Ruhrgebiet. Immer mehr Einzelhändler setzten auf digitale Bodensensoren als Parkwächter. Parksündern drohen satte Knöllchen von 25 Euro und mehr.
Parkscheibe ist out, Sensor ist in: Immer mehr Discounter im Ruhrgebiet setzen auf eine elektronische Parkraum-Überwachung, auf digitale Parkwächter. Anfang des Monats etwa rüsteten Lidl und Netto in Duisburg zwei Filialen, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen, mit der neuen Bodensensoren-Technik aus. Die Düsseldorfer Firma „Safe Place“ kontrolliert und kassiert als externer Dienstleister auf beiden Parkplätzen.
Die digitalen Bodensensoren sehen aus wie ein olles, plattgequetschtes Pommesschälchen aus Metall. Aber sie registrieren auf die Sekunde genau, wann ein Auto auf einen Stellplatz fährt und wann es ihn wieder verlässt – per Magnetstreifen. Wer die erlaubte Parkzeit überschreitet, muss zahlen; bis zu 30 Euro, die Höhe variiert. In Duisburg wird nach 60 Minuten „eine Vertragsstrafe“ von 19,90 Euro zuzüglich 4,90 Euro Bearbeitungsgebühr fällig. Ein Mitarbeiter von „Safe Place“, zuständig für mehrere Parkplätze, wird per App über das Vergehen informiert, rückt an und schreibt das Knöllchen.
„Die Parkscheibe ist nicht mehr zeitgemäß“
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„Parkraumbewirtschaftung mittels Parkscheibe ist einfach nicht mehr zeitgemäß“, erklärt Dr. André Westhoff (42), Geschäftsführer von „Safe Place“. „Im Eifer des Gefechts“ vergäßen zu viele Autofahrer, die Parkscheibe einzustellen und auszulegen. Eine „echte Crux“ sagt er. Denn so wolle der Einzelhändler, der sich ja nur gegen Falschparker zu wehren versuche, mit seinen Kunden nicht mehr umgehen. Tatsächlich ist die elektronische Überwachung der Parkplätze auch weniger personalintensiv als die frühere Parkscheiben-Methode, als echte, menschliche Parkwächter laufend die geparkten Pkw ablaufen und die Parkscheiben kontrollieren mussten.
„Safe Place“ rüstete bereits 400 Parkplätze aus, „Park & Control“ 12.000 Stellplätze
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Vor rund 15 Jahren wurden die Bodensensoren in Australien und Neuseeland entwickelt, seit gut einem Jahr findet man sie auch in Europa. Allein „Safe Place“ hat bundesweit bereits 100 Parkplätze damit ausgestattet (sowie weitere 300 in der Schweiz) ; und es gibt weitere Anbieter, etwa das Stuttgarter Unternehmen Park & Control (PAC). „Das Interesse ist riesengroß, die Tendenz ist steigend“, sagt Westhoff. Im Ruhrgebiet arbeite man vor allem mit der Aldi-Gruppe zusammen, aber auch „erste Vollsortimenter“ hätten schon Interesse angemeldet, zudem „einige Baumärkte“. Einzelhändler, die die Sensoren bereits auf einem Parkplatz installiert hätten, wollten rasch mehr: „Wir haben durchweg positive Roll-Out-Erfahrungen“, so Westhoff. Über weitere Standorte und die Kosten der Umrüstung eines Parkplatzes auf Sensortechnik mag er nichts sagen. Für die 200 Stellplätze des „Lippe Carrées“ in Hamm soll Presseberichten zufolge „ein hoher fünfstelliger Euro-Betrag“ fällig gewesen sein.
Die Nachfrage nach der neuen Technologie sei groß, besonders der Handel reagiere „sehr interessiert“, heißt es auch bei Park & Control. Die Firma hat Anfang diesen Jahres begonnen, die Sensortechnologie unter dem Titel „Parkraummanagement 2.0“ bundesweit einzuführen – „um das Parkerlebnis noch komfortabler und fairer zu gestalten“, wie das Unternehmen auf Anfrage dieser Zeitung erklärt. Man betreibe derzeit 12.000 Stellplätze mit der neuen Technik, auch in NRW, unter anderem in Essen, Duisburg und Herne. Das Stuttgarter Unternehmen verspricht: „Das wirkt sich signifikant auf das Einkaufserlebnis vor Ort aus.“
Kunden und Verbraucherzentrale srogen sich um den Datenschutz
Manche Kunde sehen das anders, nicht alle sind begeistert. Einige sprechen von Abzocke, andere fürchten um ihren Datenschutz. Viele kritisieren die Fremd-Überwachung von Supermarkt-Plätzen grundsätzlich. Und nicht nur für den Duisburger Familienvater und Lidl-Kunden Harald Crößmann ist der Einkauf innerhalb einer Stunde schlichtweg „nicht machbar“.
Die Verbraucherzentrale NRW erklärt auf Anfrage, sie verstände, dass sich Kunden über die „neue Härte“ ärgern. „Das drohende Kosten-Risiko bei Überschreiten der zulässigen Parkdauer muss bereits beim Befahren des Parkplatzes klar deutlich werden. Die wesentlichen Parkregeln und die drohende Strafe müssen auf einen Blick für den Verbraucher erkennbar sein“, so Rechtsanwältin Christine Steffen.
ADAC: Das ist keine Kunden-Abzocke
Knöllchen zahle niemand gern, sagt Westhoff. „Das kennen wir aus dem Straßenverkehr.“ Der Datenschutz allerdings sei gewährt. „Unsere Sensoren erkennen nur, da steht ein Auto oder da steht kein Auto. Das Kennzeichen wird nicht registriert.“
Der ADAC, der über 20 Millionen Autofahrer vertritt, hat nichts gegen Parksensoren einzuwenden – „wenn die technische Einrichtung datenschutzrechtlich abgeklärt wurde“. Thomas Müther, Leiter der Kommunikation beim ADAC Nordrhein, erklärt: „Die erfasste Parkzeit kann sogar nachvollziehbarer erfasst werden als zum Beispiel händisch über einen Mitarbeiter des Parkraumbewirtschafters.“ Er weist zudem darauf hin, dass Supermarktketten mit dem Einsatz privater Parkraumbewirtschafter „keine Kunden abzocken, sondern Falsch- und Fremdparker aussperren“ wollten, „so dass der Parkdruck reduziert wird und mehr Parkplätze für tatsächliche Kunden zur Verfügung stehen“.
Sensortechnik könnte auch helfen, Feuerwehrzufahrten frei zu halten
Gerade in Ballungsgebieten oder innerstädtischen Lagen“ würden Parkplätze oft „missbräuchlich genutzt zum Beispiel durch Dauerparker oder „Park & Ride“-Pendler“, bestätigt Julia Denkert vom Presseteam der Edeka Rhein-Ruhr. In einem Mietobjekt in Hamm teste man zurzeit die Sensortechnik – als kundenfreundliche Möglichkeit, Dauerparker zu identifizieren. Denkert: „Kundenfreundlich heißt, dass die Parkscheibe auch mal vergessen werden kann, da der Sensor die Zeit des Parkens misst. Widerrechtliches Parken wird minutengenau erfasst und somit fällt die Geldstrafe auch entsprechend geringer aus.“ Wenn Parkflächen für die eigenen Kunden durch illegale Dauerparker massiv eingeschränkt würden und keine personellen Ressource vorhanden seien, um Kontrollen in Eigenregie durchzuführen, müsse man auf externe Dienstleister zurückgreifen.
„Safe Place“-Geschäftsführer Westhoff lobt in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, die erlaubte Parkzeit mittels der Sensoren „standortspezifisch anzupassen“: Wo nur ein Discounter stünde, reichten in den Regel 60 Minuten, um seine Einkäufe zu erledigen. Wo ein Bäcker daneben zu einem Päuschen nach dem Shoppen einlade, dürften es gern 90 sein. Bodensensoren erlaubten dem Einzelhandel zudem, wenn das Geschäft geschlossen ist, die Parkplätze an die Nachbarschaft zu vermieten „und das ordentlich abzuwickeln“. In Berlin experimentiere man gerade mit dieser Variante. Im Essener Süden gebe es zudem erste Tests mit einer großen Wohnungsbaugesellschaft, die die Feuerwehrzufahrten ihrer Gebäude mit der Technik ausrüsten will. „Nachts, wenn kein Hausmeister mehr unterwegs ist, schlagen die Sensoren dann Alarm. Wenige Minuten, nachdem die Zufahrt zugeparkt wurde.“
>>>>>Info: Parkraumbewirtschaftung: Die rechtliche Lage
Wer sein Fahrzeug auf einem Kundenparkplatz abstellt, geht durch sog. konkludentes Handeln ein Vertragsverhältnis ein, erklärt der ADAC.
Die Geschäftsbedingungen müssten auf dem Parkplatz angeschlagen werden. An die Sichtbarkeit der Beschilderung mit den AGB würden meist aber nur geringe Anforderungen gestellt. Dem Parkenden würde in der Regel zudem zugemutet, dass er sich nach entsprechenden Schildern umschaut.