Düsseldorf. In der Diskussion ums Turbo-Abi will NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) an einem runden Tisch um “Konsens“ werben. Bundesweit wächst der Widerstand gegen “G8“, Niedersachsen etwa kehrt zum Abitur nach 13 Schuljahren zurück. Löhrmann will am Turbo-Abi festhalten. Doch der Druck steigt.

Niedersachsen macht es vor: Nach anhaltender Kritik am Turbo-Abi will das Land ab dem Schuljahr 2015/2016 flächendeckend zum Abitur nach 13 Schuljahren zurückkehren. Die Diskussion um G8- und G9-Abitur, sie tobt bundesweit. Ein Bündnis von Eltern, Schülern, Lehrern, Ärzten und Psychotherapeuten fordert die Rückkehr zu einer 13-jährigen Schulzeit. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wollte davon bislang nichts wissen. Noch im Februar stellte sie klar: "Eine Rückkehr zu G9 wird es nicht geben." Doch der Druck wächst, und Löhrmann reagiert: Am Freitag kündigte sie an, einen runden Tisch einzurichten.

Gemeinsam mit Vertretern aus Schule, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wolle sie sich "über die Umsetzung der vereinbarten Entlastungen für die Schülerinnen und Schüler sowie die Zukunft des achtjährigen Bildungsganges an den Gymnasien austauschen", heißt es. Es habe im Jahr 2010 in NRW einen "breit getragenen Konsens über die Beibehaltung des G8" gegeben, betont die Ministerin. Dessen wolle sie sich jetzt noch einmal versichern.

Schüler klagen über Stress durchs Turbo-Abi

Die Schulzeitverkürzung war von Beginn an umstritten: Seit der Einführung des Turbo-Abis im Jahr 2005 in NRW hagelt es Kritik. Schüler und Eltern klagten über Stress, proppenvolle Stundenpläne, durchgetaktete Tage wie bei Vollzeit-Berufstätigen. Löhrmann argumentiert, sie wolle nun prüfen, wie die Schüler weiter entlastet werden können. Es solle ein "neues Gleichgewicht zwischen Hausaufgaben und Schulaufgaben" geschaffen werden, die Ganztagsbetreuung verbessert werden. Schulen sollen sich flexibler organisieren können, Ergänzungsstunden für individuelle Förderung nutzen.

"In Nordrhein-Westfalen gibt es eine vielfältige Schullandschaf, in der viele verschiedene Wege zum Abitur führen", erklärt Sylvia Löhrmann. Das unterscheide NRW von anderen Bundesländern. Tatsächlich hat die Landesregierung im Jahr 2010 allen Gymnasien angeboten, an einem Modellversuch "Abitur nach zwölf oder 13 Jahren" teilzunehmen. Die Resonanz war überschaubar.

Modell-Gymnasien mit G9-Abitur sind überlaufen

13 Gymnasien landesweit nehmen an diesem Modellversuch teil. "Alle anderen Gymnasien in NRW haben sich dafür entschieden, G8 beizubehalten und die Umsetzung mit Unterstützung durch das Schulministerium weiter zu optimieren", betont Löhrmann.

Der Wunsch von Eltern und Schülern nach dem entzerrteren G9-Abitur scheint indes groß zu sein: Gymnasien, die das Abitur nach 13 Schuljahren anbieten, berichten von massiv gestiegenen Anmeldezahlen. Das Schalker Gymnasium etwa, eine der 13 Modellschulen im Land - muss das Los entscheiden lassen und Schüler abweisen.

Auch viele Gesamtschulen in NRW haben eine gesteigerte Nachfrage nach Plätzen in den vergangenen Jahren aufs Turbo-Abi zurückgeführt. An den 281 Gesamtschulen, 84 Sekundarschulen, zwölf Gemeinschaftsschulen und 379 Berufskollegs wird das Abitur nach wie vor nach Klasse 13 abgelegt. (we)