nachbarn P&C und Primark sowie die Gastronomie geschlossen.

Das Risiko ist uns bewusst. Wir wollen unsere Buchhandlungen deshalb behutsam hochfahren. Wir werden mit einer der Situation angemessenen Anzahl an Beschäftigten und reduzierten Öffnungszeiten, von zunächst 10 Uhr bis 17 Uhr, starten und je nach Standort flexibel entscheiden, wie es weitergeht.

Werden Sie von Nachholeffekten nach Wochen des eingeschränkten Konsums profitieren?

Davon gehe ich aus. Dazu brauchen wir die Unterstützung der Politik bei den Öffnungszeiten. Um die Kundenströme zu entzerren, wünsche ich mir eine Flexibilisierung an Sonntagen, befristet bis Ende Januar des nächsten Jahres. Der Einzelhandel könnte auf diese Weise den verlorenen Umsatz ein Stück weit zurückholen. Gerne sind wir bereit, gerade diese zusätzlichen Öffnungszeiten auch für solidarische und karitative Zwecke zu nutzen. Diesbezüglich werden wir jetzt auch schnell den Schulterschluss mit den Kirchen und Gewerkschaften suchen. Ich bin überzeugt, dass alle das gemeinsame Interesse, Arbeitsplätze zu erhalten, als Leitlinie ihres Handelns definieren und wir gemeinsam zu einer guten Lösung kommen.

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Michael Busch ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Thalia Bücher GmbH und Gesellschafter des Hagener Familienunternehmens.
Von Andreas Tyrock/Lars von der Gönna/Frank Meßing

Wird sich der Buchhandel nach Corona verändern?

Der Trend zu mehr digitalen Produkten wie E-Book und Hörbuch, wird sich jetzt noch verstärken. Und natürlich auch der Onlinehandel. Wir bei Thalia und Mayersche haben hier schon einen Umsatzanteil von 20 Prozent. Dieses Geschäftsfeld wird jetzt vermutlich noch schneller wachsen.

Werden davon aber nicht in erster Linie US-Riesen wie Amazon profitieren?

Ganz im Gegenteil. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Trend weg geht von den globalen Plattformen und zurück zu den Buch- und Einzelhändlern vor Ort. Deshalb haben wir gemeinsam mit Partnern die Initiative „Shop Daheim, www.shopdaheim.de“ gegründet. Die Suchmaschine weist den Weg zu stationären lokalen Händlern, die auch Online präsent sind. Die Menschen verhalten sich doch sehr solidarisch und kaufen verstärkt in ihrer Gegend ein.

Zu Lasten der Innenstädte und Einkaufszentren?

Wir alle werden nach der Corona-Krise den Wert unserer Innenstädte ganz neu zu schätzen wissen und das wird einen positiven Einfluss auf die weitere Entwicklung haben.