Essen. . Die Gewässer in NRW sind möglicherweise schwer mit Giften belastet. Denn das zuständige Landesumweltamt (Lanuv) prüft nur unzureichend. Das ergaben Recherchen der Funke-Mediengruppe. Sogar das Umweltbundesamt hält das für gefährlich.
Hunderte von Gewässern in NRW sind möglicherweise weitaus höher mit Giften belastet als bisher bekannt. Nach Recherchen unserer Zeitung erfolgt die Überwachung durch das Landesumweltamt (Lanuv) mit untauglichen Mitteln. Bei der Auswertung von Wasserproben können zahlreiche Grenzwertüberschreitungen nicht erkannt werden. Messgeräte sind so eingestellt, dass bis zu tausendfach überhöhte Giftmengen nicht nachgewiesen werden können. Nur weitaus extremere Überschreitungen werden erfasst.
Die Funke Mediengruppe hat rund 1,1 Million Datensätze des Amtes ausgewertet. Das Material dokumentiert 20 Jahre Gewässerüberwachung in NRW. Die Messungen sollten giftige Biozide in den Wasseradern des Landes dokumentieren. Doch das Lanuv orientiert sich bei Messungen nicht an strengen Grenzwerten, sondern misst mit weit höheren Schwellenwerten. Die sind häufig vergleichsweise so hoch, als würden Autos bei Geschwindigkeitskontrollen in einer Fußgängerzone frühestens bei Tempo 300 geblitzt.
Umweltbundesamt schließt negative Folgen nicht aus
Allein in den Messprotokollen von 20 hochgiftigen Bioziden fand unsere Zeitung rund 85.000 Wasserproben, bei denen auch hohe Grenz- und Zielwertüberschreitungen kaum erkannt werden können. Bei einigen der giftigsten Substanzen bestehen Dunkelziffern von bis zu 99 Prozent.
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Das Umweltbundesamt (UBA) hält das für gefährlich. „Solche Analyseergebnisse lassen natürlich keine Aussage über die tatsächliche Verteilung solcher Substanzen zu“, sagt eine Sprecherin. „Negative Folgen für Mensch und Umwelt sind nicht auszuschließen.“
Lanuv verweist auf technische Grenzen der Messungen
Betroffen sind kleine und mittlere Gewässer sowie große Flüsse in ganz NRW; auch diverse Talsperren im Sauerland und die Ruhr, aus der rund fünf Millionen Menschen trinken. Einige der unzureichend untersuchten Gifte gelten als krebserregend, andere greifen das Nervensystem an oder schädigen das Erbgut. Das Lanuv verweist auf technische Grenzen. „Für die meisten der rechtlich geregelten Stoffe“ sei „die Überprüfung von Grenzwerten möglich und Praxis“. Andere Gifte könnten „nicht in der Sensitivität gemessen werden, wie vom Gesetzgeber festgelegt“.
Lanuv-Messdaten, die uns vorliegen, belegen, dass die Behörde in der Lage ist, auch in technisch anspruchsvolle Grenzwertbereiche vorzudringen. Dies wird aber nicht durchgehend praktiziert