Essen. . Das neunjährige Gymnasium steht in vielen Bundesländern wieder hoch im Kurs. So könnte in Bayern ein Volksentscheid die Abkehr von G8 erzwingen. Niedersachsen schafft G8 schlicht ab. Eltern, Lehrer und Rot-Grün in Düsseldorf bleiben davon allerdings unbeeindruckt.

Ob Bayern oder Niedersachsen, ob Hessen oder Schleswig-Holstein: In den Bundesländern wächst der Widerstand gegen das Turbo-Abitur. Es laufen Volksbegehren und Versuche, Experten erarbeiten neue Schulmodelle mit alter Laufzeit, überall gründen sich Elterninitiativen. Vergleichsweise ruhig ist die Stimmung in NRW. Offenbar haben sich Schüler, Eltern und Lehrer halbwegs mit dem achtjährigen Gymnasium arrangiert. „Ich hoffe, dass es so bleibt“, sagt Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes.

Natürlich laufe die Schulzeitverkürzung auch noch im Jahr neun nicht rund. Aber die Akzeptanz sei tatsächlich größer als etwa in Bayern. Ein Grund sei die flächendeckende Versorgung mit integrierten Gesamtschulen, die nach wie vor das Abitur nach 13 Schuljahren anbieten, glaubt Silbernagel. Tatsächlich hat NRW 280 Gesamtschulen – so viele wie kein anderes Bundesland. Obendrein sind die Schulen groß, mindestens 1000 Schüler besuchen sie. Wenn Eltern Zweifel haben, ob ihr Kind überfordert werden könnte mit dem Turboabitur, gelten sie als Alternative.

Unbeliebt war das Turbo-Abi immer

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Von Birgitta Stauber-Klein

In Bayern gibt es landesweit nur fünf Gesamtschulen. Sie werden als „Schulen mit besonderer Art“ bezeichnet. Also werden die Kinder bis auf wenige Ausnahmen im klassischen dreigliedrigen Schulsystem mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium aufgeteilt. Wer nicht über Umwege Abitur machen will, kann also der Schulzeitverkürzung kaum ausweichen.

Unbeliebt war das Turbo-Abi von Anfang an. Nach zehn Jahren ist klar, warum: Die Durchfallerquoten sind wie in keinem anderen Land gestiegen. 2,8 Prozent der G8-Schüler schafften ihr Abi nicht – dreimal so viele wie zu G9-Zeiten. Damit ist Bayern das einzige Bundesland, in dem sich der von Eltern, Schülern und Lehrern beklagte Leistungsdruck auch messbar niederschlägt – in den anderen Ländern sind die Unterschiede zwischen G8- und G9-Schülern zu gering, um sie bewerten zu können. Tatsächlich sei die Reform in Bayern viel zu hastig durchgezogen worden, sagt Jugend- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann „Spiegel online“. Inzwischen versucht Bayern, mit einem freiwilligen „Flexibilisierungsjahr“ den Schülern den Druck zu nehmen.

Den Freien Wählern reicht das nicht. Sie wollen mit einem Volksbegehren die Wahlfreiheit über G8 und G9 durchsetzen. Die Chancen, die Pflicht zu G8 zu kippen, stehen laut Umfragen bestens.

In Bayern mach die Politik mobil, in Hamburg trommeln die Eltern

Während in Bayern die Politik mobil macht, sind in Hamburg und Schleswig-Holstein Elterninitiativen auf Stimmenfang gegen G8 – mit mäßigem Erfolg. Sie hoffen , im Windschatten des bayerischen Volksentscheids nun auf eine neue Mobilisierung. Hessen setzt nicht nur – wie in NRW – auf Schulversuche, sondern auf Wahlfreiheit. Inzwischen führen zwei Drittel der Gymnasien nach 3 Schuljahren zum Abitur.

Niedersachsen kehrt flächendeckend zu G9 zurück. G8 bleibt nur noch als Optionsmodell erhalten. Ohne Stress wird dort die Umstellung aber nicht ablaufen: Neue Lehrpläne müssen her, neue Lehrer, neue Räume, neue Bücher.

NRW will keinen Wirbel

Derartigen Wirbel wollen die Verantwortlichen in NRW unbedingt vermeiden. So stellte Schulministerin Löhrmann (Grüne) gegenüber einer Elterninitiative gegen das Turbo-Abi klar: „Eine Rückkehr zu G9 wird es nicht geben.“ Laut Silbernagel steht sie damit im Einklang mit dem Philologenverband sowie den Elternverbänden. „Wir wollen keine unnötigen Strukturdebatten mehr führen“, sagt Peter Silbernagel. Auch Ralf Leisner von der Landeselternschaft der Gymnasien betont in Gesprächen immer wieder, die Rückkehr zu G9 stehe nicht zur Debatte.

Dass mit Blick auf die anderen Bundesländer der Druck wächst, gibt Silbernagel aber zu. Den Leistungsdruck gebe es tatsächlich. „Und daran müssen wir auch noch etwas ändern.“