Essen. Nach illegalen Rennen kann die Justiz das Auto der Fahrer beschlagnahmen und verkaufen. Wir erklären, in welchen Fällen dies möglich ist.

„Wer glaubt, dass er in Innenstädten Rennen fahren darf, der sollte schon mal für ein Fahrrad sparen.“ Mit diesen markigen Worten zum Carfreitag hat Justizminister Peter Biesenbach Rasern auf den Straßen in NRW den Kampf angesagt. Aber folgen dieser Ankündigung auch Taten? Eine Bestandsaufnahme.

Allein im vergangenen Jahr gab es in NRW 20 rechtskräftige Verurteilungen wegen der Teilnahme an illegalen Straßenrennen. Wie viele dieser Fahrer mit der Verurteilung tatsächlich zum Fußgänger oder Radfahrer wurden, weil ihre Autos einkassiert wurden, kann die Justiz aber nicht sagen. Hier fehlen Zahlen, denn diese werden statistisch derzeit noch nicht erhoben, so der Sprecher des NRW-Justizministeriums.

So oft beschlagnahmte die Polizei Fahrzeuge bei illegalen Rennen - eine Auswahl

Eine Umfrage unserer Redaktion bei mehreren Polizeibehörden im Land hat jedoch ergeben, dass der neue Strafrechts-Paragraf insbesondere in den häufig betroffenen Großstädten in NRW in nicht wenigen Fällen Anwendung findet. Beispiel Dortmund: Hier versucht die Polizei insbesondere die „Wall-Raser“ zu stoppen. Im Jahr 2018 hat die Dortmunder Polizei wegen der Teilnahme an illegalen Rennen 63 Verfahren eingeleitet. 60 Führerscheine wurden einkassiert und in 44 Fällen auch das Auto vorläufig sichergestellt beziehungsweise beschlagnahmt. Für 2019 lägen noch keine Zahlen vor, so Polizeisprecher Gunnar Wortmann.

In Duisburg waren es 2018 insgesamt 17 Vorfälle (11 Fahrzeuge und 19 Führerscheine sichergestellt). In Essen registrierte die Polizei im laufenden Jahr 2019 bislang 26 Vorgänge, 28 Fahrzeuge wurden vorläufig beschlagnahmt.

Besonders intensiv hat die Kölner Polizei den Kampf gegen illegale Rennen und Raser aufgenommen. Nach mehreren Straßenrennen mit tödlichem Ausgang wurde in der Domstadt das „Projekt Rennen“ aus der Taufe gehoben und eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, die sich ausschließlich um illegale Straßenrennen und Raser kümmert. Seit August 2017 wurden im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums, der Köln und Leverkusen umfasst, 169 illegale Rennen zur Anzeige gebracht und 259 Fahrzeuge vorläufig sichergestellt oder beschlagnahmt. Aus dem Projekt soll nun auch eine feste Dienststelle werden, die die Arbeit fortführt.

Bei illegalen Rennen eingezogene Autos werden versteigert

Dem prominenten Fall, in dem das Amtsgericht Essen unlängst ein Urteil gefällt und einen Lamborghini und einen Ferrari dauerhaft eingezogen hat, dürften in naher Zukunft also weitere folgen. Die Bochumer Staatsanwaltschaft arbeitet derzeit noch an der Anklage gegen die Fahrer eines Mercedes AMG und eines Jaguar F-Type, die sich Ende März auf der Alleestraße in Bochum ein Straßenrennen geliefert haben sollen. Neben den Führerscheinen der beiden Beschuldigten hat die Polizei beide Wagen weiter in Verwahrung. Die Boliden könnten demnächst ebenfalls auf der Auktionsliste der Oberfinanzdirektion NRW zu finden sein, bei der nun erstmal die beiden Autos der verurteilten Essener Raser versteigert werden.

Denn seit Einführung des Straßenrennen-Paragrafen 315d im Oktober 2017 sind illegale Rennen nicht mehr nur ein Vergehen, das mit Bußgeld und Führerscheinentzug bestraft wird, sondern eine Straftat, die nun auch entsprechend geahndet werden kann.

Wann die Autos wieder herausgegeben werden müssen

Wer ein solches Rennen fährt, dem drohen selbst dann bis zu zwei Jahre Gefängnis, wenn niemand gefährdet wird. Erst im März 2018 hatte das Landgericht Berlin nach einem Prozess durch mehrere Instanzen zwei „Ku’damm-Raser“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Es war das bundesweit erste Urteil wegen Mordes nach einem tödlichen illegalen Rennen.

Rechtliche Handhabe für die Beschlagnahme und endgültige Enteignung (die durch ein richterliches Urteil bestätigt werden muss), ist der Paragraf 315f des Strafgesetzbuches. Danach können Fahrzeuge, die bei einem illegalen Straßenrennen als Tatmittel eingesetzt wurden, dauerhaft eingezogen werden. Dies setzt aber voraus, dass die Beschuldigten auch Eigentümer der Wagen sind.

Das war bei einem Rennen durch die Essener City im August 2018 nicht der Fall. Deshalb mussten die Behörden die seinerzeit sichergestellten PS-Boliden wieder herausgeben. Die drei jugendlichen Angeklagten kamen dennoch nicht ungeschoren davon. Sie wurden knapp ein halbes Jahr später rechtskräftig verurteilt: Ihnen wurden die Führerscheine entzogen – sie müssen die Fahrerlaubnis also neu beantragen und erneut eine Prüfung ablegen –, außerdem wurden eine viermonatige Führerscheinsperre und Geldbußen in mittlerer dreistelliger Höhe verhängt.

In diesen Fällen können die deutschen Behörden Autos sicherstellen

Einziehen können die Behörden Fahrzeuge auch bei anderen Vergehen, die nicht ins Verkehrsrecht fallen. In einem bundesweit Aufsehen erregenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft Duisburg im September 2018 mehrere Autos beschlagnahmt, die vor dem Jobcenter vorfuhren. Die Justiz witterte Sozialbetrug, weil kriminelle Clans das Erschleichen von Sozialleistungen als lohnendes Geschäftsmodell für sich entdeckt haben. Sieben Luxuskarossen wurden zur Beweissicherung beschlagnahmt, mehrere Fahrzeuge mussten aber später wieder zurückgegeben werden.

Außerdem können die Strafverfolgungsbehörden ein Fahrzeug einziehen, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass das Geld zur Finanzierung der Luxuskarosse nur aus Straftaten stammen kann, da der Verdächtige keinen Job und kein Einkommen hat. Grundlage ist die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung.

Autos beschlagnahmen: So machen es die Schweiz, Dänemark und Italien

Und wie handhaben es andere Länder? Vor allem die Schweiz kann man als Vorreiter in Sachen Beschlagnahme nennen. Mit 210 im Maserati über die Autobahn (erlaubt sind dort 120 km/h) bedeutet für den Raser nicht nur eine mögliche Gefängnisstrafe und Führerscheinentzug. Auch das Auto kassieren die Behörden dort ein und versteigern es – aber erst nach einem gültigen Strafbefehl oder Gerichtsurteil. Unter anderem sollen so die Verfahrenskosten beglichen werden. „Via sicura“ heißt das strenge Verkehrssicherheitspaket, das Raser bremsen und die Sicherheit im Schweizer Straßenverkehr verbessen sollte. Offensichtlich mit Erfolg, denn die Zahl der tödlichen Unfälle sank seitdem.

Nicht Rasern, dafür Alkoholsündern geht es in zwei weiteren europäischen Staaten an den Kragen. Dänemark versteigert seit Juli 2014 die Autos von Promillesündern. Wer mit einem Alkoholwert von mehr als zwei Promille erwischt wird, dessen Auto wird entschädigungslos konfisziert und zugunsten der Staatskasse versteigert. In Italien wird das Auto bereits ab einem Blutalkoholwert von 1,5 Promille einkassiert und versteigert.

Zurück auf die Straßen in NRW und zu Minister Biesenbach. Wer einmal richtig Gas geben will, für den hatte der NRW-Justizminister bei seinem Carfreitags-Pressetermin seinerzeit noch einen Tipp parat: eine Runde auf der Nordschleife des Nürburgrings. Die koste nur 25 Euro und nicht den Führerschein oder das Auto.