Bad Neuenahr. . Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat Fehler bei der Abrechnungsfirma bbz eingestanden. Es sei eine bittere Erkenntnis, dass sich die kircheneigene Firma nicht an die Vorgaben des gerechten Wirtschaftens gehalten habe.
Zum Auftakt der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland hat Präses Nikolaus Schneider erneut deutliche Kritik an den Finanzmärkten geübt. „Wir lernen in diesen Zeiten, dass eine Wirtschaftsordnung zu einer Wirtschaftsunordnung werden kann“, sagte Schneider am Montagvormittag in Bad Neuenahr. In den vergangenen Wochen sei deutlich geworden, dass eine Fortsetzung der Schuldenpolitik nicht mehr möglich sei. „Die Kosten der Krise dürfen nicht allein den nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden, und unter der Perspektive der Gerechtigkeit müssen Stärkere auch größere Lasten tragen. Reichtum gibt es genug – in Deutschland, in Europa und der Welt.“ Europa könne jetzt entscheidende Anstöße geben, so der Präses. „Die Beschlüsse des letzten Brüsseler Gipfels lassen ein Hoffnungslicht aufscheinen“, sagte Schneider in seinem Bericht an die Synode.
Eine „bittere Erkenntnis“ nannte er, dass ein der Kirche gehörendes Unternehmen „offenkundig selbst Maß und Ziel aus den Augen und damit viel Geld verloren hat“. Seit Monaten beschäftigt der Finanzskandal um das kircheneigene Unternehmen bbz die rheinische Kirche. Bislang musste sie die Gesellschaft mit 20 Millionen Euro vor der Insolvenz retten, nachdem Gelder der Firma in der Hoffnung auf hohe Renditen in ein womöglich betrügerisches Finanzgeschäft investiert wurden.
„Gottes Wort spricht seine Menschen auch heute an“
Seit Monaten beschäftigt der Finanzskandal um das kircheneigene Unternehmen bbz die rheinische Kirche. Bislang musste sie die Gesellschaft mit 20 Millionen Euro vor der Insolvenz retten, nachdem Gelder der Firma in der Hoffnung auf hohe Renditen in ein womöglich betrügerisches Finanzgeschäft investiert wurden.
Auch darüber dürften die Synodalen noch ausführlicher debattieren wollen. Noch bis Freitag diskutiert das Parlament der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland über aktuelle Themen in Kirche und Gesellschaft. Neben dem theologischen Schwerpunktthema „Zeit zu Leben, Zeit zu Sterben“ geht es um Fragen der Kirchenstruktur und -finanzen, unter anderem mit Blick auf besondere Seelsorgefelder wie Notfall-, Krankenhaus- oder Telefonseelsorge sowie spezielle Jugendkirchen. Auf der Agenda stehen aber auch gesellschaftspolitische Themen, etwa ein kritischer Konsum.
Präses Schneider stellte seinen Bericht unter das Leitwort „Gott spricht noch heute“. Der Theologe betonte: „Gottes Wort spricht seine Menschen und seine Kirche auch heute an – wir müssen hören und antworten, aber erst hören.“ Gott spreche auch „durch die Musik“, sagte Schneider angesichts des gerade begonnenen Jahres „Reformation und Musik“, an dem sich auch die rheinische Kirche beteiligt. Er hoffe, „dass durch die Kirchenmusik viele Menschen einen ersten oder einen neuen Zugang zum Glauben finden.“
Bistum Trier zeigt „Heiligen Rock“ Jesu Christi
Mit Blick auf die anderen christlichen Kirchen warb Schneider erneut für eine „Ökumene der Gaben“. „Dabei dürfen wir uns die je eigenen Gaben und unser je eigenes Profil dankbar bewusst machen“, sagte der Präses, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland ist. In der katholischen Kirche habe Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch zwar „keine neuen Fenster für konkrete ökumenische Schritte und Vereinbarungen geöffnet. Aber er hat auch keine geöffneten Fenster geschlossen. Beharrlich wollten die evangelischen Christen weiter „um konkrete Zeichen unserer Gemeinschaft in Christus ringen“, so Schneider – etwa um die Abendmahlsgemeinschaft. Er freue sich über die ökumenische Aufbruchstimmung, die derzeit vom Bistum Trier anlässlich der „Heilig-Rock-Wallfahrt“ ausgehe. Von Mitte April bis Mitte Mai zeigt das katholische Bistum den seit 500 Jahren als angeblich letztes Gewand Jesu Christi verehrten „Heiligen Rock“.
Schneider sagt, er möchte „alle evangelischen Christenmenschen dazu ermutigen, an dieser Wallfahrt teilzunehmen und die Wallfahrt mit ihrer Fürbitte zu begleiten“. Zwar lehne die evangelische Tradition die Reliquienverehrung ab, und auch Luther habe einst die „Bescheißerei von Trier“ kritisiert. Doch seit die Trierer Wallfahrt auch nach katholischer Lehre keine „eigenständige Heilsbedeutung“ mehr habe, sei die Reliquie heute „Anlass“ der Wallfahrt und ein „Symbol“ für Jesus Christus – und das ungeteilte Gewand ein Symbol für die ungeteilte Kirche. Auch dem katholischen Bischof Stephan Ackermann gehe es „nicht um das Textil“. Schneider gestand indes evangelischen Christen auch zu, „theologisch gut begründet“ den Weg zur Wallfahrt „nicht mitgehen“ zu können.
Präses fordert Regelungen, die Menschen vor Ausbeutung schützen
Der Präses beklagte in seinem Bericht zudem die große Zahl von Menschen, die trotz Vollzeitstelle die Armutsschwelle nicht überschreiten könnten. Er forderte „politische Regelungen, die Menschen vor Ausbeutung im Niedriglohnsektor schützen. Damit ziele ich durchaus auf die Mindestlohndebatte in unserem Land.“ Zudem brauche es eine „finanzielle Grundsicherung der Kinder in ihren Familien“. Eine Gesellschaft, „die Kinder aus benachteiligten und bildungsfernen Familien in den ersten Lebensjahren vernachlässigt, ist nicht nur herzlos, sondern auch ohne Verstand“. Das sei seit langem bekannt, „und doch finden wir offenbar keine Wege, um die uns bekannten Probleme effektiv und nachhaltig zu bearbeiten“. Ohne das aktuell diskutierte Betreuungsgeld konkret anzusprechen, empfahl Schneider „die Faustregel: Wenn wir Geld in die Hand nehmen, nicht in den Einzelnen, sondern eher in die Strukturen zu investieren“.
In der Energiepolitik begrüßte Schneider „die politischen Entscheidungen zu einer Abkehr von der langfristigen Nutzung der Kernenergie in Deutschland“. In der eigenen Landeskirche sieht er indes „noch Nachholbedarf“ in Sachen klimaschonender Energienutzung. Das von der Landessynode 2009 gesetzte Ziel, den CO2-Ausstoß auf allen Ebenen der rheinischen Kirche bis 2015 um ein Viertel zu reduzieren (gemessen an 2005), sei nicht umzusetzen. Es bedarf „eines verstärkten konkreten Handelns“, um weiter glaubwürdig am öffentlichen Diskurs teilnehmen zu können, so der Präses.