Düsseldorf. In vielen deutschen Städten gehen in diesen Tagen Kurden auf die Straßen: Sie schreiben Plakate, sie halten Mahnwachen, sie demonstrieren. Doch was wollen sie eigentlich erreichen? Wir haben bei den Organisatoren der Düsseldorfer Kurden-Demo nachgefragt.
Mittwochabend in Dortmund, Donnerstag in Bochum und am Samstag in der Düsseldorfer Altstadt: Überall gehen derzeit Kurden auf die Straße. Sie demonstrieren gegen den Terror, den islamistische IS-Milizen in Syrien und im Irak verbreiten. Welches Ziel verfolgen sie? Was wollen sie erreichen?
"Es geht um Aufmerksamkeit", sagt Ayten Kaplan. Sie ist Mitglied des Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland NAV-DEM und Mitorganisatorin der Demonstration, zu der am Samstag bis zu 12.000 Menschen in der Düsseldorfer Altstadt erwartet werden. "Wir warnen seit Monaten vor dem IS. Doch alle schauen weg", klagt Kaplan. Jetzt müsse der Westen erkennen, dass abwarten nicht länger funktioniere.
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Im Norden Syriens versuchen Kurden verzweifelt, die Stadt Kobane vor IS-Angreifern zu verteidigen. Die USA und einige Verbündete unterstützen sie mit Luftangriffen, doch Rufe nach weitergehender militärischer und humanitärer Hilfe verhallten bislang ohne Resonanz.
"Wer trägt die Verantwortung für den Genozid von Kobane?"
"Die Frage lautet: Wer will die Verantwortung für den Genozid in Kobane tragen?", sagt Kaplan. Dort würden Menschen abgeschlachtet, Frauen versklavt. Die Bundesregierung müsse endlich ihre diplomatische und wirtschaftliche Macht nutzen, um auf die türkische Regierung einzuwirken, damit diese aufhöre, den IS zu unterstützen.
Die Kurden, die Kobane vor den IS-Kämpfern verteidigen, bräuchten dringend Hilfe. "Die Volksverteidigungskräfte können nicht einmal ihre Verwundeten abtransportieren, weil die Türkei die Grenzen nicht öffnet", klagt Kaplan. Amerikanische Luftangriffe reichten nicht aus.
Waffen und logistische Unterstützung ja, aber kein militärisches Eingreifen der Türkei: Das lehnen die Kurden strikt ab. "Weil die Türkei ihre eigenen Interessen vertritt und mit dem IS gemeinsame Sache machen würde", erklärt Kaplan.
Kurden fühlen sich in Deutschland kriminalisiert und diskriminiert
Die deutsche Regierung sieht sie dabei in einem Dilemma: Kurden seien hierzulande jahrzehntelang kriminalisiert und diskriminiert worden. Die kurdische Arbeiterpartei PKK sei bis heute verboten. Und jetzt seien ausgerechnet die Kurden die einzige Hoffnung, ein weiteres Ausbreiten des IS zu verhindern.
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"Wir haben die Erwartung, dass deutsche Politiker erklären: Was passiert jetzt? Wie geht es weiter?", sagt Kaplan. Dafür gingen die Kurden auf die Straße, und dafür würden sie auch jetzt noch das Gespräch mit Politikern suchen.
Gewalttätige Demonstrationen lehnt sie ab
Gewalttätige Demonstrationen lehnt sie ab. Allerdings sei die Gewalt bei den jüngsten Auseinandersetzungen in Hamburg und Celle auch nicht von den Kurden ausgegangen. "Die wurden von Salafisten angegriffen und haben sich verteidigt."
Schwieriger seien Aktionen wie jene in Dortmund zu beurteilen, wo Aktivisten sich am Bahnhof auf die Gleise setzten und so den Zugverkehr lahmlegten. "Ob solche Aktionen gut sind, muss letztlich jeder selbst entscheiden. "Sie setze auf die Toleranz der Bevölkerung, "solange niemand verletzt wird." Immerhin gehe es darum, auf einen Genozid aufmerksam zu machen. Der Verband befürworte solche Aktionen nicht.
Viele Deutsche, so Kaplans Eindruck, hätten Verständnis für die Anliegen der Kurden. "Die Öffentlichkeit hat verstanden, dass ihre Werte in Gefahr sind, wenn der IS sich weiter ausbreitet", sagt Kaplan. Ihr Verein habe viele positive Zuschriften und auch viel konkrete Hilfe erhalten.
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