Essen. Ein Programm für alle: Essen ist 2017 „Grüne Hauptstadt Europas“. Über 200 Bürgerprojekte sind geplant. Im Grugapark ist am Wochenende Eröffnung.

Dass Essen die drittgrünste Großstadt Deutschlands ist, braucht man Petra Fiedler nicht zu erzählen. Auch nicht, dass es 26 renaturierte Bach- und Flussläufe gibt – und 376 Kilometer Radwege. Was die „Grüne Hauptstadt 2017“ für Petra Fiedler vor allem ausmacht, ist das Konzept der Bürgerbeteiligung. Im Essener Siepental engagiert sich die 56-Jährige seit Jahren in einem Gemeinschaftsgarten, von denen es inzwischen schon elf in der Stadt gibt.

„Ich finde es toll, dass die Bürgerinnen und Bürger die Chance haben, ihr grünes Umfeld neu zu entdecken und wertzuschätzen“, sagt die Hobby-Gärtnerin. „Die Wildnis, die Wunder und Schönheiten der Natur liegen eigentlich vor jeder Tür, man muss nur ein Auge für sie haben. Wenn die Grüne Hauptstadt das bei den Menschen bewirkt, wäre es klasse.“

Bürger schaffen Nistplätze für Fledermäuse

Hobby-Gärtnerin Petra Fiedler (56) beteiligt sich mit einem Bürgerprojekt im Gemeinschaftsgarten im Essener Siepental.
Hobby-Gärtnerin Petra Fiedler (56) beteiligt sich mit einem Bürgerprojekt im Gemeinschaftsgarten im Essener Siepental. © Felix Heyder

Über 200 Bürgerprojekte werden im Rahmen der „Grünen Hauptstadt 2017“ umgesetzt. Dabei geht es vor allem um nichtkommerzielle Ideen. Bedingung: Sie müssen für jeden erreichbar und nachhaltig sein. Die Essener haben kreative Vorschläge eingereicht: Die einen entwerfen ein Insektenhotel, andere bauen Möbel aus Sperrmüll, wieder andere schaffen Nistplätze für Fledermäuse.

Ein Klangkünstler produziert mit Unterwassermikrofonen eine Soundcollage in Ruhr und Emscher. Am 2. Juli ist der Innenstadt-Ring autofrei, und im September wird die Altendorfer Straße mittels Pflanzkisten zum längsten Garten des Reviers.

Hochbeete für Ältere im Gemeinschaftsgarten

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Auch im Gemeinschaftsgarten von Petra Fiedler und ihren Mitstreitern wurde ein Bürgerprojekt bewilligt. „Wir bauen Hochbeete für Ältere, die sich beim Gärtnern nicht mehr so gut bücken können“, berichtet sie. 1000 Euro gibt das Projektbüro dazu. Kurse zu bestimmten Gartenthemen („zum Beispiel, wie man Saatgut gewinnt“) sind ebenfalls geplant. Und es soll einen Sensenkurs geben, damit die Streuobstwiese in der Nähe von Hand gemäht werden kann.

„Gemeinschaftsgärten sind für mich Stadtteilzentren unter freiem Himmel“, sagt Petra Fiedler. „Menschen kommen zusammen, man ist in der Natur, und das mitten in der Stadt.“ Sie erzählt von den besonderen Naturerfahrungen, die sie hier regelmäßig macht: Mal sieht sie eine besondere Libelle, mal kommt ein Igel vorbei...

Der Borbecker Mühlenbach fand sein Bett wieder

Der Krupp-Park ist ein beliebter Freizeitort geworden.
Der Krupp-Park ist ein beliebter Freizeitort geworden. © Knut Vahlensieck

In Essen ist in Sachen Grün in den vergangenen Jahren viel passiert: Im Stadtteil Altendorf entstand der Niederfeldsee, der Borbecker Mühlenbach hat sein altes Bett wiedergefunden, das neue Universitätsviertel „Grüne Mitte“ wurde rund um einen Wasserlauf geplant. Im Krupp-Park, ebenfalls mit See, erinnert nichts mehr an alte Industriezeiten, und von der Dachterrasse der Zeche Zollverein blickt man inzwischen mehr auf Baumwipfel als auf Hausdächer, weil es die Natur jedes Jahr stärker gen Himmel treibt.

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Zwar machte Orkan Ela 2014 ziemlich viel kaputt, vor allem oberhalb des Baldeneysees im Schellenberger Wald, der den Sturmböen gnadenlos ausgesetzt war. Aber gerade diese Herausforderung erwies sich bei der Bewerbung um die „Grüne Hauptstadt“ als Trumpf.

Das Budget beträgt 16,25 Millionen Euro

Mit der Wiederaufforstung und dem Emscher-Umbau sammelte das Team um Umweltdezernentin Simone Raskob entscheidende Punkte, um die Mitbewerber auszustechen. Am Budget von 16,25 Millionen Euro beteiligt sich die Stadt mit fünf Millionen.

Essen hat 376 Kilometer Radwege.
Essen hat 376 Kilometer Radwege. © Ralf Rottmann

Oberbürgermeister Thomas Kufen möchte mit den Investitionen rund um die „Grüne Hauptstadt“ die „Stadt noch lebenswerter machen“. Dass man bald im Baldeneysee wieder baden darf, am Seaside Beach Baldeney, kommt bei vielen Essenern gut an. Auch EU-Kommissar Karmenu Vella lobt in einem Interview die Lebensqualität in der Stadt.

Doch es gibt noch mehr ambitionierte Ziele: Im Jahr 2020 soll jeder Einwohner nicht weiter als 500 Meter zum nächsten Grün laufen müssen. „Nachhaltigkeit“ ist der entscheidende Begriff. Übers Jahr verteilt sind verschiedene Fachtagungen und Kongresse geplant.

Freiwillige werden weiterhin gesucht

Die Eröffnungsfeier zur Grünen Hauptstadt Europas

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    Wie schon bei der Kulturhauptstadt 2010 sollen Scharen von Freiwilligen mithelfen, den Slogan „Erlebe dein Grünes Wunder“ wirklich mit Leben zu füllen. Noch werden „Volunteers“ gesucht, rund 180 Helfer zählt das Projektbüro bis jetzt.

    Der Film zum Jubeljahr ist auch schon fertig: Multikopter-Pilot Johannes Kassenberg und Filmemacher Frank Bürgin zeigen die grüne Stadt aus der Vogelperspektive. Ihre Dokumentation, deren Trailer bereits einen Vorgeschmack auf atemberaubende Ausblicke liefert, feiert am 22. Februar in der Lichtburg in Essen Premiere. Petra Fiedler wird dabei sein.

    >> SO WIRD DIE ERÖFFNUNG GEFEIERT

    Das Eröffnungsfest ist am Samstag, 21. Januar, von 17.30 bis 22 Uhr und am Sonntag, 22. Januar, von 16 bis 20 Uhr im Grugapark (Norbertstr. 2) in Essen.

    Der Eintritt kostet kein Geld, man soll aber eine gebrauchte Plastiktüte mitbringen. Die Tüten werden für ein Kreativprojekt verwendet.

    Das Programm des Kultur- und Familienfests umfasst 35 Einzelaktionen, darunter Tanz, Theater, Licht- und Klanginstallationen sowie Ausstellungen. Das Theater Anu lädt in einen Irrgarten aus Tausenden Lichtern, Schauspieler wagen sich aufs Dach des Gradierwerks und in der „Schnippeldisko“ gibt’s Gemüsesuppe.

    Mehr zum Programm lesen Sie hier.

    Infos finden Sie im Internet auf www.essengreen.capital und auf der Facebook-Seite der „Grünen Hauptstadt“.