Berlin. Energydrinks wie Red Bull oder Monster werden auch bei Kindern immer beliebter. Ein Kardiologe erklärt, wie gefährlich das sein kann.
Energydrinks beinhalten meist viel Koffein. So viel, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung vor dem übermäßigen Konsum warnt. Dr. Felix S. Oberhoffer ist Kinderkardiologe am LMU Klinikum München. Gemeinsam mit Kollegen hat er eine von der Deutschen Herzstiftung unterstützte Studie zu den Folgen des Konsums für Kinder und Jugendliche unternommen. Darüber hinaus war er an mehreren internationalen Forschungsprojekten zu diesem Thema beteiligt.
Im Interview erklärt der Kardiologe, was die Mediziner herausgefunden haben und warum er den Verkauf der Getränke einschränken würde.
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Herr Dr. Oberhoffer, warum haben Sie die Folgen des Konsums von Energydrinks für Kinder und Jugendliche so intensiv erforscht?
Felix S. Oberhoffer: Bevor wir unsere Studie angefangen haben, gab es bereits Fallberichte in der Literatur, die den Konsum von Energydrinks mit unerwünschten Auswirkungen für das Herz-Kreislauf-System bei Kindern und Jugendlichen assoziiert haben. Und dann hatten wir diesen Behandlungsfall in unserer Klinik. Eine Jugendliche hatte große Mengen an Energydrinks getrunken und war dann in ihrer Schulklasse wegen einer schwerwiegenden Herzrhythmusstörung kollabiert. Sie ist daran verstorben. Das hat uns sehr beschäftigt. Wir wollten systematisch untersuchen, wie sich diese Getränke wirklich auf das Herz-Kreislauf-System von Kindern und Jugendlichen auswirken.
Was würden Sie sagen: Ab welcher Menge wird es für Kinder und Jugendliche gefährlich?
Oberhoffer: Also in unserer Studie haben wir die maximal als unbedenklich erachtete Koffein-Tageshöchstdosis für Kinder und Jugendliche verwendet. Kinder und Jugendliche dürfen laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit pro Tag drei Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Das heißt: Ein Jugendlicher, der 50 Kilogramm wiegt, darf pro Tag 150 Milligramm Koffein zu sich nehmen. Das entspricht etwa 500 Milliliter Energydrink. Und selbst bei dieser Menge, die offiziell als unbedenklich eingestuft wird, haben wir unerwünschte Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System festgestellt. Diese Grenze sollte also noch mal überdacht werden.
Was waren diese Auswirkungen?
Oberhoffer: Einerseits konnten wir zeigen, dass der Blutdruck nach dem Konsum signifikant höher ist. Und was uns selbst erstaunt hat - nicht nur für ein paar Stunden. Nach dem Konsum von einem Energydrink in den Morgenstunden war der Blutdruck für 24 Stunden höher. Man kann sich vorstellen, dass das Herz-Kreislauf-Risiko maßgeblich ansteigen kann, wenn man diese Getränke chronisch zu sich nimmt. Der zweite Aspekt war, dass die Kinder auch signifikant kürzer geschlafen haben, zirka eine Dreiviertelstunde pro Tag. Und der dritte Aspekt war, dass die Kinder auch zu leichten Herzrhythmusstörungen neigten.
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Sie warnen vor allem vor den Kombinationen von Energydrinks und Alkohol sowie Energydrinks und Sport. Warum?
Oberhoffer: Weil wir systematisch an Fallberichten in der Literatur untersucht haben, wann unerwünschte Herz- Kreislauf-Reaktionen im Besonderen auftreten. Und dabei ist aufgefallen: Hatten Kinder und Jugendliche vor dem Konsum von Energydrinks Sport gemacht oder simultan auch Alkohol oder andere Drogen zu sich genommen, kam es besonders oft zu unerwünschten Auswirkungen. Der Konsum mit Alkohol beispielsweise erhöht das Risiko für Herzrhythmusstörungen.
Sie haben auch eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen ermittelt, die diese Getränke aus Gründen des Gesundheitsschutzes überhaupt nicht zu sich nehmen sollten.
Oberhoffer: Viele wissen, dass diese Getränke ungesund sind und wir sie eigentlich gar nicht trinken sollten. Aber wenn man darauf partout nicht verzichten kann, dann sagen wir: Insbesondere Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen, also Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht oder Herzrhythmusstörungen, sollten wirklich schauen, dass sie diese Getränke nicht zu sich nehmen.
Mit ihrem Wissen über die Folgen: Würden Sie den Verkauf von Energydrinks regulieren?
Oberhoffer: Unsere Meinung ist klar. Wir würden eine Altersregulierung begrüßen: Verkauf nur an Volljährige. Weil es unsere gesellschaftliche Aufgabe ist, unsere Kinder vor ungesunder Ernährung zu schützen beziehungsweise alles daran zu setzen, dass Kinder und Jugendliche einen gesunden Lebensstil mit auf den Weg bekommen. Andere Länder haben das schon geschafft, Lettland etwa oder Tschechien. In Deutschland tut man sich wahnsinnig schwer, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die die Gesundheit unserer Bevölkerung verbessern und mit denen sich dementsprechend auch die Beiträge zu den Krankenkassen senken ließen. Das ist manchmal frustrierend.
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Verbote sind für Kinder und Jugendliche oft interessant. Wie würden Sie ihnen erklären, dass sie Energydrinks lieber nicht trinken sollten?
Oberhoffer: Die Getränke sind, das kann man schon sagen, Lifestyle-Produkt. Die Dosen sind bunt, die Getränke werden von Extremsportlern zu sich genommen. Sportevents werden mit diesen Getränken vermarktet. Das sind wesentliche Faktoren, warum diese Getränke so beliebt sind bei Kindern und Jugendlichen. Ich würde mein Kind fragen, warum es Energydrinks zu sich nehmen will. Viele Jugendliche trinken sie zum Beispiel vor allem zum Sport und erhoffen sich dadurch einen Leistungszuwachs. Dieser ist aber wissenschaftlich nicht nachweisbar. Und zweitens würde ich mit meinen Kindern auch besprechen, was bei einem hochgradigen Konsum passieren kann und insbesondere auf die Risikofaktoren eingehen. Ich glaube, dass Aufklärung ganz wichtig ist.
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Sie haben die Folgen des Konsums von Energydrinks für einen jüngeren Organismus untersucht. Gibt es auch Erkenntnisse zu den Folgen für Erwachsene?
Oberhoffer: Dazu gibt es sogar mehr Erkenntnisse. Die ersten Studien waren mit erwachsenen Probanden. Und dabei hat sich gezeigt, dass der Konsum von Energydrinks auch bei Erwachsenen mit Bluthochdruck assoziiert ist und mit Rhythmusstörungen des Herzens.