Rio de Janeiro. . Der Heilige Vater hat sich bewusst die Favela im armen Norden Rios ausgewählt, um seinen Blick – und damit den der Weltöffentlichkeit – auf die „Ausgeschlossenen“ zu richten. Jugendliche aus Kamp-Lintfort sind von den Eindrücken des Weltjugendtags tief bewegt.

Fähnchen, Transparente, eine frisch gestrichene Kirchenmauer – natürlich haben sie ihr Viertel fein gemacht für den Besuch des Papstes. Doch über die Armut in Varginha kann das nicht hinwegtäuschen. Soll es auch gar nicht.

Schließlich hat sich Papst Franziskus ganz bewusst diese Favela im armen Norden Rios ausgewählt, um seinen Blick – und damit den der Weltöffentlichkeit – auf die „Ausgeschlossenen“ zu richten, wie er sagt: auf die Einwohner Rios, die nicht am schicken Leben in Copacabana und Ipanema teilnehmen, und auf die unzähligen Brasilianer, an denen der rasante Wirtschaftsaufschwung des Landes vorbei geht.

Trotzdem ist die Begeisterung grenzenlos, als Franziskus die 300 Meter von der Kirche zum Sportplatz geht. Überall küsst er Babys, segnet Kinder und alte Leute, lässt sich fotografieren und kehrt für einen Blitz-Besuch bei einem Ehepaar ein.

Wenig später ergreift er auf der Bühne am Sportplatz das Wort: Vor allem die einfachsten Leute in Brasilien könnten „der Welt eine wertvolle Lektion der Solidarität erteilen“, ruft er unter dem Jubel der Zuhörer.

„Niemand kann gefühllos bleiben“

Er fordert einen aktiven Einsatz für eine bessere Welt – nicht nur in Varginha: „Niemand kann gegenüber den Ungleichheiten, die weiterhin in der Welt bestehen, gefühllos bleiben!“ Jeder sollte nach seinen Möglichkeiten dazu beitragen, „den vielen Ungerechtigkeiten ein Ende zu setzen“.

Und mit Blick auf die Lage der Favelas betont er, keine „Befriedung“ werde von Dauer sein, wenn eine Gesellschaft „einen Teil von sich ignoriert, ausgrenzt und am Rand sich selbst überlässt“. Die Kirche biete ihre Hilfe im Kampf gegen untragbare soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten an.

Dann wendet sich der Papst an die Jugend, deren Wut sich in Brasilien am Rande des Confederation-Cups im Juni in Massen-Demonstrationen entladen hatte. Angesichts von Korruption und Enttäuschung über Menschen, die anstatt des Gemeinwohls nur eigene Interessen verfolgten, solle die Jugend nicht ihre Zuversicht verlieren, sagt der Papst.

Sie solle sich nicht an das Böse gewöhnen, sondern versuchen es zu besiegen. „Lasst nicht zu, dass die Hoffnung erlischt!“

Solche starken, politischen Worte auf seiner ersten Auslandsreise hatten sich nicht nur die Brasilianer von Papst Franziskus gewünscht, sondern auch viele deutsche Teilnehmer des Weltjugendtags in Rio. Gerade beim Weltjugendtag 2011 in Madrid war die Kirche dafür kritisiert worden, sich nicht deutlicher zur Krise in Spanien und zu den massiven Protesten der Jugend gegen Arbeitslosigkeit zu äußern.

Mehr als nur beten

Nur zu beten ist zumindest vielen deutschen Teilnehmern des Kirchenfests zu wenig. Das wurde auch beim „Youth Hearing“ in Rio deutlich, einer vom Bund der katholischen Jugend und den Hilfswerken Adveniat und Misereor organisierten Diskussionsrunde.

Mehr Geld für Bildung anstatt für Waffen, menschenwürdige Arbeitsplätze und ein stärkeres Engagement der Staaten für den Umweltschutz lauten einige der Forderungen, die die rund 300 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern gesammelt haben. Eine Zusammenfassung wollen sie Papst Franziskus, aber auch Politiken aus ihren Heimatländern übergeben.

„Wir wollen uns nicht nur Predigten anhören, sondern auch etwas tun, unser Christsein leben“, sagt Matthias (18) aus Kamp-Lintfort. Mit einem Besuch in einem Kinderheim und einem Ausbildungszentrum für Jugendliche hat die 14-köpfige Gruppe vom Niederrhein am Mittwoch versucht, auf dem Weltjugendtag die Brücke zwischen Glaubens-Theorie und -Praxis zu schlagen.

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„Der Papst hat gesagt, wir sollen zu den Rändern der Welt, zu den Ausgeschlossenen gehen, das haben wir gemacht“, sagt Pastor Thomas Schulz mit Blick auf den Besuch in Nova Iguazu, einer bitterarmen Vorstadt Rios.

Am Vormittag hatte der deutsche Jugendbischof Karl-Heinz Wiesemann die jungen Katholiken noch dazu aufgefordert sich für Gerechtigkeit und Menschenwürde einzusetzen. „Und am Nachmittag waren wir dann bei Leuten, denen es genau daran fehlt“, sagt Andre (17), den der Besuch sichtlich beeindruckt hat.

Mit der Unterstützung deutscher Spenden geben kirchliche Organisationen in Nova Iguazu Kindern und Jugendlichen eine Perspektive jenseits der von Armut, Drogen und Gewalt geprägten Atmosphäre in vielen Armenvierteln rund um Rio. „Das sind Bilder, die man nicht vergisst“, sagt Pastor Schulz, der sich von der Fahrt nach Rio für seine Jugendlichen „einen geerdeten Glauben“ erhofft – ganz so, wie er in Lateinamerika gelebt werde.

Die große Feieran der Copacabana

Vielleicht gibt es dazu ja auch noch die ein oder andere Anregung von Papst Franziskus. Die große Feier mit ihm an der Copacabana wollten sich die Jugendlichen vom Niederrhein gestern Abend jedenfalls nicht entgehen lassen – auch wenn die Stimmung an Rios Traumstrand angesichts des windigen Regenwetters im Moment eher an die Nordsee erinnert.