Bochum. . Beim Anblick des Zafira jubelten die Mitarbeiter – in bitterem Spott. Dann verließen sie das Bochumer Werk. Nun wird nur noch aufgeräumt und abgebaut.
4.30 Uhr, es ist bitter kalt am Opelring 1. Alle sind sie da, die Fernsehteams mit ihren Kameras, die Kollegen vom Radio mit ihren Mikros. Sie warten darauf, dass die Bochumer Nachtschicht aus dem Werk kommt. Die Öffentlichkeit will Anteil nehmen, will wissen, wie es den Arbeitern geht nach ihrer letzten Schicht. Doch der einst so stolze Opel-Schriftzug am Bochumer Werk blickt auf einen leeren Parkplatz hinunter. Die Nachtschicht ist längst heim.
Denn der letzte Zafira rollte schon um halb eins vom Band. Er war anthrazit, erzählt der eine Nachzügler, der doch noch durchs Werkstor kommt und sich allein der Medienmeute stellt. Die Mitarbeiter hätten gejubelt. „Es war aber mehr ein Spottjubel“, erklärt der 22-Jährige. Viele Kollegen hätten Fotos gemacht. Danach konnten sie nach Hause gehen, viel früher als üblich. Nach 52 Jahren Opel in Bochum steht die Produktion nun endgültig still.
Um 5.15 Uhr kommt noch ein Mitarbeiter aus dem Gebäude. Hans Skopek hat den Zafira noch bis zum Schluss begleitet. „Ich bin sehr traurig, dass unser Werk schließt. Wir müssen für Rüsselsheim und andere Standorte bluten. Wir wurden kaputt gespart“, sagt der 55-Jährige. Er geht, wie 2700 weitere Mitarbeiter, ab dem 8. Januar in die Transfergesellschaft.
Das dicke Fell der letzten zehn Jahre
Der Energieanlagenelektroniker hat 40 Jahre lang für den Konzern gearbeitet. „Zu Beginn lief alles sehr gut, aber in den letzten zehn Jahren haben wir gelernt, uns ein dickes Fell zuzulegen. Wir konnten uns lange genug darauf einstellen, dass es heute zu Ende geht“, sagt Skopek. Er ist verheiratet und hat einen Sohn, denkt über eine Umschulung nach. Sollte er keinen Job finden, käme für ihn die Altersbrücke in Frage. Mit 55.
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Um halb sechs trudelt dann die Frühschicht ein. Einige sind wütend, andere ernüchtert und enttäuscht. „Es ist das Ende einer Ära.“ Diesen Satz sagen die Mitarbeiter immer wieder. „Es ist nicht einfach, das Gebäude zu betreten. Aber ich denke, die Belegschaft hat bis zuletzt gekämpft und wir können erhobenen Hauptes nach Hause gehen“, sagt Stefan Reichelt. Der 39-Jährige arbeitet in der Wagenendmontage. Er habe noch mit einigen Kollegen Telefonnummern ausgetauscht und Fotos gemacht.
Die Jubilare werden noch geehrt
Bei allem Frust – sie hängen noch an ihrem Opel. Etwa 1000 von ihnen werden am Samstagabend wieder ins Werk fahren, im Presswerk werden noch einmal Jubilare geehrt. Auch die letzte Betriebsversammlung soll am Montagmorgen hier stattfinden, die Werksleitung will ein paar Worte sagen. Wie wohl die meisten geht Betriebsratschef Rainer Einenkel nicht im Reinen. Er könne verstehen, wenn die Bochumer künftig keinen Zafira mehr kauften, der dann anderswo gebaut wird, sagte er im WDR.
Dem Bochumer Werkssprecher Alexander Bazio fällt es schwer, Worte zu finden, im Gegensatz zur Opel-Führung in Rüsselsheim findet er aber welche. „Meine Hochachtung und mein allergrößter Respekt gilt den Bochumer Mitarbeitern, die auch das letzte Fahrzeug wie alle anderen in den vergangenen 52 Jahren professionell und mit Haltung fertiggestellt haben. Dafür bedanken wir uns.“
Die meisten werden schon vor Weihnachten freigestellt
Bis Weihnachten müssten die Bochumer eigentlich noch arbeiten, doch wenn Spinde und Werkzeugschränke aufgeräumt sind, wird Opel sie freistellen. Rund 150 bleiben noch bis nächsten Sommer, sie bauen das Werk zurück.
Antonio Gonzalez wird seine Kollegen vermissen: „Wir haben uns jeden Tag gesehen, es ist ja schon wie bei einer kleinen Familie.“ Der 48-Jährige ist verheiratet und hat sechs Kinder. Der Kolonnenführer Logistik hat mit dem Kapitel Opel aber abgeschlossen: „Wir hatten lange genug Zeit, uns auf den Tag einzustellen.“ Als Gonzalez seinen Vertrag vor 26 Jahren unterschrieb, dachte er noch, jetzt müsse er sich nie wieder Gedanken um einen neuen Job machen. „Und jetzt überlege ich, ob ich mich zum Lagerfachkraftsausbilder umschulen lasse. Da bekäme ich aber etwa 500 Euro weniger im Monat.“ Es sei eine schwere Zeit, aber: „Das Leben ist nicht nur Opel.“
Ganze Existenzen sind zerstört
Andere teilen seinen Optimismus nicht. „Meine Existenz ist zerstört“, sagt Mike Szczeblewsk. Bereits sein Vater arbeitete für Opel. „Wir hätten nie gedacht, dass es soweit kommt.“ Szczeblewsk ist sich nicht sicher, ob seine internen Fortbildungen ihm wirklich helfen. Er geht mit den anderen ins Werk. Autos bauen werden sie nicht mehr, nur noch aufräumen. Der Parkplatz am Opelring 1 ist jetzt wieder voll. Dieses eine Mal noch.