Dortmund. . Hatte das Thüringer Terror-Trio Verbindungen ins Ruhrgebiet? Das Landeskriminalamt will nach den Döner-Morden nach möglichen weiteren Zusammenhängen rechtsradikaler Gewalttaten ermitteln. Vor allem Dortmund gilt als Schwerpunkt der Szene.
Warum gerade hier? Am 4. April 2006 erschossen Unbekannte den 39-Jährigen Mehmed Kubasik in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt. Die Bundesanwaltschaft glaubt an eine Tat der rechten Terrorgruppe rund um die mutmaßlichen Mörder Uwe B. und Uwe M. aus Thüringen.
Hatten die beiden Terroristen ihr Opfer in Dortmund zufällig ausgesucht? Wollten sie möglichst weit weg von der Heimat morden? Oder haben sie gezielt in Dortmund getötet? Gab es vielleicht einen Auftrag von Gesinnungsgenossen, gerade diesen Kioskbesitzer zu erschießen? Oder gab es vielleicht sogar andere Täter, denen die Terroristen die Tatwaffe nur ausgeliehen hatten?
Vierte Verhaftung
Geklärt ist keine dieser Fragen. Nur soviel ist sicher: die Polizei fand in den Trümmern der Wohnung der beiden rechtsradikalen Terroristen die Tatwaffe zu dem Dortmunder Mord. Nachdem sich die beiden Männer in einem Wohnmobil selbst erschossen haben. Ihre Komplizin Beate Z. sitzt im Gefängnis, sie schweigt. Sie hatte die gemeinsame Wohnung der Gruppe im sächsischen Zwickau gesprengt, bevor sie flüchtete und sich dann doch ergab. Der Bundesgerichtshof hat am Sonntagabend Haftbefehl gegen die 36-Jährige erlassen. Unter anderem wegen des dringenden Verdachts der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Die Ermittler vermuten, dass alle drei am Dortmunder Mord beteiligt waren. Denn es gibt da noch dieses Bekennervideo, das aus den Trümmern der gemeinsamen Wohnung geborgen wurde. In dem Video bekennen sich die Terroristen als Mitglieder der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“. Sie feiern den Mord am Dortmunder Mehmed Kubasik, und gestehen die Ermordungen von acht weiteren Männern im Rahmen der Döner-Morde. Sie gestehen die Ermordung einer jungen Polizistin in Heilbronn und den versuchten Bombenmord bei einem Nagelsprengsatz in Köln.
Am Sonntag wurde ein vierter Mann inhaftiert. Holger G. wird vorgeworfen, die Terrorgruppe unterstützt zu haben.
Zusammenhang mit dem Mord an Dortmunder Dönerladen-Besitzer?
Warum Dortmund? Die Frage kann derzeit keiner beantworten. Doch es wird gesucht. Das Landeskriminalamt teilt mit: Die Polizeibehörden würden nun koordiniert nach Zusammenhängen bei rechtsradikalen Gewalttaten suchen. Es gehe darum, „die Hintergründe ungeklärter Verbrechen aufzuhellen“.
Und da gibt es eine Menge zu tun. Dortmund ist seit langem einer der Schwerpunkte rechtsradikaler Kriminalität. Immer wieder wurde das Problem heruntergeredet und ignoriert. Dabei zählte das Dortmunder Antifa-Bündnis allein in den vergangenen Jahren über ein dutzend gewalttätiger Übergriffe. Angriffe mit Messern. Schlägereien. Und Morde. Bei einer Verkehrskontrolle in Dortmund und der anschließenden Verfolgung erschoss im Jahr 2000 ein 31-jähriger Nazi drei Polizisten. In Olfen wurde der Nazi kurze Zeit später tot in seinem Wagen gefunden. In der rechtsradikalen Szene Dortmunds tauchten anschließend Flugblätter auf. Darauf der Slogan: „3:1 für Deutschland.“
Doch nicht erst dieser Angriff zeigt die rechtsradikale Gewalt in Dortmund. Die Spuren führen über die Grenzen. Zu einem weitverzweigten Netzwerk rechtsradikaler militanter Kräfte, die nichts anderes im Sinn haben, als unsere Demokratie zu stürzen.
Am 2. Februar 2007 schoss der Rechtsradikale Robin S. einen Ausländer in einer Plus-Filiale in Dortmund-Brechten nieder. Bei den Ermittlungen geriet der Lüner Neonazi Sebastian S. ins Blickfeld. Dieser Gewalttäter hatte die Dortmunder Szene nicht nur mit Waffen und Sprengstoff versorgt. Er hielt auch den Kontakt zum internationalen „Blood and Honour“-Netzwerk. Er zog deswegen sogar nach Belgien, baute die Kontakte nach Holland auf. Das „Blood and Honour“ Netz war für seine internationalen Waffengeschäfte bekannt. Holländische Ermittler fanden in den vergangenen Jahren hunderte Waffen. Sebastian S. flog erst auf, als herauskam, dass er auch auf der Honorarliste des Verfassungsschutzes stand.
RechtsradikalePropaganda
Aber auch für rechtsradikale Propaganda ist Dortmund bekannt. Konzerte der Naziband „Oidoxie“ locken Nazis aus ganz Deutschland nach Dortmund. Waffenhändler Sebastian S. hatte exzellente Verbindungen zur Band.
Das ist nicht alles: Auch das Datum des Mordes an Mehmed Kubasik kann interessant für die Fahnder sein. Kubasik wurde am 4. April 2006 getötet. Ein Jahr zuvor hatte der Neonazi Sven K. den Punker „Schmuddel“ in der Dortmunder S-Bahn erstochen. Sven K. wurde wegen Totschlags zu sieben Jahren Haft verurteilt. Jedes Jahr Ende März oder Anfang April kommen nun in Dortmund Antifaschisten zusammen, um an den Nazimord an „Schmuddel“ zu erinnern. Und jedes Jahr sammeln die Neonazis ihre Unterstützer, um an die „heroische Selbstverteidigung ihres Kameraden Sven K.“ zu erinnern. Dieser habe den unbewaffneten Punker in Notwehr erstochen, so ihre These. Totschläger Sven K. ist heute - nach ein paar Jahren Haft - wieder frei. Er hält Kontakte zur rechtsradikalen „Skinheadfront Dorstfeld“. Augenzeugen haben ihn bei einem Nazi-Angriff auf die Dortmunder Kneipe Hirsch-Q identifiziert. Es gibt ein Überwachungsvideo, auf dem die bewaffnete Attacke zu sehen war. Zwei der Kneipen-Gäste werden niedergestochen.
Die Dortmunder Ermittler haben bislang keinen Verdächtigen ausgemacht.