Mülheim. . Haus Ruhrnatur in Mülheim macht neugierig auf die Pflanzen- und Tierwelt – und zeigt nebenbei, dass nicht alle Fische willkommen sind.

Eine Eintagsfliege hat sie aufgehalten. Wann sieht man dieses Insekt schon mal beim Schlüpfen! Christa Schragmann leitet das Haus Ruhrnatur bereits seit 1992, also seit der Eröffnung des Museums an der Schleuse in Mülheim. Trotzdem überrascht die Natur an der Ruhr die 61-Jährige auch heute noch. „Solche Momente wie die Geburt eines Tieres sind etwas Besonderes.“

Die Bio- und Geografiepädagogin zeigt kleinen und großen Museumsbesuchern das Insekt: „Sie wird gleich wegfliegen und sich einen Partner suchen.“ Viel Zeit hat die Eintagsfliege dafür nicht. „Sie lebt wirklich nur einen Tag, oder zwei.“ Denn fressen kann sie nun nichts mehr. „Sie lebt von der Energie, die sie im Wasser gesammelt hat.“ Als Larve in der Ruhr.

War es ein Zilpzalp?

Frisch geschlüpfte Eintagsfliege.
Frisch geschlüpfte Eintagsfliege. © Julia Tillmann

Und damit ist schon ziemlich genau beschrieben, was ein Ziel des Museums ist: Dass die rund 27.000 Besucher im Jahr hinsehen, auf die Natur direkt vor ihrer Nase. Sehen, hören, schnuppern: Eine Geruchsstation gibt es auch, bei der man Düfte erraten kann. Wobei Gras in natura noch besser riecht. Nebenan zwitschert ein Vogel und lässt beim Computer-Quiz rätseln: War es ein Zilpzalp oder macht ein Eisvogel solche Geräusche? Tierpräparate von Waschbär oder Haubentaucher laden dazu ein, mal über Fell und Federn zu streicheln. Und die Fotoausstellung „Momente der Stadtnatur“ zeigt noch bis zum 22. September einen Fuchs neben Autos in Dortmund oder einen Uhu auf der Zeche Ewald in Herten. Danach werden Bilder des Naturfotografen Klaus Tamm ausgestellt. Aber am spannendsten sind natürlich die echten Tiere, wie die Florida-Rotbauchschildkröte. Die hat eigentlich nichts in der Ruhr zu suchen, aber sie wurde dort ausgesetzt. Neugierig streckt sie ihren Kopf hervor.

Kleiner Fisch und großer Appetit

Christa Schragmann hält eine ausgesetzte Schildkröte.
Christa Schragmann hält eine ausgesetzte Schildkröte. © Julia Tillmann

Wie sehr Menschen die Natur beeinflussen, zeigt das Beispiel des Schwarzmaulgrundels. Ein unscheinbares Fischlein, das sich zwischen den Steinen in einem Aquarium versteckt. Kleiner als Karpfen oder Flussbarbe. Trotzdem macht der Kleine den Großen zu schaffen. Er kam aus dem Schwarzen Meer über das Ballastwasser von Frachtschiffen, schließlich in den Rhein und in die Ruhr. Und dort frisst er Flohkrebse, Larven, Muscheln – alles, was auch den einheimischen Tieren schmeckt. Das hat Konsequenzen: „Bei Testfängen waren 80 bis 90 Prozent der Fische Grundel.“

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Schragmann freut sich mehr über winzige Ruhrbewohner: „Wenn Flohkrebse drin sind, dann ist das Wasser sauber genug zum Baden.“ Vor rund 25 Jahren habe es sie in der Ruhr nicht gegeben. „Das Wasser ist wieder gut, weil die Abwässer der Menschen sehr gut gereinigt werden und die Ruhr so gut wie keine Industrieabwässer mehr hat.“ Die Abwässer aus der Industrie seien andernorts heute noch ein Problem. „Die Einleitung unerforschter Stoffe sollte unterbunden werden.“

Baden wieder erlaubt

Der eingeschleppte Schwarzmaulgrundel.
Der eingeschleppte Schwarzmaulgrundel. © Julia Tillmann

Würde sie ein Glas Wasser aus der Ruhr trinken? „Ich würde es bei den ganzen Wasserflöhen erstmal durch ein Taschentuch schütten“, sagt Schragmann lachend. „Aber ja, ich würde es trinken.“ Nicht nur am Baldeneysee ist das Baden wieder erlaubt, auch in Mülheim plant man eine Schwimmstelle.

Neben dem Museum liegt das Wasserkraftwerk Kahlenberg von RWW – die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft ist auch Träger des Museums, in dem Kinder neben Wasser- auch andere erneuerbare Energien erforschen. Die Zwillinge Lilly und Leni (7) drehen an einer Kurbel und sind damit der Wind für das sich nun immer stärker drehende kleine Windrad. Und an einer Bastelstation können sie mit Hilfe von Photovoltaik-Platten die Sonnenenergie nutzen und Rotoren drehen lassen.

Wer ist für die Entwicklung der Umwelt verantwortlich?

Ein grün bis rot leuchtender Globus zeigt ihnen, wie sich das Klima der Erde im Laufe der Jahrtausende verändert hat. Ja, es gab früher schon Klimawandel. Aber der von Menschen verursachte sei zu schnell, so Schragmann. „Früher war so ein Wandel sehr, sehr langsam, da konnte sich die Natur anpassen.“

Auf einem Schild des Museums steht die Frage: „Wer ist für die zukünftige Entwicklung unserer Umwelt verantwortlich?“ Die Antwort liegt hinter einer Klappe. Wer sie öffnet, schaut in einen Spiegel.

  • Es gibt informative Blätter zum Sammeln und Mitnehmen. Alte Schleuse 3, Mülheim, 0208 /4433-380, haus-ruhrnatur.de, 3 €, Kinder ab 6: 2 €. Das Museum hat ein Café.

>>> Das liebste Ausstellungsstück: der Baby-Krebs

Mit der Stereolupe wird der Baby-Krebs auf der Leinwand riesengroß.
Mit der Stereolupe wird der Baby-Krebs auf der Leinwand riesengroß. © Julia Tillmann

Um ihr liebstes Ausstellungsstück zu präsentieren, geht Christa Schragmann erstmal fischen. In einem Raum, an dessen Tür das Schild „Labor – Bitte eintreten!“ steht, holt sie Wasser aus einem Becken. Ein roter Punkt flitzt durch ihre Schale – eine Milbe. „Verwandt mit Zecken, harmlos für den Menschen.“ Ein Krebs, so klein wie eine Fingerkuppe, ist auch dabei. „Ein Baby“, sagt Schragmann. Sie spreizt Daumen und Zeigefinger, um zu zeigen, wie groß der Amerikanische Flusskrebs mal wird. Als die Ruhr vor über 100 Jahren zu dreckig für die heimischen Edelkrebse wurde, setzten die Menschen ihn ins Wasser, um wieder Schalentiere essen zu können. Heute würde den heimischen Arten das saubere Wasser gefallen, da der Ami-Krebs jedoch einen Krankheitskeim in sich trägt, haben sie keine Chance.

So detailreich sieht man den Baby-Krebs.
So detailreich sieht man den Baby-Krebs. © Julia Tillmann

Schragmann legt den Babykrebs unter eine Stereolupe – das eigentliche Lieblingsausstellungsstück, denn es ermöglicht neue Einblicke. Mit Hilfe einer Kamera und eines Beamers wird das Tierchen auf der Leinwand Tiger-groß. Und dann erkennt man seine Facettenaugen. „Jedes Pünktchen ist ein einzelnes Auge.“ Der Krebs hat zehn Beine, die vorderen zwei haben nadelspitze Scheren zum Kneifen. Zudem hat das Männchen zwei Penisse. Schragmann dreht das Tier auf den Rücken: „Es ist ein Mädchen.“