Berlin. Heftige Kritik von Verbänden, Gewerkschaften und Politikern an Vorhaben von zehn Bundesländern. Sie wollen, dass auch lebenslänglich Verurteilte nach fünf Jahren drei Wochen Langzeitausgang bekommen. Das soll die Wiedereingliederung erleichtern. Opferorganisation spricht von falschem Signal.

Polizeigewerkschaften und Opferschutzverbände haben Überlegungen mehrerer Bundesländer zur Lockerung des Strafvollzugs für Langzeithäftlinge kritisiert. Die Idee, den Langzeitausgang für lebenslänglich Verurteilte bereits nach fünf statt wie bisher nach zehn Jahren zu gestatten, würde das Rechtsempfinden vieler Bürger "schwer erschüttern", erklärte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, am Dienstag in Berlin.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, äußerte Unverständnis. "Schwerverbrecher nach kürzester Zeit wieder auf Bürger loszulassen ist skandalös und wäre ein gefährliches Experiment auf dem Rücken der Bürger", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. Wendt vermutete, hinter dem Vorschlag stecke die Personal- und Platznot in den Gefängnissen. Er forderte angesichts der steigenden Lebenserwartung, die "lebenslange" Freiheitsstrafe von 15 auf 25 Jahre zu verlängern und alle Regelungen dazu bundesweit zu vereinheitlichen.

Strafvollzugsbedienstete halten die Neuregelung für "aberwitzig"

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring sprach von einem "falschen Signal". Der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSDB) hält es für "aberwitzig", dass ein zu lebenslanger Haft verurteilter Strafgefangener in Brandenburg bereits nach fünf Jahren die Möglichkeit des Aufenthaltes in der Freiheit erhalten könne, "während derselbe Gefangene in Niedersachsen frühestens nach acht Jahren oder in Bayern nach zehn Jahren in den Genuss einer solchen Lockerung kommen kann".

Zehn Bundesländer wollen die Haftregeln für die Häftlinge lockern. So soll lebenslänglich verurteilten Straftätern bereits nach fünf Jahren im Gefängnis ein Langzeitausgang von bis zu 21 Tagen gewährt werden, um einer vollständigen Isolierung von der Außenwelt entgegenzuwirken. Der Vorschlag ist Teil eines Reformgesetzes für den Strafvollzug, auf den sich besagte Bundesländer vor sieben Monaten nach längeren Verhandlungen geeinigt hatten. Der Gesetzentwurf war unter der Federführung der Länder Berlin und Thüringen entstanden. Ziel des bereits im September vereinbarten Reformpakets ist es, die Chancen von Häftlingen auf eine Wiedereingliederung in ein normales Leben zu verbessern sowie Haftstandards und Betreuungsansätze zu modernisieren. Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen wollten das Paket in Landesgesetze übernehmen, dabei aber auch Änderungen einbauen. Seit der Föderalismusreform von 2006 ist die Regelung des Strafvollzugs Ländersache. Zuvor hatte ein Bundesgesetz die Haftregeln einheitlich definiert.

CDU-Innenexperte warnt vor Umsetzung des Plans

Wegen eines Berichts der "Bild"-Zeitung vom Dienstag konzentrierte sich die nun aufgekommene Kritik an der Neuregelung auf das Land Brandenburg und dessen Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke). Dessen Sprecher zeigte sich am Dienstag irritiert: "Wir haben mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass sich die Diskussion auf Brandenburg fokussiert." Das Land habe bei dem Vorhaben nicht einmal die Federführung innegehabt. Brandenburg will das nach dem Entwurf der zehn Bundesländer modellierte Landesgesetz erst im Jahresverlauf vorlegen.

Kritik an der von den Ländern vereinbarten Reform äußerte angesichts der neuen Debatte auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. "Ich kann nur hoffen, dass kein CDU-geführtes Bundesland auf die Idee kommt, bei dieser Initiative mitzumachen", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags der Zeitung "Die Welt".