Essen. Um die Terrormiliz des Islamischen Staats (IS) aufzuhalten, setzen Europa und die USA vor allem auf ein Volk. Das aber ist eine komplizierte Strategie. Denn “die Kurden“ sind keine Einheit. Manche sind politisch gemäßigt, andere radikal, und viele Kurden haben schlimme Erfahrungen mit Unterdrückern gemacht.
„Die“ Kurden heißt es, wenn vom Kampf gegen die Terrormiliz vom „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und Irak die Rede ist. „Die Kurden“, die bewaffnet werden müssen und trainiert an modernen Waffen. „Die“ Kurden aber gibt es nicht als Einheit.
Was allgemein als „Kurdistan“ bezeichnet wird, wo kurdisch (gehört zu den indogermanischen Sprachen) gesprochen wird, ist eine Region, die sich über Gebiete in der Türkei, im Irak, in Syrien und auch im Iran erstreckt. Wie viele Menschen dort leben, ist nicht genau bekannt. Schätzungen zufolge sind es etwa 30 bis 40 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Die Sieger des Ersten Weltkrieges hatten im Vertrag von Sevres einen kurdischen Staat versprochen. Doch dazu kam es nie. Im Gegenteil. Die Kurden wurden in allen Ländern unterdrückt. Auch im Iran werden sie nicht als eigenständige Minderheit anerkannt. Es kam immer wieder zu Aufständen.
Jetzt bietet der zerfallende Irak vor allem den Kurden im Irak eine historische Chance auf Selbstbestimmung.
Die irakischen Kurden
Aus dem Irak stammen die Peschmerga, von denen einige zurzeit in Deutschland an deutschen Waffen ausgebildet werden. Ihnen will die Bundesregierung mit Rüstung unter die Arme greifen im Kampf gegen den IS. Die irakischen Kurden, die lange Jahre unter einem Streit der verfeindeten Clans von Talabani und Barzani litten, haben die Gunst des zerfallenden irakischen Staates genutzt. Seit die Flugverbotszone 1991 im Nordirak eingerichtet wurde, ist die Region faktisch autonom und wurde ausgebaut. Drei Jahre zuvor – im ersten Golfkrieg – hatte Saddam Husseins Armee bei einem Giftgasangriff auf die von Kurden bewohnte Stadt Halabdscha mehr als 3200 Menschen getötet.
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Im Juni 2014 erklärte der irakisch-kurdische Präsident Massud Barzani die ölreiche Region rund um Kirkuk zum Teil von Irakisch-Kurdistan. Die Region ist reich, die Kurden im Irak haben es zu Wohlstand gebracht. Die USA sehen sie als verlässliche Partner, seit sie sich im Golfkrieg 2003 an der Seite der Amerikaner an der Eroberung nordirakischer Städte beteiligt haben. Sie sollen nun die Speerspitze sein im Kampf gegen IS. An der türkisch-syrischen Grenze sind aber vor allem syrische Kurden aktiv.
Die syrischen Kurden
Vor Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien im März 2011 machten die Kurden rund zehn Prozent der mehr als 22 Millionen Einwohner des Landes aus. Sie leben vor allem im Norden des Landes. Dort kontrollieren kurdische Einheiten an der türkischen Grenze drei Enklaven: im Nordwesten um die Stadt Afrin, im Norden um Kobane sowie im Nordosten um die Städte Hasaka und Al-Kamischli. Sie übernahmen dort die Kontrolle, nachdem sich die Truppen des syrischen Regimes im Juli 2012 zurückgezogen hatten. Ende 2013 gründeten die Kurden drei „autonome Kantone“.
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Der Terrormiliz Islamischer Staat stellen sich vor allem die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) entgegen. Sie sind mit der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) verbunden. Volksschutzeinheiten und PYD stehen der kurdischen Arbeiterpartei PKK sehr nahe, die in der Türkei verboten und in Europa als Terrororganisation eingestuft ist. Experten gehen davon aus, dass PKK-Kämpfer die syrischen Kurden unterstützen und mit ihnen kämpfen.
Die Kurden haben zwar mit anderen Rebellengruppen in Syrien ein gemeinsames Operationszentrum gegründet. Doch beide Seiten beäugen sich argwöhnisch. Den Kurden wird vorgeworfen, sie wollten ihre Gebiete abspalten und hätten mit dem Regime in Damaskus kooperiert. Seit September gibt es ein Abkommen, das gemeinsame Operationen gegen IS und auch gegen die Stellungen des syrischen Machthaber Assad beinhaltet.
Eine weitere Vertretung der syrischen Kurden ist der Kurdische Nationalrat. Er erkennt die autonomen Kantone nicht an, ist mit der PYD aber in einem Hohen Kurdischen Komitee zusammengeschlossen. Es kam durch Vermittlung der irakischen Kurden zustande.
Die türkischen Kurden
Die Rolle der türkischen Kurden ist vor allem für die Regierung in Ankara sehr problematisch. Im türkischen Unabhängigkeitskrieg kämpften Kurden und Türken noch Seite an Seite. Doch der Staatsgründer Kemal Atatürk erkannte die Kurden bei Ausrufung der türkischen Republik nicht als Minderheit an. Es kam zu zahlreichen Aufständen. Die kurdische Arbeiterpartei PKK kämpfte mit aller Gewalt für Autonomie. Nach Schätzungen kamen dabei 35.000 Menschen ums Leben.
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Der Anführer der PKK, Abdullah Öcalan, sitzt in Haft. Die PKK ist in Europa und den USA als Terrororganisation eingestuft. Ob sie im Kampf gegen den IS so sehr gebraucht wird, dass sich das ändert, wird zum Leidwesen der türkischen Regierung im Westen ernsthaft diskutiert.