Essen/Oberhausen. In NRW öffnen nach Gesetzesreform wieder mehr Läden an Sonntagen. Der Streit aber bleibt. Das Centro Oberhausen eröffnet die Saison.
Die Weihnachtsdekoration ist noch gar nicht ganz weggeräumt, da lockt der Handel schon wieder mit neuen Aktionen in die Läden. Wenige Tage nach Neujahr öffnet das Centro in Oberhausen bereits an diesem Sonntag seine rund 220 Geschäfte. Dabei haben sich trotz der Gesetzesänderung für NRW die Gemüter zum Reizthema verkaufsoffene Sonntage längst nicht beruhigt. Die 15 Termine in Duisburg etwa, die der Einzelhandelsverband in diesem Jahr anpeilt, stoßen auf heftige Kritik der Gewerkschaft Verdi und der Evangelischen Kirche.
Nach der Klagewelle im Jahr 2017 hatte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) im Frühjahr darauf ein neues Ladenöffnungsgesetz auf den Weg gebracht. Es sollte den Kommunen mehr Rechtssicherheit bei der Genehmigung verkaufsoffener Sonntage bringen. Die maximale Zahl der Termine hat die schwarz-gelbe Landesregierung von vier auf acht je Geschäft verdoppelt. Um das zu ermöglichen, darf jede Kommune nun 16 statt zuvor elf Sonn- oder Feiertage für den Verkauf freigeben. Das können stadtweite Freigaben sein, oft sind es aber örtliche Veranstaltungen. Pinkwart strich den komplizierten Anlassbezug und verlangt jetzt nur noch „Sachgründe“, die offene Läden am Sonntag rechtfertigen. Nun soll das „öffentliche Interesse“ wie die Belebung einer Innenstadt als Begründung ausreichen.
Zahl der verkaufsoffenen Sonntage steigt wieder
In Pinkwarts Ministerium ist man davon überzeugt, dass das neue Gesetz Wirkung zeigt. „Insgesamt ist die Anzahl der Gerichtsentscheidungen im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen“, sagte eine Sprecherin. Nach ihren Angaben habe es 2018 bei 309 verkaufsoffenen Sonntagen, die nach neuem Recht beantragt wurden, 22 Gerichtsentscheidungen zu Gunsten von Verdi gegeben, sieben im Sinne der Kommunen. 2019 hätten nur noch drei erfolgreiche Gewerkschaftsanträge gegen die Ladenöffnung fünf Gerichtsentscheidungen dafür gegenüber gestanden. Obwohl abschließende Zahlen noch nicht vorliegen, geht das Wirtschaftsministerium von einer wieder leicht steigenden Zahl verkaufsoffener Sonntage in NRW aus – von 1298 im Jahr 2018 auf 1317 im vergangenen.
Der Handelsverband HDE als Interessenvertreter der Ladenbetreiber freilich zieht eine nicht ganz so positive Bilanz. Hauptgeschaftsführer Stefan Genth pocht bundesweit auf klarere Regelungen für die Sonntagsöffnung. „Wir brauchen endlich verlässliche Rahmenbedingungen. Man hat es im Advent wieder gesehen. An verkaufsoffenen Sonntagen brummt es in den Innenstädten“, betonte er. Einkauf am Sonntag sei eine „wichtige Facette, um die Innenstädte attraktiv zu halten“. Das scheitere aber oft am Widerstand der Gewerkschaften und an unklaren Regelungen.
Handelsverband sieht Nachbesserungsbedarf in NRW
Die sind Ländersache. Nordrhein-Westfalen hat das Gesetz 2018 reformiert. Peter Achten, Chef des Handelsverbands NRW, sieht dennoch Nachholbedarf. „Maßstab für die gewünschte Wirksamkeit kann ja nicht sein, dass die Zahl der Klagen leicht gesunken ist“, sagte er unserer Redaktion. Aus seiner Sicht wirken eher „die hohen Darlegungs- und Beweislasten abschreckend auf Antragsteller“. Der Handelsverband NRW sieht insbesondere Möbelhäuser und andere großflächige Händler häufig vom Sonntagsverkauf ausgeschlossen. „Das war anders vorgesehen. Wir werden hier nachbessern müssen“, fordert Achten.
Das Centro in Oberhausen – immerhin Europas größtes Einkaufs- und Freizeitzentrum – hat sich mit dem neuen Gesetz arrangiert. „Unser Ziel ist es, in diesem Jahr zumindest wieder auf vier verkaufsoffene Sonntage zu kommen. Dahinter stehen auch die Betriebsräte unserer Mieter. Mit ihnen stehe ich regelmäßig in Kontakt“, sagte Geschäftsführer Marcus Remark unserer Redaktion. Freilich würde er sich mehr wünschen. „Verkaufsoffene Sonntage sind sehr wichtig für das Centro – besonders im Hinblick auf den Wettbewerb mit alternativen Einkaufsmöglichkeiten wie dem Onlinehandel“, so Remark.
Der Center-Manager ist fest davon überzeugt, dass „mehr verkaufsoffene Sonntage zusätzliche Arbeitsplätze und Kaufkraft schaffen“. Remark: „Theoretisch hätten wir daher nichts dagegen, an deutlich mehr Sonntagen zu öffnen. Man muss dabei aber die saisonalen Unterschiede beachten. Im Sommer etwa gehen die Menschen lieber nach draußen. Dafür würden wir am liebsten an allen vier Sonntagen im Advent öffnen. Wir hätten gern mehr Flexibilität.“
Bis zu 27.000 Besucher im Centro an regulären Sonntagen
Auf den ersten verkaufsoffenen Sonntag so kurz nach Neujahr hat sich das Centro sorgfältig vorbereitet. Anlass ist die Freizeit- und Reisemesse, die an diesem Wochenende in der Neuen Mitte Oberhausen stattfindet. Dem Rat der Stadt, der die Ladenöffnung genehmigen musste, hatte Remark eine Studie vorgelegt. Danach zieht das Centro an normalen Sonntagen zwischen 22.000 und 27.000 Besucher an. Wenn die Geschäfte geöffnet sind, seien es noch einmal 10.000 mehr. Das überzeugte die Mehrheit der Kommunalpolitiker.
Die Gewerkschaft Verdi indes bleibt bei ihrer ablehnenden Haltung. „Mit ihrer Forderung nach mehr Öffnungszeiten auch am Sonntag heizen die Arbeitgeber den Wettbewerb im Einzelhandel auf dem Rücken der Beschäftigten und auf dem Rücken von kleinen mittelständischen Unternehmen immer mehr an“, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger unserer Redaktion. „Und das ohne Grund, denn durch Sonntagsöffnungen verteilt sich der Umsatz auf mehr Tage, aber es wird nicht ein Euro mehr ausgegeben.“
Nutzenberger verweist auf die Belastung der Beschäftigten – zumeist Frauen –, die zum Teil bis spät in den Abend arbeiten müssen. „Der Sonntag ist oftmals der einzige Tag, den sie gemeinsam mit ihrer Familie oder für ihre Freizeit zur Verfügung haben“, so die Gewerkschafterin. Das Argument des Handelsverbands, dass Onlineunternehmen an sieben Tagen in der Woche verkaufen dürfen, weist Nutzenberger zurück. „Internetanbieter, wie beispielsweise Amazon, versenden nicht am Sonntag. Der Wettbewerbsvergleich durch Öffnungszeiten zwischen Internetanbietern und Sonntagsöffnungen in Einkaufsstraßen hinkt seit Jahren und wird auch durch Wiederholung nicht wahrer.“