Bad Neuenahr. . Wie jedes Jahr zieht der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auf der Synode Bilanz. Für den 65-Jährigen ist es der letzte Bericht; aus Altersgründen tritt Schneider ab, am Donnerstag wird sein Amtsnachfolger gewählt.
Es seien noch „viele Baustellen offen, von denen hätte ich gern ein paar mehr geschlossen“, meinte Nikolaus Schneider gestern im Anschluss an seinen letzten Bericht als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Nach zehn Jahren an der Spitze der zweitgrößten Landeskirche tritt der 65-Jährige aus Altersgründen ab. Am Donnerstag wählt die Synode Schneiders Nachfolgerin oder seinen Nachfolger – doch von Dank, Rückblick und Abschiedsstimmung war gestern allenfalls während der kurzen Ovationen zu spüren, mit denen die Synodalen den Präsesbericht quittierten.
Denn gleich im Anschluss erhielt eine der von Schneider erwähnten „Baustellen“ eine Dimension, die zuvor kaum jemand erahnt hatte: Bei der Aufarbeitung des Skandals um die kircheneigene Abrechnungsfirma BBZ, die nach Verlusten durch betrügerische Geldanlagen im vergangenen Jahr von der Kirche mit 21,6 Millionen Euro vor der Pleite gerettet werden musste, geht es für die Synodalen nicht mehr nur um Fragen von Schuld und Entschädigung. Vielmehr empfiehlt eine Untersuchungskommission als Konsequenz aus dem Skandal mehr Kontrolle durch mehr Demokratie – und stellt damit die bisherige Struktur der rheinischen Kirche grundsätzlich infrage.
Wie aus einem Bericht der Kommission um den früheren Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, hervorgeht, hatte das Unternehmen, das im Auftrag von Kirche, Kommunen und anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen Gelder verwaltet, um sie an Beihilfeempfänger weiterzuleiten, im Jahr 2006 bei einer Fondsgesellschaft auf den British Virgin Islands 8,5 Millionen Euro angelegt.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Ein Zinssatz von 23 Prozent im Jahr sei der BBZ GmbH versprochen worden. „Die Zinszahlungen trafen aber nicht ein“, so Höppner. Um diesen Sachverhalt kümmert sich seit Monaten die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern. Dass der Betrug indes jahrelang unentdeckt blieb und dabei ganz offensichtlich Kontrollmechanismen der rheinischen Kirche versagt haben, trieb gestern einmal mehr die Synodalen um – dabei hob der Vorschlag der Höppner-Kommission die Debatte auf eine neue Ebene: Höppner schlägt eine „Gewaltenteilung“ zwischen dem Kirchenparlament (der Synode) und einem von ihr gewählten Vorstand (vergleichbar mit einer Regierung) vor. So sollten künftig Interessenkonflikte von Personen verhindert werden, die in der Kirche verschiedene Rollen inne hätten.
Für Außenstehende mag diese zutiefst demokratische Struktur höchst selbstverständlich sein. Für die Protestanten im Rheinland würde sie indes eine tiefgreifende Änderung des kirchlichen Selbstverständnisses bedeuten – das es bundesweit so allerdings auch nur in NRW gibt. Denn während andere Landeskirchen und auch die Evangelischen Kirche in Deutschland mit einer Synode und einem gewählten Rat mit Bischof oder Bischöfin durchaus eine Art demokratische Gewaltenteilung praktizieren, betonen die rheinische und die westfälische Kirche die Kollegialität, wie Schneider gestern erläuterte.
Die Meinungsbildung in den Kirchen funktioniere in Ausschüssen, Presbyterien und Kreissynoden „und nicht in Parteien oder konfessionellen Bünden“, so Schneider. Diese Ordnung sei „ein Bekenntnis dazu, dass Christus das eine und einzige Haupt der Kirche ist.“ Schneider bekannte sich ausdrücklich zu dieser Ordnung und machte deutlich, dass eine Änderung die gesamte Kirchenstruktur – bis in jede Gemeinde – betreffen würde. Über konkrete Konsequenzen aus dem BBZ-Skandal wollen die Synodalen heute abstimmen. Außerdem steht das eigentliche Schwerpunktthema der Synode im Mittelpunkt: Inklusion.