Essen/Gelsenkirchen. 10.000 Beschäftigte protestieren in Gelsenkirchen für bessere Bedingungen auch in Kitas. Eltern geben Rückendeckung, warnen aber vor Dauer-Streik
Angesichts des heftigen Tarifkonflikts um Beschäftigte im Sozial und Erziehungswesen mehren sich bei Kita-Eltern die Sorgen vor einem längeranhaltenden Arbeitskampf.
Daniela Heimann, Vorsitzende des Landeselternbeirats der Kitas in NRW, spricht zwar von einem großen Verständnis für die Anliegen der Beschäftigten in den Kindertagesstätten. „Ich kann die Forderungen der Streikenden absolut nachvollziehen. Wir als Eltern haben auch vor der Pandemie schon deutlich gespürt, welche Folgen der Fachkräftemangel hat“, sagt Heimann dieser Redaktion.
Mit Blick auf die am Montag beginnende letzte Verhandlungsrunde zwischen den kommunalen Arbeitgebern und den Gewerkschaften mahnt sie aber: „Was uns umtreibt ist die Sorge, dass die nächste Verhandlungsrunde ohne Ergebnis bleiben wird und es zu einem unbefristeten Streik kommen könnte.“
10.000 Beschäftigte demonstrieren in Gelsenkirchen für bessere Arbeitsbedingungen
Nach knapp zweijähriger Pandemiepause verhandeln die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und die Gewerkschaften Verdi und „DBB Beamtenbund und Tarifunion“ seit Februar über Verbesserungen für die kommunalen Sozial- und Erziehungsdienste - also etwa in Kitas, OGS und in der Sozialarbeit.
In diesen Sondertarifverhandlungen geht es im Kern um bessere Arbeitsbedingungen, höhere Einkommen und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Die ersten beiden Verhandlungsrunden sind gescheitert, die dritte und finale Runde findet am 16. und 17. Mai in Potsdam statt. Laut Verdi haben die Arbeitgeber bislang kein konkretes Angebot vorgelegt.
Um Druck zu machen, hatten die Gewerkschaften am Mittwoch rund 10.000 streikende Beschäftigte aus ganz NRW zu einer Groß-Demonstration in Gelsenkirchen mobilisiert - der Stadt, in der VKA-Präsidentin Karin Welge Oberbürgermeisterin ist. Andrea Becker, Verdi-Landesfachbereichsleiterin NRW, sagte am Rande der Demonstration: Sollten die Arbeitgeber in Potsdam kein verhandlungsfähiges Angebot einbringen, werde weitergestreikt.
Elternvertreterin: Lange Ausfallzeiten nach der Pandemie kaum noch zu händeln
Landeselternvertreterin Heimann warnt vor diesem Hintergrund vor der Belastung der Familien und erinnert an den jüngsten umfangreicheren Kita-Streik 2015, bei dem manche Kinder vier Wochen zu Hause betreut worden seien. Nach zwei Jahren Pandemie sei genau das nicht mehr zu schaffen. Immer weniger Arbeitgeber hätten Verständnis für die Betreuungsnöte der Eltern. Zudem würden gerade die Kinder, die Förderung besonders benötigen, von Notbetreuungen oft nicht profitieren.
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„Wir erwarten von beiden Verhandlungspartnern, dass sie sich aufeinander zubewegen“, so Heimann. Kritik richtet sie an die Adresse von VKA-Präsidentin Welge. Wenn man aus einer Region mit so vielen von Armut betroffenen Kindern komme, müsse der Impulse sein, mehr Geld in die Kinder- und Jugendhilfen zu investieren, so Heimann.
Neubau-Kitas warten auf Personal
Die Mülheimerin berichtet, dass der Fachkräftemangel auch für die Eltern spürbar sei. Neugebaute Kitas könnten nicht in Betrieb genommen werden, weil Beschäftigte fehlen. Immer häufiger würden Eltern gebeten, ihre Kinder früher abzuholen als vereinbart, weil Personal auch außerhalb der Pandemie ausfällt. „Wir haben sogar an gemeinsame Aktionen mit den Beschäftigten in NRW gedacht, um zu zeigen, dass wir als Eltern das Problem genauso sehen“, so Heimann. Dazu sei es aber nicht gekommen.
Laut Verdi geht es in den Verhandlungen um bundesweit rund 330.000 Beschäftigte - davon 245.000 in der Kindererziehung und -betreuung. Durch eine mögliche Übertragung des angestrebten Abschlusses etwa bei Trägern wie der Caritas oder „arbeitsvertragliche Verweisungen“ könnten aber etwa zwei Drittel der mehr als 1,6 Millionen Beschäftigten in diesem Bereich profitieren.