Amman. . Für Millionen Muslime ist nach vier Wochen das Fasten vorbei. Zum Ende des Ramadan sprachen wir mit der Jordanierin Yasmin Al-Aaraj über den religiösen Hintergrund, ihre persönlichen Erfahrungen und ihre Kindheit, die sie in Düsseldorf verbrachte.

Yasmin Al-Aaraj nennt sich selbst eine moderne Muslima. 34 Jahre ist sie nun alt, verheiratet, zwei Jungs, sie lebt in Amman, der jordanischen Hauptstadt, und sie arbeitet für die Hilfsorganisation „Care“ als Verwaltungschefin. Sie hat wie Millionen andere Muslime in den vergangen vier Wochen die Vorschriften des Fastenmonats Ramadan befolgt. Sie hat gute Gründe dafür. Und sie kann sie prima auf Deutsch erklären. Denn Yasmin hat die ersten elf Jahre ihres Lebens in Düsseldorf gelebt. Die NRZ hat mit ihr in Amman über Ramadan und Alltag gesprochen.

Der Ramadan geht zu Ende, wie ist es Dir ergangen?

Yasmin Al-Aaraj: Ramadan war sehr schnell um. Die letzten 2, 3 Tage im Ramadan sind sehr schön, wir bereiten Gebäck für Eid (das Fest am Ende des Fastenmonats), die ganze Familie hilft dabei. ... Für mich ist das Fasten auch wichtig. Eine Säule des Islam. Ich bekomme es schon mit, dass nicht alle Leute in meiner Umgebung mitmachen. Das macht mich traurig, ich sag aber nichts, es geht mich nichts an.

Du trägst in der Öffentlichkeit stets ein Kopftuch. Ärgerst du dich auch über Frauen, die keins tragen?

Yasmin Al-Aaraj: Meine beste Freundin Lara trägt keins. Das ist zwischen uns aber gar kein Thema. Jeder macht es so wie er es will, weil der Islam eine Religion ist, die dir die Freiheit gibt, allein zu entscheiden. Man kann niemanden zwingen.

Gummibärchen mit Pflanzenfett

Welche Einschränkungen hast du sonst durch die Religion?

Yasmin Al-Aaraj: Für mich sind das keine Einschränkungen. Es sind Gebote, die ich befolge. Jeder Mensch befolgt doch bestimmte Regeln. Ich trinke keinen Alkohol, nicht mal eine gefüllte Praline esse ich. Und ich esse kein Schweinefleisch. Auch nicht als Zusatz. Zum Glück gibt es Haribo in Jordanien mit Pflanzenfett, nicht wie in Deutschland mit Schweinefett.

Thema Deutschland. Welche Erinnerungen hast du noch?

Yasmin Al-Aaraj: Super Erinnerungen an die Schulzeit in den 80er Jahren. Ich war immer gerne am Rhein, auf dem Buga-Gelände, auf der Kö. Mein Vater, der viele Jahre bei einer Versicherung dort arbeitete, hat aus Deutschland mehrere Videos mit Peter-Alexander-und Bud-Spencer-Filmen mitgenommen. Wir lieben die Filme. Wir lieben Deutschland. Weil wir dort eine gute Zeit hatten. Ich hab wirklich keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht.

Verfolgst du die Situation heute in Deutschland?

Yasmin Al-Aaraj: Klar wir haben über Satellit ARD und ZDF. Mit meinem Mann schaue ich mir auch die Bundesliga an. Mein Mann ist allerdings Bayern-Fan. Die ganze Familie schaut die Bayern-Spiele. Und Nachrichten sehen wir. Wobei ich sagen muss, dass die Berichte über unsere Welt hier oft so kurz sind, dass die Zuschauer nicht wirklich begreifen können, wie wir hier leben.

Vielehe, Emanzipation, Familienplanung

Du bist verheiratet. Könntest du dir vorstellen, dass dein Mann – wie es der Islam erlaubt – noch weitere Frauen heiratet?

Yasmin Al-Aaraj: Der Islam erlaubt das nur, wenn es berechtigte Gründe gibt. Also wenn die Frauen etwa keine Kinder bekommen kann. Bei meinem Mann und mir war das aber von vorneherein klar, dass wir es nicht so machen.

Akzeptiert dein Mann ohne Einschränkungen, dass du arbeitest?

Yasmin Al-Aaraj: Mein Mann Belal liebt es sogar, über meinen Beruf und meine Erfolge zu reden. Er ist stolz auf mich. Er ist sowieso das Beste, was mir je passiert ist.

Wie funktioniert in einer muslimischen Ehe die Familienplanung?

Yasmin Al-Aaraj: Als wir verlobt waren, haben wir darüber geredet. Er wollte Kinder und ich auch. Karim ist jetzt drei Jahre alt, Jad gerade eins. Jad war allerdings so früh nicht geplant. Jetzt wollen wir erst mal warten, bis er fünf ist, dann überlegen wir, ob wir ein drittes Kind wollen.

So eine Planung funktioniert nur mit Verhütungsmitteln…

Yasmin Al-Aaraj: Das läuft alles so ähnlich wie in Europa. Viele meiner Freundinnen nehmen wie ich die Anti-Baby-Pille. Es ist ja auch eine Frage des Geldes. Kinder sind teuer. Ich verstehe auch nicht ganz, warum gerade Familien ohne Geld viele Kinder haben. Wenn ich richtig reich wäre, dann hätte ich viele Kinder…. Und viele Kindermädchen.

Wie verbringt ihr eure Freizeit?

Yasmin Al-Aaraj: Durch die Kinder ist das weniger geworden. Zum Glück springt meine Mutter sehr oft ein. Wir gehen gerne einfach abends ins Café und treffen Freunde. Früher bin ich auch häufiger ins Fitnesscenter gegangen, um zu trainieren.

Muslimisch und modern leben

Mit Kopftuch?

Yasmin Al-Aaraj: Aber nein. Da sind doch nur Frauen, wir tragen ganz normale Sportsachen. Im Sommer jetzt werden wir einen kurzen Urlaub mit der Familie in Aqaba am Roten Meer machen. Die Kinder lieben das Wasser.

Gehst du auch schwimmen?

Yasmin Al-Aaraj: Sicherlich nicht im Bikini. Aber es gibt jetzt so eine Bademode aus der Türkei. Eine Hose mit Bluse und Kappe. Sehr stylish.

Du bezeichnest Dich als moderne Muslima. Was verstehst Du darunter?

Yasmin Al-Aaraj: Ich bin eine gläubige Muslima. Aber ich will auch Karriere machen im Beruf. Und auf eine Familie möchte ich auch nicht verzichten. Das ist nicht einfach, das kennen viele Frauen überall auf der Welt, aber ich versuche es eben. Und ich bin mir sicher, dass wir es schaffen können, muslimisch und modern leben zu können.

Hat der Westen einen falschen Blick auf die muslimische Welt.

Yasmin Al-Aaraj: Das weiß ich nicht genau. Ich weiß aber, dass es nicht fair ist, den Islam nach den Taten einiger Terroristen zu beurteilen. Ebenso wie es nicht fair wäre, das gesamte Christentum wegen des Missbrauch von Kindern durch einige Priester zu verdammen. Ich möchte wie die meisten Menschen auf der Welt in Harmonie zusammenleben.

Ende des Ramadan. Wie wirst du mit deiner Familie feiern?

Yasmin Al-Aaraj: Eid beginnt mit einem Gebet ganz früh am Morgen des ersten Tages. Viele kaufen neue Kleidung, besonders für die Kinder. Im Eid trifft sich die ganze Familie. Es ist schön, weil die Kinder lernen, wie wichtig Familie ist. Außerdem kriegen sie Geschenke. Eid ist aber auch schön, weil wir wieder den Tag über essen und trinken. Ich vermisse meinen Morgenkaffee...