Rio de Janeiro. . Jugendliche aus der ganze Welt haben sich aufgemacht nach Brasilien, um gemeinsam mit dem Heiligen Vater zu beten und zu feiern. Auch junge Menschen aus dem Bistum Essen sind dabei. Sie wohnen und arbeiten in den Favelas, den Armenvierteln der Stadt. Und freuen sich auf die Gottesdienste am Strand.

Strandverkäufer Washington stützt sich mit seinen muskelbepackten Armen auf die Kühlkisten des kleinen Verkaufsstands. Durch die Sonnenbrille schaut er auf die weite Bucht der Copacabana: Der Papstbesuch? Washington wiegt den Kopf. „Entweder wird das ein Riesen-Geschäft – oder eine Riesen-Pleite.”

Im Moment prägen noch coole Typen wie er das Bild an Rios legendärem Traumstrand, dazu Frauen in ultraknappen Bikinis, Familien mit kleinen Kindern und Fußball spielende Jugendliche. Washington verkauft den Badenden Kokosnüsse, Wasser, Cola oder Bier... – doch ob er damit auch die Hunderttausenden jungen Leuten bewirten darf, die in dieser Woche zum katholischen Weltjugendtag an die Copacabana strömen, ist noch offen. „Morgen will uns jemand sagen, ob wir beim Papstbesuch verkaufen können oder hier weg müssen”, sagt Washington.

Die Copacabana ist nicht nur einer von Rios weltbekannten Stränden, sondern gewissermaßen auch das Wohnzimmer der brasilianischen Metropole, wenn es um fröhliche Massenveranstaltungen geht. Egal ob riesige Rockkonzerte oder die jährliche Silvester-Party mit geschätzten 1,5 Millionen Besuchern – die vier Kilometer lange Bucht bietet ausreichend Platz, bezaubernde Zuckerhut-Kulisse inklusive.

Das will sich auch die katholische Kirche zu Nutze machen, und hier ab morgen einige der größten Gottesdienste ihres Weltjugendtags feiern. Schon jetzt stehen zwischen Sonnenschirmen und Liegestühlen Videowände und Lautsprechertürme. Und an der Nordoststecke des Strandes ragt ein weißes Kreuz gen Himmel. Arbeiter bauen dort an der großen Bühne für den Altar, von dem aus am Donnerstag und Freitag auch Papst Franziskus mit Jugendlichen beten will.

Am Rande der Favelas

Während die meisten dieser Jugendlichen in den vergangenen Tagen in anderen Regionen Brasiliens Land und Leute kennen gelernt haben, ist die Gruppe aus dem Ruhrgebiet bereits seit einer Woche in Rio. Mit dem mondänen Ambiente der Copacabana haben ihre Unterkünfte am Rande zweier Favelas indes wenig gemein.

Benedicta und Felix sitzen auf der Terrasse eines kleinen Gemeinschaftszentrums, in dem ein Verein Projekte für die Bewohner der umliegenden Favela Turano anbietet. Fast fünf Stunden sind die Jugendlichen heute durch die steilen Gassen dieser Armensiedlung gelaufen, erzählt Benedicta, während sie mit Eiswürfeln ihre Mückenstiche am Arm kühlt. Ein Bewohner habe sie herumgeführt und vom Leben nach der „Befriedung“ erzählt, also nach der Vertreibung der Drogenbanden, die lange Zeit die Macht in der Favela innehatten.

„Alle Menschen dort waren super freundlich“, sagt die Abiturientin des Essener BMV-Gymnasiums. Und Felix ergänzt: „Wir waren auf jeden Fall eine Attraktion.“ Auch Papst Franziskus wird in dieser Woche eine der vielen Favelas in Rio besuchen. Die von Turano wird es nicht sein – obwohl er vermutlich fast zu Fuß hingehen könnte. „Gleich hinter der Favela haben wird die Residenz des Erzbischofs gesehen“, erzählt Benedicta. „Da soll auch das Quartier des Papstes sein.“

Arbeit im Kindergarten

Vor allem die Eigeninitiative der Favela-Bewohner hat Christian aus Mülheim und Torsten aus Duisburg beeindruckt. Sie wohnen mit ihrem Teil der Gruppe in einer anderen Favela und sind dort in einem Kindergarten im Einsatz, den Eltern aus dem Armenviertel aus eigenem Antrieb auf die Beine gestellt haben. Jetzt helfen die deutschen Jugendlichen ein paar Tage mit. „Im Garten haben wir heute einen Haufen Schutt herausgeholt, Unkraut gejätet und ein Salatbeet für die Kinder angelegt“, erzählt Christian am Abend, „halt einen richtigen kleinen deutschen Schrebergarten.“ „Am meisten haben sich die Kinder über die Schaukeln gefreut, die wir repariert und neu aufgebaut haben“, ergänzt Torsten.

Die beiden stehen am Rand eines kleinen Fests, das Bewohner der Favela Turano für die Gruppe aus dem Ruhrgebiet geben. Im Innenhof des Gemeinschaftszentrums spielen ältere Herren Sambamusik, für jeden gibt es eine Caipirinha – und Christian und Torsten schwärmen von den touristischen Highlights, die ihre Gruppe auch schon besucht hat. „Sehr bewegend“ sei der Moment gewesen, als sie abends am Christo die letzte Besuchergruppe waren und dann 700 Meter über der Stadt und zu Füßen der gewaltigen Statue gemeinsam das Vaterunser gebetet haben.

Mit dem Handtuch einenPlatz reservieren

Nun sind Torsten und Christian gespannt auf die großen Feste an der Copacabana. Einige deutsche Weltjugendtags-Teilnehmer kalauern schon, ob man nicht – ganz dem nationalen Klischee entsprechend – per Handtuch einen Platz in der ersten Reihe vorm Papst-Altar reservieren sollte. Und weil selbst der brasilianische Winter hochsommerlich daherkommt, überlegen Christian und Torsten, für die Wartezeit bis zu den Gottesdiensten neben ihrem Pilgerheft auch die Badehosen mit zum Strand nehmen. Beten und Baden – nicht die schlechteste Kombination für einen Weltjugendtag!