Essen. . Einzelne Finanz-Behörden in NRW verschicken Mahnschreiben an bis zu 3000 Rentner, die steuerlich noch nicht erfasst waren. Jeder Verdachtsfall wird überprüft. Steuer-Nachforderungen können noch Jahre zurück geltend gemacht werden.
Renten sind steuerfrei – ein Irrtum. „Er hat sich irgendwie in den Köpfen festgesetzt, bis heute“, sagt Anja Gorris vom Steuerberaterverband Düsseldorf. Richtig ist: Renten haben schon immer einen steuerpflichtigen Anteil gehabt. Dieser war aber bis zum Jahr 2005 zumeist vernachlässigenswert gering. Das damals in Kraft getretene „Alterseinkünftegesetz“ hat diesen Anteil auf zunächst 50% raufgesetzt. Er steigt seither Jahr für Jahr – und mit ihm die Zahl der Rentner, die zumindest eine Erklärung beim Finanzamt abgeben und womöglich auch Steuern zahlen müssen.
Durch die von den Versicherern an die Finanzämter übermittelten Rentendaten können sich die Behörden ausrechnen, bei welchen Ruheständlern das in etwa der Fall ist. Erste Mahnbriefe haben die Ämter bereits im vergangenen Jahr an Rentner verschickt, die steuerlich noch nicht erfasst waren. In einer Behörde mittlerer Größe waren das nach NRZ-Informationen etwa 100 Schreiben. Die nun anlaufende Mahnaktion hat eine andere Dimension: Ein Testlauf in landesweit sieben Behörden hat ergeben, dass einzelne Finanzämter in ihrem Beritt bis zu 3000 Ruheständler anschreiben müssen.
Was tun, wenn die Post vom Finanzamt kommt? Steuerberaterin Gorris empfiehlt, sich kundigen Rat zu holen. Immerhin kann es um Steuererklärungen rückwirkend bis zum Jahr 2005 gehen. Viele Senioren seien überfordert: „Ich habe Ruheständler bei mir gehabt, die haben gesagt, das kann doch gar nicht sein“, berichtet die Düsseldorferin. Im Einzelfall seien über den Zeitraum bis 2005 Steuernachforderungen zusammengekommen von bis zu mehreren Zehntausend Euro – „Summen, die man als Ruheständler ja nicht unbedingt zur Verfügung hat“.
Großer Beratungsbedarf in den Finanzämtern
Die Finanzämter gingen mit den Nachforderungen unterschiedlich um: In mehr als einem Fall hat Gorris es erlebt, dass Strafverfahren eingeleitet wurden – aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar. „Das waren Leute, die ihr Erwerbsleben lang brav in die Sozialkassen eingezahlt und im Alter das Thema Steuern schlicht verdrängt hatten“, erzählt Gorris. In anderen Fällen hätten sich Sachbearbeiter kulant gezeigt und auf Strafverfahren verzichtet.
Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) moniert derweil, dass es ihrer Kenntnis nach keine „Kleinfall-Grenze“ gibt, sprich: Jeder Verdachtsfall muss bearbeitet werden, egal um wie wenig Geld es geht. „In vielen Fällen wird sich dann im Zuge der Überprüfung herausstellen, dass eine Steuerpflicht zum Beispiel wegen Krankheitskosten gar nicht geben ist“, sagt DStG-Landesvize Marc Kleischmann auf NRZ-Nachfrage. Die Erfahrung mit der Besteuerung von Rentnern zeige zudem: „Der Beratungsbedarf in den Finanzämtern ist enorm.“