Essen/Düsseldorf. . Schwache Führung, wenig Transparenz, kaum Kommunikation, kein Wir-Gefühl: Eine Studie wirft ein schlechtes Licht auf das Landesumweltamt. Die Behörde war durch krude Messmethoden bei Giftuntersuchungen unter Druck geraten. Auch eigene Messdaten belasten das Landesumweltamt.

Regeln sind nicht gut gelitten im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Das steht in einer Studie der Prognos AG, in der das Amt schlecht wegkommt. „Das Rad wird zu häufig neu erfunden“, bemängeln die Gutachter. Sie zeichnen das Bild einer ineffizienten Behörde: schwache Führung, wenig Transparenz, kaum Kommunikation, kein Wir-Gefühl. Da könne schon ein klingelndes Telefon zur Bedrohung werden. „Externe Anrufe bedeuten Arbeit, nicht dran gehen“, gab ein Lanuv-Mitarbeiter zu Protokoll.

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Rechenfehler bei Hühnermast

Als dieser Satz fiel, waren die Messmethoden bei Giftuntersuchungen in NRW-Gewässern noch nicht bekannt. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) initiierte die Studie, weil das Lanuv andere Böcke schoss, die ihm auf die Füße fielen. Prognos erinnert daran, dass „es in unterschiedlichen Fällen, beispielsweise bei der Hühnermaststudie, zur Ermittlung und Ver­öffentlichung von falschen Zahlen kam“. 2012 verrechnete sich das Lanuv bei einer Expertise über Antibiotika-Anteile bei der Hähnchenmast. Die fehlerhafte Studie musste überarbeitet werden. „Sowohl Controlling als auch Qualitätsmanagement haben hier nicht gegriffen“, sagen die Gutachter.

Jetzt geht es wieder um Lanuv-Daten. Sie liegen uns vor. Und sie nähren einen Verdacht: Das Amt könnte Gifte nicht nach ­gesetzlichen Vorgaben untersucht haben. Die Behörde sagt, das stimme nicht. Eine Auswertung ihrer Messprotokolle legt anderes nahe.

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Es geht um ein Gesetz, das Bundeskanzlerin Angela Merkel unterzeichnet hat: die Oberflächen­gewässerverordnung (OGewV). Die aktuelle Fassung gilt seit dem 20. Juli 2011. Das Lanuv sagt, „seit diesem Datum“ werde die Ver­ordnung „vollständig erfüllt“.

Doch auch Hunderte ­Wasserproben, die 2012 analysiert wurden, zeigen: Die Messgeräte erreichen nicht die Empfindlichkeit, die vorgeschrieben ist und nötig wäre, um gefährliche Giftmengen nachzuweisen. Die Daten zeigen weiter, dass das Lanuv die Zielvorgabe messtechnisch erreicht, nur häufig nicht das geeignete Gerät nutzt. Dadurch sind Giftmengen im Wasser nicht nachweisbar, die bis zu 1000-fach über Grenzwerten liegen können.

Andere Länder, strenge Werte

Andere Bundesländer legen offenbar strengere Maßstäbe an. So untersucht Baden-Württemberg das Selbstmördergift Mevinphos nach eigenem Bekunden 40-mal genauer als NRW. Und Schleswig-Holstein gibt an, zwei als krebser­regend geltende Endosulfan-Verbindungen 100- bis 165-fach präziser zu analysieren als das Lanuv.

Das verfährt, ausweislich seiner Daten, häufig wie beim Nervengift Azinphosmethyl. Dafür fordert der Gesetzgeber eine Messtechnik, die 0,003 Mikrogramm pro Liter erfasst. Das Lanuv gibt gegenüber dieser Zeitung eine Bestimmungsgrenze für Azinphosmethyl-Tests in NRW an, die siebenmal mehr Gift toleriert: 0,02 Mikrogramm. Doch selbst diesen Wert wendet die Behörde nicht durchgehend an: 2012 hätten einige Untersuchungen erst Giftmengen jenseits von 0,05 Mikrogramm offenbart, 17-mal mehr als vorgeschrieben.

Minister Remmel sagte gestern im Umweltausschuss des Landtags, es sei „unrealistisch, alle Stoffe überall im Gewässer jederzeit nach der empfindlichsten Methode zu überwachen“ – personell, zeitlich und finanziell.