Die Bagger-Show an der A 40 - die Baustelle des neuen „Westkreuz“ in Bochum
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Ruhrgebiet. . Besuch in der Mondlandschaft zwischen Stahlhausen und Wattenscheid, einer Autobahn-Baustelle der Superlative: Der Ausbau der A40 und das neue Westkreuz kosten über 100 Millionen Euro. Ein Blick hinter die Autobahn-Leitplanken.
Das wäre dann so etwas wie eine mutwillige Mondlandschaft: Berge von Erdaushub und Betonbruch, gefällte Bäume an kahl gewordenen Böschungen, dazu das Wollknäuel der Straßen – Autobahn und Stadtautobahn, Zubringer und Abbieger voller Verkehr, unvollendete Brücken, umgeben von nichts als Straßenbegleitgrau, Rauschen und Dunst.
20, 25 Meter über Bochum-Stahlhausen, irgendwo im Niemandsland zwischen A 40 und Thyssen-Krupp, steht Rolf Witte auf so einem künstlichen, vorübergehenden Hügel und schaut hinab in die gigantische Baustelle: „Sieht ein bisschen chaotisch aus, ich geb’s ja zu“, sagt er. Man assoziiert: Feldherrnhügel.
Die engsten Spuren, die meisten Baken
Denn Witte, ein 58-jähriger Anpacker mit programmatischem Dreitagebart, ist Projektleiter des Autobahnausbaus und hat sichtlich seinen Spaß daran: Organisation und Planung, Logistik, Abläufe. Darum geht es ja eigentlich auch beim Großen, Ganzen: Bis Ende 2012 wird die Autobahn zwischen Essen und Bochum auf sechs Spuren verbreitert und an die Bochumer Stadtautobahn angebunden. Das kostet über 100 Millionen Euro und soll den Straßenverkehr im mittleren Ruhrgebiet deutlich verflüssigen, ein titanisches Vorhaben: „Wenn wir hier 350.000 Kubikmeter Aushub haben, sind das 35.000 Lastwagen, die wir bewegen müssen. Und wir haben nochmal 20.000 Laster Anlieferung“, sagt Witte.
Kein Wunder bei diesen Dimensionen, dass sich die Baustelle zu einer erstklassigen Publikumsattraktion entwickelt hat. Denn zwischen Stahlhausen und Kray fahren jeden Tag mehr als 100.000 Menschen mehr als 7500 Meter lang direkt durch sie hindurch. Es ist: die ultimative Bagger-Show. Baustellen-Wunderland. Die gewagtesten Verschwenkungen! Die engsten Spuren! Die meisten Baken! Die nahesten Baumaschinen, denn die Baustelle ist im Hindurchfahren ja buchstäblich zum Greifen nah: hinter der Planke der Bagger!
Autofahrers Angst und Neugier
„Fahren Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“, möchte man da eigentlich sagen, aber es wäre glatt gelogen. Nicht wegen Unfällen oder zu enger Spuren, nein, sondern aus einer Mischung von Autofahrers Angst und Neugier baut sich hier täglich neu der Stau auf. Angst vor den gigantischen, nie gesehenen, namenlosen Baustellenfahrzeugen so nah zur Rechten; Neugier auf die gewaltigen, einer unsichtbaren Regie folgenden Baustellenfahrzeuge zur Linken. Und so ist es auch: die 1a-live-Stau-Schau.
Täglich neu. Schon morgen werden die Linken die Rechten sein. Die geschwungenen Zubringer des entstehenden Spaghettiknotens im Bochumer Westen wachsen so schnell in den Himmel, dass man ihnen beim Wachsen zusehen kann. Und Materialschlachten sind Fußnoten: „Da werden die Fertigteilträger für den Nahverkehr aufgelegt, sechs Stück, 140 Tonnen, geht aber schnell.“
Riesenbaustelle A 40
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Die Ampel zeigt Rot - und keiner bremst
Drei Kilometer weiter ist die alte Lärmschutzwand verschwunden – was ist denn das jetzt wieder für ein Friedhof, den man plötzlich sieht? 800 Meter zurück wird vielleicht gerade ein Hügel aus Bruchmaterial der alten B 1 verladen, vier Kilometer weiter vorn zerlegen Arbeiter alte Bohrpfähle unter Funkenflug und Pulvergeruch, viereinhalb Kilometer zurück untersuchen Mineure den Boden auf Bomben – vielleicht finden sie stattdessen aber eine 500-paarige Telefonleitung, die in keiner Karte stand, oder eine kleine Gashochdruckleitung.
Täglich neu also: Die Auffahrt Stahlhausen ist gerade verlegt worden, doch in der alten, die nie mehr genutzt wird, tut die Zufahrtsampel noch ungerührt ihren rot-grünen Dienst. Bis auf das Kreuz sind sie mit dem sechsspurigen Ausbau dem Zeitplan weit voraus. Jetzt, in diesem Frühjahr, werden wahrscheinlich so viele Menschen auf dieser Baustelle arbeiten wie nie zuvor. Holzfäller und Eisenflechter, Zimmerleute und Baggerführer, Maurer, Straßen- und Betonbauer . . .
Neue grüne Halden
„Das Spannende ist, dass die Zeiträume eingehalten werden, die geplant und abgesprochen sind“, sagt Witte. In zwei Jahren sollen in der Mondlandschaft neue Halden ergrünen, und teils durchsichtiger Lärmschutz lässt die Fahrer das auch sehen. Witte wird dann weiterziehen, der Mann, der in der Vergangenheit auch schon den Ausbau der B 236 in Dortmund managte oder den der A 2 bei Brechten. Feldherrnhügel? Keine Spur. Baustellendauerdienst.
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