Essen. Ein Familienzwist zwischen den libanesischen Großfamilien R. und S./El-Z. beschäftigt das Amtsgericht Essen. Der Sicherheitsaufwand ist groß.
Der Aufwand ist groß, wenn am heutigen Freitag Mitglieder der libanesischen Großfamilien R. und S./El-Z. vor dem Amtsgericht Essen zusammentreffen. Eine große Zahl an Sicherheitskräften wird die Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht schützen. Es geht um den feigen Überfall vom 4. Juni auf dem Schulhof der Hüttmannschule in Altenessen.
Mutmaßliches Opfer ist ein 18-Jähriger aus dem R.-Clan, der unter einem Vorwand von einem Mädchen auf den Hof gelockt worden sein soll. Dort sollen ihn sieben Mann aus dem S./El-Z.-Clan halbtot geprügelt haben. Immer wieder sollen sie vor seinen Kopf getreten haben, als er am Boden lag. "Mit einer Wucht wie beim Fußball", beschreibt einer die Trittstärke, nachdem er das Video von der Tat gesehen hatte.
Gewaltvideo von der Tat in Essen kursierte schnell im Internet
Der achte Angeklagte soll es aufgenommen haben. Kurz nach dem 4. Juni kursierte es bereits im Internet. Jetzt sorgt es dafür, dass Staatsanwältin Franca Bandorski auf eine recht gute Beweislage für ihre Anklage vertrauen darf.
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Der Hintergrund der Tat ist dagegen eher unklar. Es gibt dazu unterschiedliche Angaben im Ermittlungsverfahren. Favorisiert wurde von den Ermittlern, dass der 18-Jährige für eine von den S. nicht erwünschte Beziehung zu einem Mädchen aus ihrer Familie büßen musste.
Acht junge Männer gehen auf ein Opfer los
Heftige Verletzungen erlitt er, musste operiert werden. Auch Todesangst wird er empfunden haben, als die 16 bis 21 Jahre alten Angeklagten auf ihn zustürmten und seinen Kopf und Oberkörper attackierten. Acht junge Männer gegen einen - keine besonders mutige Tat.
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Den Ablauf der Verhandlung will niemand abschätzen können. Den acht Angeklagten stehen 16 Verteidiger zur Seite. Für ein Amtsgericht eine eher ungewöhnlich hohe Zahl an Prozessbeteiligten. Das sind Dimensionen, mit denen eher das Landgericht vertraut ist. Aber da setzen sich meist drei Berufsrichter mit den mehr oder weniger gehaltvollen Anträgen der Verteidiger auseinander. Am Amtsgericht ist es dagegen nur ein Berufsjurist, in diesem Fall Richterin Claudia Schlarb, flankiert von zwei Schöffen, juristischen Laien.
Aufgebot von Libanesen kommen mit Friedensrichter angereist
Unberechenbar ist das Verfahren aber auch, weil nach der Tat auf dem Schulhof ein Aufgebot von Libanesen mit einem "Friedensrichter" aus Berlin angereist kam. Verhandlungen zwischen den Familien sollen geführt worden sein. Angeblich soll die Familie S./El-Z. auch Geld bezahlt haben, um sich vor Gericht das Wohlverhalten der R.'s zu erkaufen. Aber das weiß so genau niemand.
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Das Opfer selbst wird von Justizwachtmeistern in den Saal gebracht werden. Das dient aber nicht etwa seinem Schutz vor neuen Angriffen. Der 18-Jährige sitzt vielmehr seit dem 19. September selbst in Haft, wird sich demnächst vor der V. Jugendstrafkammer am Landgericht verantworten müssen.
Vorwurf der Vergewaltigung: Opfer sitzt selbst in Haft
Nachdem er nämlich selbst Opfer körperlicher Gewalt geworden war, soll er im September eine junge Frau vergewaltigt haben. Hinterhältig, so ergaben die Ermittlungen. Er soll an Nacktbilder von ihr gelangt sein und sie mit einer drohenden Veröffentlichung zum Sex in einer Wohnung in der nördlichen Essener City gezwungen haben.
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Als sie zur Polizei ging und der 18-Jährige festgenommen wurde, soll ihre Familie Besuch von Mitgliedern seiner Familie bekommen haben. Ob sie denn nicht wüssten, mit wem sie sich angelegt hätten, soll gedroht worden sein. Vielleicht, so spekulieren Ermittler, war Anlass für die Tat auf dem Schulhof, dass der 18-Jährige ein Mädchen der S.-Familie ähnlich behandelt hatte und deshalb verprügelt wurde.
Vater des Opfers gilt als Clan-Chef
Keine Unterstützung wird der 18-Jährige in der Verhandlung von seinem Vater erhalten. Der 45-Jährige, der schon mal als "Clan-Chef" bezeichnet wird, sitzt seit dem vergangenen Wochenende in U-Haft, weil er als Racheakktion für die Tat auf dem Schulhof zweimal Schlägereien gegen Mitglieder der Familie S./El-Z. organisiert haben soll. Und das, obwohl zuvor der "Friedensrichter" zu schlichten versuchte und er selbst gegenüber der Polizei Wohlverhalten versprochen haben soll.
Aber der 45-Jährige gilt als Mann mit den zwei Gesichtern. Einerseits impulsiv, jähzornig und gewalttätig. Andererseits ist er in seiner Wohngegend in Rüttenscheid auch als freundlicher Mann bekannt. Dann kauft er in einem Kiosk in der Nähe von Landgericht und Polizeipräsidium ein, steht neben Polizisten, Staatsanwälten oder Richtern, die dort ein Brötchen holen oder ihren Lottozettel ausfüllen.