Essen/Gelsenkirchen. . Gewerkschaften und Verbände sind in Sorge. Die Zahl der Angriffe auf Feuerwehrleute und Rettungssanitäter ist in jüngster Zeit gestiegen.

Sie kommen, um zu helfen, und brauchen schließlich selber Hilfe. Angriffe auf Feuerwehr und Sanitäter haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Erst in der Nacht zu Sonntag wurden zwei Sanitäter in Gelsenkirchen bei einem Einsatz von drei Männern angegriffen und brutal geschlagen. „Die Entwicklung macht uns große Sorgen“, sagt Eckhard Schwill, Justiziar der komba Gewerkschaft nrw und dort zuständig für den Bereich Feuerwehr.

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Ausgerückt waren die beiden jungen Sanitäter in Gelsenkirchen, um eine erkrankte Frau in ihrer Wohnung zu versorgen. Als sie eine Trage aus ihrem Fahrzeug holen wollten, seien sie nach eigenen Angaben „plötzlich und unerwartet“ von den drei Männern angegriffen worden, die sie geschlagen und getreten hätten.

Anfällige Äußerung wohl der Auslöser

Grund für den Angriff, so die Polizei gestern, sollen abfällige Äußerungen über den Körperumfang der Erkrankten gewesen sein. Zeugen wollen die Worte „Fette Sau“ gehört haben, was die Polizei nicht offiziell bestätigt und die Sanitäter derzeit nicht kommentieren. Selbst wenn es so war, sagt aber ein Sprecher der Stadt, „würde es aus unserer Sicht keinesfalls rechtfertigen, die Helfer niederzuschlagen.“

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Mittlerweile ist der Gelsenkirchener Fall auch bis ins Innenministerium vorgedrungen. Dort möchte man nichts verharmlosen, stellt aber auch klar: „In der Form ist das eine absolute Ausnahme.“ Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz und Johanniter sekundieren: Bislang habe es so einen Übergriff noch nie gegeben. Grundsätzlich aber sind Attacken gegen Feuerwehrleute und Sanitäter keine Einzelfälle mehr. „Es gibt Stadtteile“, sagt der komba-Justiziar, „da werden sie ständig beschimpft, bespuckt und angepöbelt.“ Genaue Zahlen liegen bisher nicht vor, auch weil vieles gar nicht gemeldet oder gar zur Anzeige gebracht wird. „Ansonsten kämen wir gar nicht mehr zu unserer eigentlichen Arbeit“, heißt es auf vielen Wachen.

Mehr als die Hälfte der Retter ist schon einmal angegriffen worden

Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum haben 98 Prozent der Rettungskräfte in Nordrhen-Westfalen schon einmal Beleidigungen und Drohgebärden im Einsatz erlebt. Schlimmer noch: Mehr als die Hälfte ist nach eigenen Angaben schon einmal im Dienst angegriffen worden. Oft standen die Angreifer unter Alkohol-Einfluss, meist waren die Attacken völlig unmotiviert. „Für uns ist das alles nicht nachvollziehbar“, sagt Schwill. „Wie kann man Menschen attackieren, die andere retten wollen?“

Bis es auf diese Frage eine Antwort gibt, wird vorgebeugt. Deeskalationstraining gehört für viele Retter längst zur Ausbildung, Selbstverteidigungskurse kommen immer öfter hinzu. Schwill möchte zudem noch mehr die „Besonderheiten fremder Kulturen“ vermitteln. In denen es selbst bei Notfällen gerne gesehen wird, wenn die Helfer an der Tür die Schuhe ausziehen. Oder Frauen nicht von Männern behandelt werden dürfen. „Wenn es um Sekunden geht“, weiß Schwill aber auch, „kann man sich um solche Dinge nicht immer kümmern.“ Aber, sagt er auch, Helfer würden nicht nur von Menschen mit Migrationshintergrund angegangen. „Das geht querbeet durch alle Nationen.“

Stichschutzwesten suggerieren "falsche Sicherheit"

Von Stichschutzwesten, wie sie erste Retter bereits tragen, hält er nicht viel. Sie würden nur eine „falsche Sicherheit suggerieren.“ Wichtiger findet der Gewerkschafter, den Kontakt zur Polizei enger zu gestalten. „In Problemzonen muss sie gleich mit herausfahren.“

Je nach Unglücksort, hat Schwill erfahren, ahne man bereits, dass es Ärger geben könnte. „Da haben die Kollegen eigentlich gar keine Lust mehr, auszurücken.“ Doch das ist natürlich egal. „Wenn die Feuerwehr gerufen wird“, sagt der Justiziar, „dann kommt sie selbstverständlich auch. Aber das mulmige Gefühl bei manchen Einsätzen wächst.“