Berlin. Gesundheitsfördernd oder völlig überbewertet? Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl erklärt, ob Activia hält, was die Werbung verspricht.
Probiotische Lebensmittel gelten schon lange als Booster für die Gesundheit. Produkte wie Joghurt, Kefir oder fermentiertes Gemüse sind reich an lebenden Mikroorganismen, die unsere Darmflora unterstützen und das Immunsystem stärken. Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse können sie sogar die Psyche beeinflussen. Kein Wunder also, dass probiotische Lebensmittel bei gesundheitsbewussten Menschen hoch im Kurs stehen. Das haben auch Unternehmen erkannt: Der Markt ist prall gefüllt mit Probiotika-haltigen Angeboten. Eines davon: Activia.
Activia: Was steckt hinter der Joghurtmarke?
Unter dem Namen Activia sind in Deutschland seit 1987 verschiedene probiotische Joghurts erschienen, darunter beispielsweise der Activia Joghurt Natur, verschiedene Fruchtjoghurt-Sorten, eine Variante mit Cerealien und eine rein pflanzliche Variante. Laut der Webseite des Herstellers Danone sollen die Activia-Sorten „einzigartig“ sein und „nicht einfach nur ein Joghurt“. Als besonders stellt das Unternehmen unter anderem die Verwendung von fünf Joghurtkulturen heraus, darunter auch sogenannte Bifidus-Kulturen. Enthalten seien in der Sorte Activia Cerealien, außerdem „wertvolle Ballaststoffe“, in den Activia-Frucht-Sorten „erlesene Fruchtstückchen“.
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Doch was sagen diese Angaben des Herstellers wirklich aus? Was unterscheidet Activia von herkömmlichen Naturjoghurts? Und was darf man erwarten, wenn man Produkte wie Activia regelmäßig zu sich nimmt? Das fragen wir den Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl.
Experte: „Belege für die Effektivität von fünf Joghurtkulturen fehlen“
Bei Activia handelt es sich um einen probiotischen Joghurt. Das bedeutet, dass er lebende Mikroorganismen enthält. „Grundsätzlich können diese Mikroorganismen, also Bakterienkulturen, die Darmgesundheit positiv beeinflussen. Sie können beim Wachstum gesunder Darmbakterien unterstützen und können auch zur Verbesserung der Darmbarriere und zum Schutz vor schädlichen Keimen beitragen“, erklärt Matthias Riedl.
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Danone wirbt damit, dass in den Activia-Joghurts nicht nur zwei Joghurtkulturen enthalten sind, wie es in vielen anderen Joghurts der Fall ist, sondern gleich fünf. „Jede Kultur spielt eine bestimmte Rolle während des Fermentationsprozesses. Diese spezielle Kombination ergibt einen Joghurt mit einem weichen und cremigen Geschmack“, erklärt der Hersteller auf Anfrage. Gut zu wissen: Einen gesundheitlichen Nutzen hat dieser Mix aus Kulturen darüber hinaus nicht: Wissenschaftliche Belege, dass diese spezifische Kombination von fünf Joghurtkulturen effektiver für die Verdauung ist als die in anderen Naturjoghurts üblichen Kulturen (meist Lactobacillus bulgaricus und Streptococcus thermophilus), fehlen laut Riedl.
Bifidus-Kulturen in Activia: Nutzen nachgewiesen oder bloßes Marketing?
Ein weiteres Herausstellungsmerkmal von Activia ist laut Danone die Nutzung besonderer sogenannter Bifidus-Kulturen (Bifidobacterium animalis DN 173 010, der vom Hersteller unter dem Markennamen Bifidus ActiRegularis® vermarktet wird). Diese werden in Werbebotschaften oft erwähnt, da sie den Darm lebend erreichen und potenziell positive Effekte auf die Darmflora haben können. „Dennoch sind die wissenschaftlichen Belege für diese Effekte begrenzt und variieren je nach Person und allgemeiner Ernährung“, so Riedl.
Von Danone heißt es dazu: „In einer klinischen Studie konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass durch den Verzehr von Activia das gastrointestinale Wohlbefinden verbessert wurde.“ Gastrointestinal bedeutet den Magen-Darm-Trakt betreffend. Zudem zeige laut Hersteller eine Metaanalyse, dass der Konsum von fermentierten Lebensmitteln mit Bifidus-Kulturen mit einer „moderaten, aber konsequenten und signifikanten Verbesserung gastrointestinaler Beschwerden bei gesunden Erwachsenen“ verbunden ist.
„Diese Studien haben die Wirkung von fermentierter Milch, die das Probiotikum Bifidobacterium lactis CNCM I-2494 enthält, untersucht. Nicht die Wirkung von Activia-Joghurt“, so Riedl. „Grundsätzlich sagen sie aus, dass probiotische Produkte für Personen mit leichten gastrointestinalen Beschwerden vorteilhaft sein könnten. Ich sehe das jetzt nicht als einen besonderen Grund, Activia zu kaufen, sondern, um generell probiotische Lebensmittel zu essen.“ Dazu gehören neben Naturjoghurt zum Beispiel auch Kimchi, Kombucha oder Sauerkraut.
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Calcium: Wie viel steckt in Activia?
Der Calcium-Gehalt wird bei Activia zwar nicht besonders beworben, ist aber auf den Bechern angegeben: 120 Milligramm Calcium pro 100 Gramm. Calcium ist essenziell für den Erhalt starker Knochen und Zähne sowie eine gesunde Muskel- und Nervenfunktion. Wir bitten unseren Experten, den Gehalt einzuordnen. „Der Calcium-Gehalt von Activia ist vergleichbar mit dem Gehalt anderer Naturjoghurts“, erklärt Riedl. So liefert zum Beispiel der Naturjoghurt von Weihenstephan mit 1,5 Prozent Fett beispielsweise 178 Milligramm Calcium pro 100 Gramm – und damit sogar mehr als Activia.
Anteile an Früchten und Ballaststoffen: Marketing vs. Realität
Neben den Bifidus-Kulturen sind auch Ballaststoffe und der Fruchtanteil Bestandteil der Werbung rund um Activia. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass die tatsächlichen Mengen pro Becher eher gering ausfallen. Ein Becher der Sorte Activia Cerealien enthält 1,15 Gramm Getreide und damit 1,4 Gramm Ballaststoffe. Umgerechnet ist das weniger als ein Viertel Esslöffel Getreide. „Der Ballaststoffgehalt von 1,4 Gramm entspricht gerade einmal rund fünf Prozent des täglichen Bedarfs eines Erwachsenen“, so Riedl.
Auch beim Fruchtanteil zeigt sich: Viel Frucht steckt nicht in Activia. Ein Becher der Sorte Activia Erdbeere enthält etwa 10,93 Gramm Erdbeeren – also ungefähr eine durchschnittliche Erdbeere. Gleichzeitig liegt der Zuckergehalt der Fruchtvariante mit 11,4 Gramm pro 100 Gramm aber mehr als doppelt so hoch wie bei der Naturjoghurt-Version. „Das führt natürlich auch zu einem stärkeren Blutzuckeranstieg und stellt den Gesundheitswert des Joghurts infrage“, so Riedl. Eine gesündere Wahl sei etwa ein klassischer Naturjoghurt mit frischen Beeren. Das betrifft freilich auch Fruchtjoghurts anderer Hersteller.
Danone: „Produkte tragen zur Ballaststoffversorgung bei“
In der Antwort von Danone heißt es zum Thema Ballaststoffe: „Während Joghurt natürlicherweise keine Ballaststoffe enthält, ergänzen bestimmte Activia-Sorten durch die Zugabe von Getreide die tägliche Ballaststoffzufuhr. Circa 70 Prozent der deutschen Verbraucher*innen nehmen zu wenige Ballaststoffe zu sich (…).“ Danone betont also, dass Activia durch die Zugabe von Getreide einen Beitrag zur Ballaststoffversorgung leisten soll, auch wenn die Menge im Verhältnis zum täglichen Bedarf gering ausfällt.
Zucker in Activia: Hersteller senkt Anteil schrittweise
Was den Fruchtanteil und den hohen Zuckergehalt betrifft, heißt es von Danone: „Unser Ziel ist es, leckere und gleichzeitig gesunde Produkte anzubieten. Daher arbeiten wir kontinuierlich an der Reduktion des Zuckergehalts in unseren Produkten.“ So sei der Zuckeranteil in Activia-Produkten bereits um bis zu 17 Prozent reduziert worden. Der Prozess erfolge jedoch schrittweise, da Verbraucher*innen an den neuen, weniger süßen Geschmack gewöhnt werden müssten.
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Laut Danone wurde bereits eine Activia-Variante mit doppeltem Fruchtgehalt und ohne Zuckerzusatz auf den Markt gebracht, doch diese fand in Deutschland keine ausreichende Nachfrage. „Wir führen regelmäßig Geschmackstests und Studien durch, um sicherzustellen, dass unsere Produkte den Bedürfnissen der Verbraucher*innen entsprechen“, erklärt Danone.
Activia von Danone: Das Fazit von Dr. Riedl
Ist Activia also wirklich „nicht einfach nur ein Joghurt“? Dr. Riedl hat dazu eine klare Meinung: „Obwohl Activia zusätzliche probiotische Kulturen enthält, ist das Produkt im Kern dennoch ein Joghurt und unterscheidet sich in den Grundzutaten nicht maßgeblich von anderen Produkten. Der Gesundheitsnutzen hängt letztlich stark von der Gesamternährung ab, sodass Activia allein keine ‚besondere‘ Wirkung verspricht, die andere Naturjoghurts nicht ebenfalls bieten könnten.“
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Sie wollen mehr über den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit erfahren? Dr. Matthias Riedl geht im Jahr 2025 mit seinem Programm „Gesunde Ernährung – Einfacher als gedacht“ auf Tour. Dabei spricht er vor allem über den Einfluss der Ernährung auf ein möglichst langes Leben und die eigene Psyche. Geplant sind folgende Termine: 14. März in Berlin (Urania), 16. März in Köln (Gürzenich) und am 19. Juni in Hamburg (Laeiszhalle). Mehr Informationen und Tickets (ab 34,55 Euro) gibt es unter www.neuland-concerts.com und www.eventim.de.