Ruhrgebiet. Eichenprozessionsspinner werden auch 2020 wieder ins Ruhrgebiet kommen. Viele Städte wollen die haarige Raupe mit einer neuen Methode bekämpfen.
Mitte Januar stellte Mathias Niesar sich den idealen Winter noch so vor: „Außentemperaturen unter minus 16,5 Grad, vor allem ein ständiger Wechsel zwischen milden Temperaturen und Frost.“ Natürlich hatte der Fachmann vom „Landesbetrieb Wald und Holz“ bei der etwas extremen Vorstellung etwas ganz Spezielles im Auge.
Der richtig strenge Frost „würde den Tieren zusetzen“ – ganz bestimmten Tieren. Nun, es ist nicht so gekommen. NRW und das Ruhrgebiet erwarten für das Frühjahr wieder den Eichenprozessionsspinner. Und das massenhaft. Igitt!
Der Kontakt mit den Haaren fühlt sich an wie mit Brennnesseln
Falls jemand in den letzten zwei Jahren nicht da war, als die in jeder Hinsicht haarige Raupe sich im Ruhrgebiet breitmachte: Der Eichenprozessionsspinner (oder auch kennerisch EPS) ist die Raupe einer Motte, sie ist über und über mit Haaren bedeckt, die für Mensch und Tier gefährlich werden können. Sie enthalten ein Nesselgift, das Eiweiße im Körper zerstört.
Fühlt sich ähnlich an wie der Kontakt mit Brennnesseln, kann aber schlimmstenfalls auch zu Atemnot und Asthma führen. Mindestens eine Augenoperation gab es auch schon in NRW, weil die Haare mit ihren Widerhaken sich festgesetzt hatten.
Eichenprozessionsspinner ist in unseren Breiten ein Kind des Klimawandels
Und so haben im März viele Kommunen begonnen, sich vorzubereiten. Denn ganz NRW mit Ausnahmen in Teilen des Rheinlands, des Sauer- und des Siegerlandes gilt als Befallsgebiet – und das Ruhrgebiet mittendrin. Dortmund etwa, Oberhausen, Gladbeck, der ganze Kreis Recklinghausen, der Niedrrehin machen sich Gedanken. Das steht im Moment natürlich etwas hintan, muss aber auch gemacht werden.
Denn das Jahr soll wieder warm werden, und das alljährliche Auftreten des EPS in unseren Breiten ist ein Kind des Klimawandels. Die Raupe „stellt uns vor große Herausforderungen“, sagt Oberhausens Umweltdezernentin Sabine Lauxen: „Auf der einen Seite müssen wir die Gesundheit der Menschen schützen, deshalb setzen wir in viel frequentierten Bereichen ein Biozid ein. Auf der anderen Seite versuchen wir, ihr mit natürlichen Methoden zu Leibe zu rücken.“
Städte, Privatleute und Schulklassen bauen Nistkästen
Was die „natürlichen Methoden“ angeht, kann man sagen: Die Meise soll es richten. Sie frisst Eichenprozessionsspinner. In vielen Städten haben die Verwaltungen selbst Nistkästen bauen lassen, sie entstanden aber auch bei Parteigliederungen, in Schulklassen und Privatfirmen. Denn 2019 hatten holländische Gemeinden bereits zu solchen Kästen gegriffen, und das mit Erfolg.
Sie hingen nicht an wirklich vielen Eichen, aber wo sie hingen, da hatte die Raupe nur ein kurzes Leben: Der Befall ging deutlich zurück. Wie gut, wenn Bäume eine Meise haben!
„Wir sind selbst oft viel im Wald und unsere Kinder besuchen das Zeltlager“
Und so kommt es zum Beispiel, dass ein Trupp gestandener Männer im Winter in Emmerich mit hohen Leitern und Akkuschraubern in den Wald geht und Nistkästen aufhängt. Maurer und Fliesenleger sind sie eigentlich, aber an diesem Tag haben sie Kästen um einen Zeltplatz herum aufgebaut. „Wir sind selbst oft viel im Wald und unsere Kinder besuchen das Zeltlager“, sagt Tim Sterbenk, einer der Beteiligten.
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Aber an sich ist es natürlich Sache der Stadtverwaltungen, sich darum zu kümmern. Zumindest im öffentlichen Raum. Was im 20. Jahrhundert Einzelfälle waren – der EPS verbreitet sich ein Jahr explosionsartig und ist danach für lange Zeit wieder weg – das war zuletzt der Normalfall.
Dortmund geht von einem noch stärkeren Befall als 2019 aus
Gelsenkirchen etwa hatte 1100 befallene Bäume 2018 und 1700 im Jahr 2019. Besonders hart traf es auch Dortmund, wo einzelne Parks und Grünanlagen gesperrt werden mussten, nicht betreten werden durften (manche Menschen gingen aber doch); wo in manchen Schulen und Kitas die Kinder zwischendurch nicht heraus durften, bis Spezialkräfte anrückten und den Raupen den Garaus machten.
Auch Dortmund greift zur Meise, sozusagen. Sie seien „natürliche Fressfeinde des Eichenprozessionsspinners“, sagt Baudezernent Arnulf Rybicki in den Ruhr-Nachrichten. Das Aufkommen der Raupe sei „schwer abzuschätzen“, man gehe aber von einem noch stärkeren Befall als im letzten Jahr aus.
Was helfen könnte, wäre das Wetter. „Ein feuchter Frühling“, sagt Mathias Niesar, der Experte von „Wald und Holz“. Doch sein Talent als Wettervorhersage ist ja leider auch nicht größer als Ihres oder meins.