Essen. Vier neue Tierarten im Porträt: Trauerschwan und Mandarinente erfreuen Tierbeobachter, aber Grundel und Körbchenmuschel verändern das Ökosystem.
Schwarze Schwäne gibt’s im Ballett, in Australien, in Zoos ... und am Baldeneysee. Bei einer Fahrradrunde kann man ein Paar derzeit gut beobachten mit seinen Jungtieren. Und gleich daneben, dieser recht bunte Vogel … tatsächlich, sechs Mandarinenten. Einige eingewanderte Arten sind lediglich für Tierfreunde relevant, andere verändern massiv das Ökosystem. Wir stellen vier Vertreter vor, die nicht so im Fokus stehen wie Kanadagans, Nutria oder Waschbär.
Der Schwarzschwan
Ja, der australische Schwarzschwan ist mittlerweile an der Ruhr heimisch, wenn die Art auch so selten ist, dass sie durchaus wieder verschwinden kann. Es gebe vielleicht 50 Tiere in NRW, sagt der Biologieprofessor Daniel Hering, am Baldeneysee siedelt wohl nur ein Brutpaar. Zumindest hat Hering nur eines selbst gesehen, „sie haben auch Jungtiere“. Aber auch am Harkort- und Hengsteysee sowie am Kemnader See siedelt der Schwarzschwan. „Im Winter kann man sie sehr gut beobachten“, sagt der Experte der Uni Duisburg-Essen. Aber wie ist der „Trauerschwan“ vom anderen Ende der Welt hergekommen?
In europäischen Tiergärten und privaten Parks ist die Art schon lange populär, aber sie ist wohl nicht entflogen. Denn die ersten Exemplare, die 1971 am Harkortsee bei Hagen auftauchten, waren kupiert. Sie wurden wohl ausgesetzt, vermutlich von privaten Haltern. Der Ümminger See in Bochum-Laer, über einen Bach mit dem Kemnader See verbunden, war ab den 80ern „Ausgangspunkt für die heute im Ruhrtal lebende Population“, so der Brutvogelatlas NRW.
Mit ihren weißen Vettern konkurrieren die Trauerschwäne zwar um Nahrung, doch davon gebe es genug, sagt Hering. Ansonsten gebe es „keine großen Interaktionen, Trauer- und Höckerschwäne sind zu weit auseinander.“ Sie können keine Jungen zeugen. Es gibt zwar nur sehr wenige Schwarzschwäne, „aber sie sind relativ groß und auffällig, sie finden sich schon untereinander“.
Die Mandarinente
Vor etwa 300 Jahren wurde auch die Mandarinente nach Europa eingeführt, und auch dieser ostasiatische Ziervogel mit seinem metallisch-grünen Schopf und seinem kastanienbraunen Backenbart ist seit 1978 vor allem an der Ruhr heimisch geworden (und im Schwalm-Nette-Gebiet bei Viersen). Sie sind zu beobachten, wo Bäume nah am Wasser stehen. „Die Jungtiere springen direkt aus der Baumhöhle ins Wasser“, sagt Hering.
Im restlichen NRW gilt die mit insgesamt nur rund 90 Brutpaaren vertretene Art als unbeständig. Allerdings gibt es auch in ganz China nur noch rund 1000, in Japan noch 5000 wildlebende Paare. Die Art gilt nur deshalb als nicht gefährdet, weil es so viele Vögel in Gefangenschaft gibt.
Diese Tiere leben in Dortmund
Aber warum die Ruhr, warum nicht das Rheintal? Das hat ein etwas wärmeres Mikroklima – was zum Beispiel für die Halsbandsittiche den Unterschied macht. Die entflohenen giftgrünen Papageien vermehren sich in Köln und Düsseldorf rasant und sind seit ein paar Jahren auch in Duisburg aktiv. Doch Schwan und Ente haben andere Anforderungen: „Der Rhein ist für Stillwasservögel nicht so attraktiv. Er fließt zu schnell, man kann nicht ohne weiteres zum Grund tauchen, es ist nicht so viel Nahrung verfügbar.“ Die wenig befahrene Ruhr mit ihren vielen Wehren und Seen bietet zudem mehr Ruhe und Schutz.
Die Körbchenmuschel
Auch die Industrie hat die Ansiedlung einiger Arten auf zwei Weisen begünstigt. Der Rhein war bis in die 70er so stark verschmutzt, erklärt Daniel Hering, „dass die ersten Arten, die sich wieder ansiedelten, einen fast konkurrenzfreien Raum vorfanden“. Darunter war die ostasiatische Grobgerippte Körbchenmuschel, deren Larven zu Millionen mit dem Ballastwasser von Frachtschiffen wohl über den Main-Donau-Kanal in den Rhein gelangten. „Seit es den Kanal gibt, sind viele Arten eingeschleppt worden“, so Hering.
Die Muschel vertrage die ganz harten Winter nicht, da helfe das (nun gereinigte) Abwasser der Industrie und das Kühlwasser der Kraftwerke, das den Rhein etwas wärmer macht. „Die Körbchenmuschel hat zum Beispiel die heimische Malermuschel stark verdrängt und macht den größten Teil der Tiere aus, die im Rhein leben.“ Zwischenzeitlich stellte sie wohl 90 Prozent der Biomasse im Fluss. Immer wenn der Pegel sinkt, kann man Muschelbänke oder angespülte Schalen beobachten.
„Die Körbchenmuschel drängt auch in die Ruhr“, sagt Hering. „Sie filtriert das Plankton weg und macht so das Wasser klarer.“ Aber eben das fördert die Ausbreitung der Wasserpest (Elodea). Die Alge bereitet Wassersportlern auf den Ruhrstauseen regelmäßig Probleme. „Hier haben wir ein Beispiel, dass ein Neozoon einen Neophyten begünstigt“, also eine neue Tierart eine neue Pflanzenart.
Die Schwarzmaul-Grundel
Angler kennen sie, die Grundel. Nicht nur am Haken, sondern auch als Feind. Denn die Schwarzmund-Grundel aus dem Schwarzen Meer hat seit 2004 „die Fischgemeinschaft im Rhein ganz nachhaltig verändert“, sagt Hering. Man kann auch sagen, sie hatte Brasse, Barbe oder Kaulbarsch fast verdrängt, denn sie frisst deren Eier und hat selbst kaum Fressfeinde. Hering erinnert sich an eine eigene Fischzählung vor einigen Jahren. „Wir hatten 400 Grundeln im Netz und zehn andere Fische.“ Aber es habe sich seitdem etwas reguliert, die anderen Arten passen sich schnell an.
Doch auch in die Ruhr und andere Seitenarme des Rheins dringt die Grundel längst vor. „Sie ist hier aber nicht so massiv vertreten“, denn die Wehre erschweren die Wanderung. Und dort, wo Larven geballt über Ballastwasser ausgesetzt werden, gibt es einen Masseneffekt. Es sind schlagartig sehr viele aggressive Tiere im Ökosystem.
>> Info: So viele Arten sind eingewandert
Seit 1492 konnten sich laut Bundesamt für Naturschutz in Deutschland rund 800 eingewanderte oder eingeschleppte Arten dauerhaft etablieren. Ihr Anteil am Gesamtartenbestand beträgt rund 1%. Davon sind mehr als die Hälfte Pflanzen und Pilze. Zählt man nur die Tierarten, gibt es derzeit in Deutschland 319 etablierte Neozoen (davon 46 Wirbeltierarten).
Darüber hinaus sind 454 Neozoen nur vereinzelt gefunden worden, gelten also als unbeständig. Jedoch ist bei den wirbellosen Tieren (sowie bei den niederen Pflanzen und Pilzen) mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen.