Trier. . Erstmals seit 16 Jahren zeigt das Bistum Trier wieder den Heiligen Rock. Eine halbe Million Pilger werden erwartet. Auch Pilger aus dem Ruhrgebiet und vom Niederrhein haben sich auf den Weg gemacht, um das angeblich letzte Gewand Jesu Christi zu sehen - eine Reportage.
Hinter der Kirchtür beginnt das Schlange stehen. Hatten die 64 Pilger aus Duisburg-Rheinhausen bis dahin noch den Eindruck, an diesem Montag fast die einzige Gruppe zu sein, die zum Trierer Dom pilgert, gibt es jetzt im Kircheninneren zumindest eine Ahnung von den Menschenmassen, die während der vierwöchigen Heilig-Rock-Wallfahrt erwartet werden. Schon früh um sieben ist die Katholikenschar vom Niederrhein in den Bus gestiegen, um gewissermaßen zum letzten Hemd des Herrn zu pilgern.
Nur sehr selten – zuletzt 1959 und 1996 – wird öffentlich das Gewand gezeigt, das Jesus kurz vor seiner Kreuzigung getragen haben soll; meist lagert es verschlossen im Altar des Doms. Als das Bistum Trier nun 500 Jahre nach der ersten öffentlichen Präsentation des Heiligen Rock wieder zur Wallfahrt lud, organisierten Dechant Andreas König und Pfarrer Jörg Monier eine Fahrt für ihre drei Rheinhauser Pfarreien – und ruckzuck waren die Plätze weg. „Wir mussten nicht viel Werbung machen“, sagt Pfarrer Monier – nur ein größerer Bus musste her.
Schritt für Schritt kommt die Gruppe jetzt voran. Männer und Frauen zwischen 23 und 85 Jahren, „fromme und solche, die nur gelegentlich in die Kirche kommen“, beschreibt Monier. Eine bunte Truppe, die sich in einer langen Schlange langsam auf den Holzschrein zu bewegt, der vorne vor den Altarstufen steht. Ein großes gelbes Kreuz, wie ein Stern darüber aufgehängt, weist den Weg. Die Orgel spielt, Sprecher tragen Gebete vor. Andächtig und doch gespannt nähern sich die Menschen einer der wichtigsten Reliquien der Christenheit.
Wie ein ovales Boot steht der flache Heilig-Rock-Schrein im Gang. Links und rechts strömen die Pilger vorbei. Mancher bleibt kurz stehen für einen genaueren, oft ehrfürchtigen Blick auf das zerschlissene Stück Stoff. Mit ausgebreiteten Ärmeln liegt es flach wie ein T – oder ein Kreuz – unter einer Glasscheibe, die viele Fingerabdrücke ziert.
Die Tunika Christi? Nein. Was die Pilger sehen, ist ein Gewand wohl aus dem 16. Jahrhundert, in das ältere, verfilzte Wollreste eingenäht wurden, um sie zu konservieren. Das Alter der Wolle, geschweige denn die Frage, ob sie einst Jesus bekleidet hat – unklar.
Trotzdem wollen manche die Scheibe berühren. Andere legen für einen Moment Rosenkränze über dem Gewand ab. Dann treibt sie der Besucherstrom weiter. Die Niederrheiner stellen noch eine eigens gestaltete Kerze auf – gewissermaßen als Gastgeschenk. Dann erhält jeder ein Andenkenbild, und raus geht’s in den kalten Trierer Frühlingswind.
Gut, dass die Wallfahrtsleitung gleich nebenan den Souvenirladen eingerichtet hat – Shoppen und Pilgern gehörten schließlich schon immer zusammen. „Das war für mich die erste und einzige Gelegenheit, eine Christus-Reliquie zu sehen“, sagt Jörg Philipp zwischen Kerzen und Pilger-Abzeichen. Für ihn ist der Heilige Rock das Gewand Jesu, schließlich habe niemand das Gegenteil bewiesen. „Aber eigentlich ist es auch egal, ob es das Original ist oder eine Legende.“ Wichtig sei, dass es die vielen Wallfahrer miteinander verbinde.
Das ist auch für die jüngeren Pilger in der Rheinhauser Gruppe von Bedeutung, für die „Heilig Rock“ einen ganz eigenen Klang hat. Er hätte als erstes an Musik gedacht, sagt Christian Biesemann mit einem Grinsen. Und auch Karina Göbel hat „erst Mal mit der Stirn gerunzelt. Aber dann wollte ich wissen, was dahinter steckt“. Ob das Gewand nun echt ist oder nicht, ist den beiden egal – und auch für Pfarrer Monier nicht so wichtig. „Wichtig ist die Atmosphäre hier, das Beten, die Gemeinschaft.“ Die sollte auch beim abendlichen Abschlussgottesdienst im Mittelpunkt stehen.
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Einem rein katholischen, übrigens. Denn obwohl die evangelische Kirche im Rheinland auch zur Wallfahrt aufgerufen hat und man in Rheinhausen eine lebendige Ökumene pflegt, hat sich zumindest dieser Gruppe kein Protestant angeschlossen. Aus katholischer Sicht vielleicht auch besser so – schließlich witzeln Protestanten seit der viel diskutierten Wallfahrtseinladung ihres Präses’ gern: „Die haben den Rock, aber wir den Schneider.“
Warum auch evangelische Christen zur Heilig-Rock-Wallfahrt pilgern lesen Sie hier.