Berlin/Eifel. Können Bäume miteinander kommunizieren? Für den Waldexperten Peter Wohlleben ist die Antwort klar. Im Interview verteidigt er seine Theorie.

Dass Bäume im Wald unterirdisch über Pilze miteinander kommunizieren, ist eine weit verbreitete Theorie in der Wissenschaft. Einige amerikanische und deutsche Wissenschaftler haben diesen Ansatz allerdings als „Vermenschlichung“ kritisiert, mit der den Bäumen kein Gefallen getan werde. Außerdem gebe es dafür kaum Belege.

Peter Wohlleben widerspricht. Der vermutlich bekannteste Förster Deutschlands erklärt im Interview, warum er davon überzeugt ist, dass Bäume miteinander kommunizieren, warum er in seinem neuen Buch aus der Perspektive einer Buche berichtet und sich nicht wegen der Vermenschlichung sorgt.

Herr Wohlleben, Sie haben Forstwirtschaft studiert und auch schon viele Bücher geschrieben. Sehen Sie sich mehr als Wissenschaftler oder Autor?

Peter Wohlleben: Eigentlich sehe ich mich als Naturschützer. Das ist das, was ich als Kind werden wollte und warum ich Forstwirtschaft studiert habe. Meine Bücher sind schriftliche Waldführungen. Und in meinen Büchern geht es darum, mehr Empathie für Bäume zu wecken, damit aus eigenem Antrieb Umweltschutz betrieben wird. Die Fakten dazu liegen alle auf dem Tisch, aber trotzdem wehren sich viele, auch aus der Politik.

Wohlleben über Baum-Kommunikation: „Gegenbeweis gibt es nicht“

In Ihren Büchern geht es auch um die Kommunikation von Bäumen. Wie kommen Sie zu dem Schluss, dass Bäume kommunizieren können?

Wohlleben: Vorneweg: Das sind nicht meine eigenen Thesen, sondern das sind Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien. Und das ist, was die Gesellschaft heute als Fakten akzeptiert. Es gibt noch eine Reihe von Leuten, die sagen, das sei Quatsch, aber das sind Meinungen. Wissenschaftliche Grundlagenstudien haben die Kommunikation zwischen Bäumen sehr schön nachgewiesen. Die Studien wurden unabhängig begutachtet und dann erst in Fachmagazinen veröffentlicht.

Einige deutsche Wissenschaftler haben im vergangenen Jahr bezweifelt, dass Bäume miteinander kommunizieren können. Was halten Sie davon?

Wohlleben: Das waren Forstwissenschaftler, die teilweise mit der Forstlobby verbandelt sind, also mit Holzverkaufsorganisationen. Und die haben die Theorie kritisiert, ohne eine Studie vorzulegen. Das regt die richtig Forschenden, also die echten Wissenschaftler, auf. Das, was Sie jetzt zitiert haben, sind Meinungsartikel gewesen. Die sind von der Presse als Studie interpretiert worden. Das ist aber falsch. Einen Gegenbeweis gibt es nicht. Es gibt aber massenhaft Studien zur Kommunikation von Pflanzen generell.

Peter Wohlleben
Peter Wohlleben möchte Menschen den Umweltschutz näher bringen. Dafür hat er seinen ganz eigenen Ansatz. © Tobias Wohlleben | Tobias Wohlleben

Die Theorie wurde auch von einigen amerikanischen Wissenschaftlern angezweifelt.

Wohlleben: Auch das geht auf einen Meinungsartikel zurück. Dieser widerlegt nichts, sondern bezweifelt nur, ob die Befunde nicht zu stark interpretiert worden sind. Dem hat die Wissenschaft bereits deutlich widersprochen.

Wohlleben: Das erhofft er sich von seinem neuen Buch

In Ihrem neuen Buch „Buchenleben“ schreiben Sie aus der Perspektive eines Baums. Wie kamen Sie auf die Idee?

Wohlleben: Die Grundidee ist: Wie können wir Bäume besser verstehen? Das machen wir auch bei Haustieren. Da versuchen wir uns hineinzuversetzen: Was denkt eigentlich mein Hund? Ein Baum ist viel schwieriger zu verstehen, denn er reagiert nicht mit Signalen, die wir Menschen verstehen können. Er ist viel langsamer. Und er steht 200 Jahre auf derselben Stelle, das muss doch stinklangweilig sein. Das hat mich gereizt.

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Ich möchte Menschen Bäume so nah wie möglich bringen. Dazu muss man sie in die eigene Erlebniswelt bringen. Die innere Perspektive, das ist natürlich ein fiktionaler Teil. Ein Baum würde nie reden. Das Allermeiste basiert auf wissenschaftlich ermittelten Fakten und bei einigen Dingen habe ich mir schriftstellerische Freiheiten herausgenommen, die ich dann aber auch benenne. Das Ganze liest sich wie ein Roman.

Kritiker sagen auch, die Bäume würden zu sehr vermenschlicht und damit werde dem Waldschutz eher geschadet. Sehen Sie da auch eine Gefahr?

Wohlleben: Nein, überhaupt nicht. Ich vermenschliche Bäume im aktuellen Buch, ja. Aber eigentlich kann man Natur nicht vermenschlichen. Oder umgekehrt: Alles wird vermenschlicht, denn alles muss in Kategorien sortiert und mit menschlichen Ausdrücken etikettiert werden. Sonst könnte man Natur gar nicht verstehen. Ich habe geschaut, dass ich Begriffe aus der Baumsicht formuliere. Das Reh heißt zum Beispiel brauner Tod. Wenn man ein Lebewesen wirklich versteht, dann kommt man nicht auf die Idee, es zu misshandeln. Insofern hoffe ich, dass das eher dazu führt, dass Bäume besser behandelt werden.

Bäume und Menschen ähneln einander? Wohlleben über neues Projekt

Geht damit das Risiko einher, dass nicht mehr ganz klar abgrenzbar ist, was Wissenschaft und was Fiktion ist?

Wohlleben: Das ist nicht so. Sie können zu jedem Kapitel in meinem neuen Buch hinten direkt nachschauen, worauf es beruht. Es gibt dann die entsprechenden Quellenangaben. Ich erkläre da auch, wenn es wissenschaftlichen Streit gibt. Diese Geschichte, über die wir gerade gesprochen haben, taucht da beispielsweise auf.

Peter Wohlleben
Das neueste Buch von Peter Wohlleben „Buchenleben: Ein Baum erzählt seine erstaunliche Geschichte“ ist im Ludwig-Verlag erschienen. © Peter Wohlleben | Peter Wohlleben

Könnte es sein, dass auch andere Pflanzen kommunizieren können? Beispielsweise Gras?

Wohlleben: Kann es. Das können Sie übrigens riechen beim Rasenmähen. Wenn man Gras mäht, riecht es ja oft so lecker. Ein Teil dieses Geruches ist Abwehrkommunikation. Gras macht Abwehrkommunikation, weil es denkt, da kämen Pflanzenfresser, und es nicht gefressen werden möchte. Dann kann Gras in der Nachbarschaft, das nicht direkt betroffen ist, schon schwerverdauliche Substanzen einlagern und das Immunsystem hochfahren.

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Was sind ihre nächsten Projekte?

Wohlleben: Mein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ wird nächstes Jahr zehn Jahre alt. Da sind wir noch in den Überlegungen, was es dazu geben könnte. Gerade in den letzten Tagen kam noch eine Idee auf, die alles auf den Kopf stellt. Bei Bäumen und Menschen sind so viele Dinge ähnlich. Nur bisher von einem anderen Ende aus gedacht, als man es hätte denken können. Ich kann noch nicht viel verraten, aber da kommt noch etwas.