An Rhein und Ruhr. . Sekundenschlaf am Steuer wird oft unterschätzt. Laut einer europaweiten Online-Umfrage haben 42 Prozent der Autofahrer das schon einmal erlebt. Ein Betroffener berichtet von Übermüdung, Stress und Angst.
Der Himmel ist schon lange dunkel. Bis auf die paar Sterne, die vereinzelt durch die Wolkendecke hindurch zu sehen sind, hat Peter S.* nur die Fahrbahn im Blick. Rücklichter, Scheinwerfer, Blinker und ab und zu ein Bremslicht.
Es ist Nacht und Peter ist schon seit Stunden unterwegs. Er merkt, wie er allmählich müde wird. Die lange Fahrt im Auto, das eintönige Bild der Autobahn und der Terminstress am Tag lassen seine Augenlider nun schwer werden.
„Und dann wurde es schwarz!“ beschreibt S. den Moment, als ihm die Augen während der Fahrt zufallen. Nur Sekunden später schreckt er auf. Gerade noch bekommt er das Lenkrad wieder unter Kontrolle, kann einen Zusammenprall mit der Mittelleitplanke verhindern. „Dieser Schock steckte mir noch einige Tage lang in den Knochen“, sagt der selbstständige Unternehmer und wirkt dabei nachdenklich.
„Betroffene bemerken oftmals gar nicht, dass sie eingeschlafen sind“
Warum er keine Pause eingelegt hat? „Man spürt die Müdigkeit zwar während der Fahrt, aber denkt trotzdem: ‘Das schaffe ich noch’“. Seit zwanzig Jahren fährt der heute 64-Jährige quer durch Europa. Die Zeit ist oft knapp, Terminstress ist an der Tagesordnung. Daher bleibt ihm meist nur wenig Zeit zu schlafen.
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Peter S. ist da kein Einzelfall. Bei jedem fünften Unfall auf deutschen Straßen wird, laut Bundesamt für Straßenwesen, Müdigkeit als Ursache in Betracht gezogen. In offiziellen Statistiken findet sich diese Unfallursache selten wieder.
„Die Wenigsten geben nach einem Unfall zu, eingeschlafen zu sein. Oft aus Angst davor, ihren Versicherungsschutz zu verlieren“, sagt Sven Rademacher, Pressesprecher des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR). Dr. Stefanie Werther, Schlafmedizinerin an der Ruhrlandklinik in Essen, sieht noch einen anderen Grund: „Betroffene bemerken oftmals gar nicht, dass sie gerade für einige Sekunden eingeschlafen sind“.
Die Hauptgründe für den Sekundenschlaf liegen für Werther auf der Hand: „Stress im Beruf, Zeitdruck, unsere schnelllebige Gesellschaft und der Mangel an Nachtschlaf“. Aber auch unerkannte Erkrankungen könnten Ursachen für Sekundenschlaf sein. Dazu zähle zum Beispiel die sogenannte Schlafapnoe. Das sind Atemaussetzer im Schlaf. Bis zu 30 davon können pro Stunde Schlaf auftreten.
Peter S. leidet nicht unter nächtlichen Atemaussetzern. Seine Frau habe ihm jedenfalls nichts Gegenteiliges berichtet, sagt er. „Bei mir liegt es am berufsbedingten Stress“, glaubt der Vielfahrer die Ursache für seinen – mehrfach im Jahr auftretenden – Sekundenschlaf ausgemacht zu haben.
Gefragt nach den Gefühlen die er hat, wenn er für eine längere Fahrtstrecke in sein Auto steigt, sagt er: „Ich habe mittlerweile Angst davor einzuschlafen.“ Bis jetzt hätte er zum Glück noch keinen Unfall gehabt. Die Gefahr sei ihm bewusst, seine Situation ändern könne er aber nicht.
Eine Lösung: Technische Unterstützung für den Fahrer
Dabei gibt es diverse Ansätze, um gegen die Müdigkeit am Steuer anzukämpfen. So fordern Schlafforscher unter anderem, dass schon bei der Führerscheinprüfung Fragen zum Schlafverhalten gestellt werden. Auch technische Systeme, die in Autos integriert werden, können helfen.
Der sogenannte „Eye-Tracker“ überwacht mit Hilfe von zwei im Cockpit installierten Kameras die Pupille des Fahrers. Sollten dem die Augen zufallen, ertönt ein akustisches Signal, das ihn wieder aufweckt. Ein weiterer Lösungsansatz sind Assistenzsysteme, die mit Hilfe von Sensoren am Lenkrad die Lenkbewegungen erfassen. Das seien zwar gute Ansätze, meint Schlafmedizinerin Werther. „Das beste Rezept gegen die Müdigkeit am Steuer ist aber sicherlich ausreichend Schlaf“. (*Name geändert)