Essen. Haftbefehl gegen 45-jährigen Clan-Chef: Erstmals wird ein mutmaßlicher Krimineller abgefischt, „der eine Klasse höher spielt“, so die Polizei.

Die Festnahme und anschließende Inhaftierung einer Essener Clan-Größe ist für die örtlichen Behörden so etwas wie ein Etappensieg im Kampf gegen kriminelle Machenschaften von Mitgliedern arabisch-libanesischer Großfamilien in der Stadt. Hatte man sich seit Bestehen der Task-Force, die sich „Besondere Aufbauorganisation Aktionsplan Clan“ schimpft, bislang vor allem auf die Intensivtäter in der Szene konzentrieren müssen, ist es den Ermittlern am Wochenende das erste Mal gelungen, einen mutmaßlichen Kriminellen abzufischen, „der eine ganze Klasse höher spielt“, wie es heißt.

Dass Jamal R. (45), Inhaber der Shisha-Bar „Chocolate“ an der Kastanienallee und angeblich einflussreiches Mitglied eines Clans mit guten Kontakten nach Berlin, nun unter dem Verdacht des schweren Raubes und der gefährlichen Körperverletzung in Untersuchungshaft sitzt, wird allenthalben als Erfolg gewertet. Dem Zugriff gingen monatelange Ermittlungen voraus. Und dass sie offensichtlich erfolgreich waren, ist für Jamal R. nun der Preis dafür, dass er sich persönlich an jenen Schlägern rächen wollte, die seinen Sohn (18) im Sommer auf einem Schulhof in Altendorf übel zugerichtet und die Gewaltorgie auch noch gefilmt hatten. Der junge Mann aus dem Clan R. soll sich für eine junge Frau aus einer anderen arabisch-libanesischen Familie interessiert haben.

Acht mutmaßliche Täter müssen sich am Freitag vor Gericht verantworten

Die acht mutmaßlichen Täter Khalid A., Nico G., Ahmed M., Fadi S., Faissal K., Mohammad S., Matin J., und Enrico K., die zwischen 18 und 21 Jahre alt sind, müssen sich am Freitag vor dem Jugendschöffengericht des Essener Amtsgerichts wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Vater wollte das Urteil gegen die mutmaßlichen Schläger wohl nicht abwarten. Selbstjustiz soll ihm als geeigneteres Mittel erschienen sein.

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Am 1. Juli kam es nach Informationen dieser Zeitung im Nordviertel zu einer Konfrontation zweier verfeindeter Familientrupps. Die Polizei ging dazwischen und soll Jamal R. mit einem verbotenen Schlagstock erwischt haben. Zudem wird dem 45-Jährigen und seinen Gesinnungsgenossen vorgeworfen, sich während der Auseinandersetzung bereichert zu haben. Da, so der juristische Vorwurf, bei dem angeblichen Racheakt eine Waffe mit im Spiel war, werden die unterstellten Delikte zum einen als gefährliche Körperverletzung und zum anderen als schwerer und nicht als „normaler“ Raub gewertet.

Friedensrichter aus Berlin sollte die Angelegenheit aus der Welt schaffen

Dieser Akt von Paralleljustiz war jedoch nicht der einzige: Nur drei Tage später traf ein Clan-Tross aus Berlin in Essen ein, darunter auch ein sogenannter Friedensrichter der die ganze Angelegenheit zwischen den verfeindeten Familien aus der Welt schaffen sollte. Doch daraus wurde nichts: Die Polizei hatte früh genug Wind von dem archaischen Vorhaben bekommen.

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Es wurden, so hieß es damals, mehrere Clan-Größen kontrolliert und mehr als zwei Dutzend Platzverweise gegen Störer erteilt, die die behördlichen Maßnahmen zu verhindern versuchten. Zudem gab es eine Strafanzeige nach einem Widerstand. Nach der Sicherstellung von mehreren hundert Euro wird seit dem gegen einen Sozialhilfeempfänger wegen des Verdachts des Leistungsbetrugs ermittelt. In zehn Fällen wurden Pfeffersprays und Baseballschläger sichergestellt, was der Gefahrenabwehr diente. Eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde geschrieben – es handelte sich allerdings nicht um eine scharfe Schusswaffe, betonte ein Polizeisprecher. Seitdem herrscht relative Ruhe, sagen Szenekenner.

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Es soll Geld als Entschädigung geflossen sein

Was auch daran liegen könnte, dass sich die beiden verfeindeten Familien bei einem weiteren Treffen angeblich dann doch noch geeinigt haben. Es soll Geld als Entschädigung geflossen sein, schreibt die „Bild“. Von dieser Zusammenkunft hat die Essener Polizei vielleicht nichts mitbekommen.