Berlin. . Wegen psychischer Probleme haben sich im vergangenen Jahr Arbeitnehmer so häufig krankschreiben lassen wie nie zuvor. Jeder 22. Beschäftigte fehlte 2012 wegen eines Burnouts, Depressionen oder anderen Leiden der Psyche, wie aus dem Dienstag in Berlin vorgestellten Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK hervorgeht.
Der Druck im Büro und der Stress daheim sind im vergangenen Jahr so vielen Arbeitnehmern über den Kopf gewachsen wie nie zuvor: Die Krankschreibungen wegen Burnout, Depressionen oder ähnlicher Leiden sind erneut auf einen Höchststand angestiegen. Dies geht aus Auswertungen der Techniker Krankenkasse und der DAK hervor, die am Dienstag präsentiert wurden.
Psychische Probleme als Ursache für eine Krankschreibung nahmen laut DAK binnen 16 Jahren um 165 Prozent zu. Damals kamen 100 Arbeitnehmer auf zusammen 77 Fehltage, vergangenes Jahr häuften sie 204 an. Jeder 22. Beschäftigte fehlte 2012 wegen eines Burnouts, Depressionen oder anderer Leiden der Psyche. Im Schnitt waren die Betroffenen dann 33 Tage krankgeschrieben und blieben damit länger zu Hause als Kranke mit anderen Symptomen.
Depressionen überholen Erkältungen als Ausfall-Ursache
TK-Expertin Gudrun Ahlers sagte: "Depressive Episoden, zu denen auch die Erschöpfungsdepression Burnout gehört, stehen damit auf Platz eins der Hauptursachen von Krankschreibungen, noch vor Rückenschmerzen und Erkältungserkrankungen." Am hohen Druck zwischen Meetings, Abgabefristen und Verpflichtungen in der Familie zerbrechen der DAK zufolge Frauen doppelt so häufig wie Männer. So vermerkte der Arzt etwa die Ursache Burnout auf der Krankschreibung von jeder 330. Frau, aber nur von jedem 500. Mann.
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Jedoch warnte die DAK davor, die Bedeutung psychischer Erkrankungen zu überschätzen. Experten zufolge erkranken nicht mehr Menschen als früher - nur heute ist der Begriff Burnout in aller Munde und landet womöglich schneller als Ursache auf dem Krankenschein. Professor Frank Jacobi von der Psychologischen Hochschule Berlin sagte: "Es gibt keine Hinweise darauf, dass heute mehr Menschen psychische Störungen haben als vor 20 Jahren."
Doch viele Beschäftigte fühlen sich unter Druck gesetzt - vor allem durch den scheinbaren Zwang, dauernd erreichbar zu sein. Neun von zehn der von der DAK befragten Arbeitnehmer haben ihre privaten Telefonnummern bei ihrem Arbeitgeber hinterlegt. Immerhin jeder Sechste wird einmal pro Woche oder häufiger in der Freizeit angerufen. Nach Erkenntnissen der DAK leidet etwa jeder vierte ständig erreichbare Mitarbeiter unter einer Depression. DAK-Chef Herbert Rebscher sagte: "Für diese kleine Gruppe hat der Wegfall der Grenze zwischen Beruf und Privatleben einen hohen Preis."
Der Osten kränkelt mehr als der Westen
Der Krankenstand veränderte sich im vergangenen Jahr indes kaum im Vergleich zum Vorjahr. Nach übereinstimmenden Zahlen von TK und DAK fehlten fielen an jedem Tag des Jahres von 1.000 Arbeitnehmern 38 wegen Krankheit aus. Überdurchschnittlich häufig waren Arbeitnehmer krank, die in der Gesundheitsbranche oder der öffentlichen Verwaltung arbeiten. Vor allem im Osten war der Krankenstand hoch: Brandenburg lag mit 46 Ausfällen pro 1.000 Beschäftigten klar über dem Durchschnitt, die Baden-Württemberger waren mit nur 32 besonders fit.
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Für ihren Report werteten TK und DAK zusammen Krankschreibungen von 6,6 Millionen Versicherten aus. Die DAK befragte überdies rund 3.000 Arbeitnehmer und Ärzte. (dapd)