Düsseldorf. . Viele Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen. Schuld hat laut DAK-Gesundheitsreport vor allem der Stress am Arbeitsplatz. Fehltage durch psychische Leiden nehmen demzufolge in NRW deutlich stärker zu als der Krankenstand insgesamt. Betroffene bemängeln fehlende Wertschätzung für ihre Leistungen.

Erstmals kletterte die Zahl der psychischen Erkrankungen in NRW auf Platz zwei auf der Skala der Fehltage-Statistik. Dieses Ergebnis des „Gesundheitsreports“ der DAK lässt Arbeitsmediziner wie Prof. Peter Angerer, Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin der Universität Düsseldorf, zustimmend nicken: „Es gibt ganz klar eine Beziehung zwischen schwierigen Arbeitsbedingungen und psychischen Erkrankungen.“

Zu hohe Anforderungen, das Gefühl, das Arbeitsaufkommen nicht mehr kontrollieren und bewältigen zu können, dazu mangelnde Belohnung – das sei eine Mischung, die zu extremen psychischen Belastungen führen könne. Besonders schlimm sei es in Gesundheitsberufen und in der öffentlichen Verwaltung.

Gefühl von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit

„Zu aller Überarbeitung kommt noch noch das Gefühl von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit hinzu“, so Angerer. Wird ständig jemand gelobt, der es nicht verdient hat, führt das zu deutlichen Befindlichkeitsstörungen.

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„Der Anteil der psychischen Leiden an den Fehltagen in Firmen steigt seit 15 Jahren beispiellos und weit stärker als der Krankenstand insgesamt“, so Hans-Werner Veen, NRW-Landeschef der DAK. „Der Produktionsausfall infolge der psychischen Diagnosen wird in Deutschland mittlerweile auf 25 Milliarden Euro beziffert.“ NRW liegt in etwa im Bundesdurchschnitt, den niedrigsten Krankenstand verzeichnet Baden-Württemberg. In den neuen Bundesländern liegt die Zahl der psychisch Kranken leicht über dem Durchschnitt.

Dass Erkrankungen wie Depressionen, Angstzustände oder Burnout auf den zweiten Platz der Fehltage-Statistik gelangt sind und damit erstmals die Atemwegserkrankungen überholt haben, liege auch an einer neuen Offenheit, so DAK-Chef Hans-Werner Veen. Betroffene würden ihren Ärzten heute schneller sagen, wenn sie unter seelischen Probleme leiden.

Nie das Gefühl, dass die Arbeit erledigt ist

Die Statistik gibt ihm Recht. Es stimmten nur sieben Prozent der Befragten dieser Aussage voll zu: „Wenn ich an einer psychischen Erkrankung leiden würde, würde ich es möglichst niemandem sagen.“

Die DAK fragte nicht nur etwa 3000 Erwerbstätige zwischen 18 und 65 Jahren, sondern führte auch Interviews mit Hausärzten in Marl, Neuwied und Berlin durch.

Eine Ärztin in Marl berichtet aus der Praxis, dass Betroffene nie das Gefühl hätten, dass die Arbeit erledigt ist. „Die Befriedigung aus der Arbeit ist deutlich weniger geworden.“

Ständige Erreichbarkeit als Problem

Der Hauptgrund für seelische Erkrankungen, so der Arbeitsmediziner Angerer, sei mangelnde Entspannung. Wer auch privat noch Mails checkt, sei besonders gefährdet.

Ständige Erreichbarkeit, immer das Handy griffbereit, um bloß keinen Anruf aus dem Büro zu verpassen – das komme vor, sagt Angerer. Aber nicht so oft, wie man vielleicht denkt. Über die Hälfte der Beschäftigen in NRW werden fast nie außerhalb der Arbeitszeit angerufen. „Aber bei denen, die immer erreichbar sein müssen, ist die Gefahr, psychisch zu erkranken, sehr hoch“, so Angerer. Etwa sieben Prozent der Befragten gaben an, „täglich“ angerufen oder anderweitig kontaktiert zu werden.

Einer der interviewten Hausärzte bringt den Frust der Beschäftigten auf den Punkt: „Es wird nicht mehr gelobt. Es wird nicht mehr bestätigt.“ Die Arbeitnehmer könnten sich kaputtmachen von morgens bis abends. Ändern würde der Einsatz nichts. Es bleibe der Vorwurf, dass sie noch mehr hätten tun können.