Essen/Kamen. . Im Jahr 2011 sind in Nordrhein-Westfalen 1874 Polizisten bei ihrer Arbeit angegriffen und verletzt worden. Sie werden geschlagen, getreten und gebissen. Vor allem in den Großstädten, aber auch auf dem Land geht es hoch her. Häufig entwickeln sich sogar friedliche Feste wie Hochzeitsfeiern zu Massenschlägereien.
Es wird gehauen, gebissen und zugestochen: Immer mehr Polizisten werden im Dienst angegriffen und verletzt. Im vergangenen Jahr sind in Nordrhein-Westfalen 1874 Beamte bei solchen Attacken verletzt worden, neun von ihnen schwer. Das ist eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent, wie aus dem Bericht „Gewalt gegen Polizeibeamte“ des Landeskriminalamtes (LKA) hervorgeht.
Gewalt gegen Polizisten als Massenphänomen
Frank Richter, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW (GdP), hat diese Zahlen bei einer Gewerkschaftssitzung in Kamen im Kreis Unna vorgestellt. Demnach ist die Zahl aller im Dienst angegriffenen Polizisten im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent auf 9808 gestiegen. Die Gewerkschaft fordert, dass Politik und Justiz konsequenter gegen die Angreifer vorgehen müssten. „Gewalt gegen Polizisten ist zu einem Massenphänomen geworden“, sagte Richter.
Streit über den Musikgeschmack endet in Schlägereien
Fast 90 Prozent der Übergriffe auf Polizisten haben sich im vergangenen Jahr nicht bei Großeinsätzen wie Demonstrationen oder Fußballspielen ereignet, sondern im normalen Dienstalltag. 85 Prozent aller Gewalttaten betreffen „110er“-Einsätze. Das sind oft Kneipenschlägereien oder andere Randale, zu der die Polizisten telefonisch gerufen werden. Immer wieder entwickeln sich selbst Hochzeitsfeiern von einer fröhlichen zu einer krawalligen Menschenansammlung: „Wenn sich die Familien beispielsweise nicht auf einen Musikgeschmack einigen können, entstehen Massenschlägereien und die Polizei wird gerufen“, sagt Stephan Hegger, Sprecher der Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen.
Die Statistik zeigt: Am häufigsten wird zugeschlagen, mit der Hand oder der Faust, 2089 Fälle gab es im Jahr 2011. 1633 mal sind die Polizisten getreten worden, 369 mal haben die Angreifer ihren Kopf gegen die Beamten gerammt, 274 mal haben sie zugebissen. In fünf Fällen stand am Ende ein versuchter Totschlag, einmal sogar ein versuchter Mord.
In Dortmund und Essen geht es brutal zu
Besorgniserregend ist für die Gewerkschaft zudem die mit der Größe der Städte sprunghaft steigende Bereitschaft zur Gewalt. Zwei Drittel (67 Prozent) aller Übergriffe auf Polizisten haben sich in Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern ereignet, fast jeder dritte Übergriff (30 Prozent) in den vier NRW-Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern, also in Köln, Dortmund, Düsseldorf und Essen. Aber auch auf dem Land geht es zur Sache: „Dort dann beispielsweise auf der Kirmes oder beim Schützenfest“, sagt Gewerkschaftssprecher Stephan Hegger.
Laut Hegger habe die Bereitschaft zur Gewalt mit Veränderungen in unserer Gesellschaft zu tun. Während eine Schlägerei früher spätestens dann gestoppt habe, wenn ein Beteiligter am Boden lag, gehe sie heute weiter. Gerne werde nachgetreten, auch ins Gesicht. Die Polizei fordert Konsequenzen, ein härteres Durchgreifen der Politik. Aber sie versucht sich auch selbst zu schützen, so gut es geht. In der Ausbildung und bei Schulungen lernen die Beamten den richtigen Umgang mit der Gewalt gegen sie – und sie rüsten auf. „Heute gibt es moderne schusssichere Unterziehwesten, die im Einsatz überhaupt nicht stören“, sagt Stephan Hegger. Und mehr Polizisten tragen einen sogenannten „Einsatzstock“ bei sich, der kann ausgefahren werden und den Angreifer auf Distanz halten.