Mülheim. Der Lkw-Fahrer, der betrunken den Tanklaster-Brand auf der A 40 verursacht hat, entschuldigte sich vor dem Amtsgericht Mülheim für die Tat.
„Ich hatte Todesangst“, noch immer träume er von dem Unfall und erinnere sich ganz genau an jene Sekunden, die sein Leben hätten kosten können – am 17. September, um 13.20 Uhr, auf der A 40, kurz hinterm Kreuz Kaiserberg, als in Höhe Mülheim-Styrum ein 42-Jährige Lkw-Fahrer mit 1,77 Promille im Blut die Kontrolle über seinen Tanklaster verlor, mit dem Nissan von Dieter B. kollidierte und gegen eine Betonleitplanke knallte: „Ich habe den Tanker nur kippen sehen und dachte: Ich sterbe gleich“, erzählt der 62-Jährige vor dem Amtsgericht Mülheim. Der Tanklaster ging an jenem Sommertag sofort in Flammen auf. Dieter B. schaffte es nur mit Hilfe von zwei Männern aus seinem zerstörten Fahrzeug. Der Essener Unfallfahrer konnte sich selbst befreien. Vor dem Mülheimer Schöffengericht musste er sich gestern wegen fahrlässiger Verkehrsgefährdung, fahrlässiger Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten.
Die Folgen des Unfalls spürten Auto- und Bahnfahrer Monate. Die Deutsche Bahn musste mehrere Behelfsbrücken errichten. Immer wieder wurden die Bahnstrecke und die A 40 für die Arbeiten gesperrt. Der finanzielle Schaden beläuft sich auf etwa 14 Millionen Euro.
Geständnis zu Beginn der Verhandlung
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Der Angeklagte legte zu Beginn der Verhandlung ein Geständnis ab. Bei Dieter B. entschuldigt er sich. „Ich wollte Sie durch meine Dummheit nicht verletzen.“ Ihm falle es schwer, die richtigen Worte zu finden. „Aber ich entschuldige mich von Herzen.“ Dieter B., der bei dem Unfall eine Schulterverletzung davontrug, die noch heute nicht ganz ausgeheilt ist, 13 Monate krank geschrieben war und noch immer in psychologischer Behandlung ist, nahm die Entschuldigung an. „Ein Unfall kann passieren. Als ich das mit dem Alkohol gehört habe, da war ich wütend.“
Mit zumeist gesenktem Blick verfolgt der Angeklagte die Verhandlung, hört dem Staatsanwalt zu, als dieser dessen Vorstrafen aufzählt: 2006 und 2010 verlor der gebürtige Kasache, der seit 1994 in Deutschland lebt, jeweils seinen Führerschein wegen Trunkenheitsfahrten. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt – wegen Alkohol am Steuer. Eine Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung läuft noch bis 2023. Hinzu kommen Tempoverstöße, die in der Flensburger Verkehrssünderdatei aufgeführt sind. Seinen Lkw-Führerschein machte er 2018. Zuvor hatte der gelernte Restaurantfachmann verschiedene Jobs, war auch in der Textilbranche selbstständig tätig, wie er sagt.
Alkoholabhängig seit Jahrzehnten
Vom Alkohol losgekommen ist er bis zum Laster-Unfall nie über einen längeren Zeitraum. Seit seinem 19. Lebensjahr habe er getrunken, sagt er. Schicksalsschläge wie der frühe Krebstod eines Freundes oder der Tod seines Vaters hätten ihn immer wieder aus der Bahn geschmissen. Im Sommer 2020 habe dann seine Freundin eine Fehlgeburt erlitten. Dies habe er nicht verkraftet, seine Freundin sei depressiv geworden, „das war nicht auszuhalten“. Vor dem Unfall habe er „zehn Tage durchgesoffen“, am Abend zuvor anderthalb Wodka-Flaschen.
„Ich hatte nur drei Stunden geschlafen, bin mit dem Bus zur Arbeit gefahren, habe das Fahrzeug kontrolliert, bin zum Tanklager gefahren und dann auf die Autobahn“, schildert der 42-Jährige die Stunden vor dem Unfall. Plötzlich habe es einen lauten Knall gegeben. „Ich habe die Tür mit den Füßen aufgedrückt, bin rausgefallen und habe nach hinten geguckt, da sah ich die Flammen.“ Er habe noch einige Gegenstände aus dem Lkw retten wollen, aber dafür sei keine Zeit mehr gewesen. Barfuß habe er sich neben eine Betonsäule gesetzt.
Mehrmonatiger Entzug auf eigenem Bestreben
Nach dem Unfall hat der Angeklagte „von sich aus“, wie sein Verteidiger André Wallmüller in seinem Plädoyer betonte, einen mehrmonatigen Entzug gemacht. Er habe einen Job als Lagerarbeiter angenommen, „obwohl er weiß, dass ihm alles verpfändet werden wird“. Auch die Bewährungshelferin des Angeklagten sieht eine gute Sozialprognose, wenn er nicht rückfällig wird. Seine Taten habe er immer im betrunkenen Zustand begangen.
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Strafverteidiger Wallmüller beantragte eine erneute Bewährungsstrafe, mit der Auflage einer weiteren Therapie. Dass er zu verurteilen sei, stehe außer Frage. Aber zu fragen sei auch: „Wie kann ein Schwerstalkoholiker überhaupt so einen Lkw steuern?“ Warum wurde der Angeklagte nicht von seiner Firma kontrolliert?
Für die Urteilsfindung spielten diese Fragen keine Rolle. Dem Angeklagten sei zugute zu halten, dass er „geständig und reuig“ ist und den Entzug durchgezogen hat, so das Gericht, das der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen folgte. Es überwiege, dass der Angeklagte bei der Tat „unter Bewährung“ stand und es bereits Trunkenheitsfahrten gab.
Der Angeklagte sprach in seinem Schlusswort von einer „großen Dummheit“, die er begangen hat. Der Unfall sei für ihn „sehr beschämend.“ Er wolle alles tun, um nicht rückfällig zu werden. Nach der Urteilsverkündung – ein Jahr, neun Monate ohne Bewährung und Entzug der Fahrerlaubnis für fünf Jahre – kündigte der Verteidiger an, in Berufung gehen zu wollen.