Essen. Allein in NRW betrifft die Grundsteuer-Reform 6,5 Millionen Grundstücke. Eigentümerinnen und Eigentümer bekommen bald Post vom Finanzamt.

Die einen sprechen von einem „Bürokratiemonster“, andere halten die vom Bundesverfassungsgericht vor vier Jahren verordnete Reform der Grundsteuer für einen Beleg politischen Versagens, weil die Anpassung veralteter Bewertungsgrundlagen für Grundstücke jahrzehntelang versäumt wurde. Fest steht: Die Grundsteuerreform beschäftigt die Finanzbehörden auf Jahre und führt erkennbar zu immer mehr Unsicherheit bei Immobilienbesitzern. Ein Überblick.

Worum geht es?

Die Berechnung der Grundsteuer wird in einem aufwendigen Verfahren bundesweit umgestellt. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018. Danach müssen die jahrzehntealten Bewertungsgrundlagen von bundesweit rund 35 Millionen Grundstücken angepasst werden. Das Gericht räumte Politik und Verwaltung zwar eine Frist zur Umsetzung bis 2024 ein. Der Aufwand aber ist immens, so dass die Finanzbehörden schon jetzt tätig werden müssen. Und: Eigentümer von Immobilienbesitz sind zur Mitarbeit verpflichtet. Wer seit dem 1. Januar 2022 Besitzer eines Grundstücks oder einer Eigentumswohnung ist oder war, muss eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts abgeben.

Wer ist betroffen?

Betroffen sind alle privaten und gewerblichen Haus- und Wohnungseigentümer. In NRW geht es dabei um rund 6,5 Millionen bebaute und unbebaute Grundstücke. Deren Besitzer müssen eine so genannte Feststellungserklärung bei ihren Finanzämtern einreichen. Die Finanzbehörden gewähren dafür eine Frist zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober. Der Antrag kann ausschließlich in elektronischer Form über das Steuerportal „Elster“ gestellt werden, für das ein Benutzerkonto angelegt werden muss. Nur in Ausnahmefällen kann eine schriftliche Erklärung beantragt werden.

Welche Angaben müssen gemacht werden?

Um den Wert des Grundstücks zu ermitteln, setzen die Finanzbehörden auf die Mitarbeit der Eigentümer. In der Feststellungserklärung müssen unter anderem Angaben zur Lage des Grundstücks (Gemarkung, Flurstücke), die Grundstücksart (unbebaut, Wohngrundstück etc.), das Baujahr, die Wohnfläche, die Grundstücksgröße sowie die Anzahl etwa von Garagen- und Tiefgaragenstellplätzen gemacht werden. Vieles ist den Finanzbehörden unbekannt. „Oft haben die Besitzer angebaut oder eine Garage errichtet, das weiß die Finanzbehörde nicht“, sagt Steuerexperte Hans-Ulrich Liebern vom Steuerzahlerbund NRW. Am Ende, so Liebern, sei die Finanzverwaltung auf die Ehrlichkeit der Bürger angewiesen.

Warum erhalten Eigentümer in diesen Wochen nochmals Post vom Finanzamt?

„Mit dem persönlichen Informationsschreiben erhalten Eigentümerinnen und Eigentümer Informationen zur Grundsteuerreform sowie Daten, die sie bei der Erstellung der Feststellungserklärung unterstützen, darunter das Aktenzeichen, die Grundstücksfläche und den Bodenrichtwert“, teilte die Oberfinanzdirektion NRW auf Anfrage dieser Redaktion mit. Der Steuerzahlerbund kritisiert das Informationsschreiben als „mager“. „Das stehen nur der Bodenrichtwert, die Grundstücksfläche und das Flurstück drin“, so Hans-Ulrich Liebern. Die Finanzverwaltung habe mehr versprochen, als sie nun halten könne.

Welche Probleme kommen noch auf Eigentümer zu?

Für ältere Eigentümer könnte der Zwang zum Online-Antrag zur Herausforderung werden. Die Verbände kritisieren die Festlegung seit Monaten. Zwar kann die Erklärung auch über den „Elster“-Zugang von nahen Angehörigen abgegeben werden. Für Menschen ohne jeglichen Zugang zur digitalen Welt gibt es eine Härtefallregelung. Doch diese müsse erst schriftlich beantragt werden, weiß Werner Weskamp vom Grundeigentümerverband Haus & Grund NRW. Er rechnet mit Tausenden Betroffenen, die die elektronische Abgabe nicht eigenständig bewerkstelligen könnten. Komplizierter wird die Grundsteuererklärungen auch für Erbengemeinschaften, Personen mit größerem Immobilienbesitz und bei gemischt genutzten Grundstücken.

Warum ist die Grundsteuerreform auch für Mieter von Interesse?

Vermieter sind berechtigt, die Grundsteuer anteilig über die Nebenkosten auf ihre Mieter umzulegen. Steigt die Grundsteuer nach der Neuberechnung ab 2025 oder fällt sie geringer aus als bisher, wirkt sich das also auf die Höhe der Mietnebenkosten aus. Mieterschützer fordern seit Langem, Mieter von der Grundsteuerumlage zu befreien.

Können Steuerberater helfen?

Wer die Grundsteuererklärung nicht selbst erstellen will, kann natürlich auch einen Steuerberater zu Rate ziehen. Doch das dürfte seinen Preis haben. Laut einer Beispielrechnung des Steuerzahlerbundes NRW errechnen sich die Gebühren nach dem Grundsteuerwert der Immobilie. Dabei könne es schnell zu Kosten in drei- bis vierstelliger Höhe kommen. Informationen zur Reform gibt es auch auf der Internetseite des NRW-Finanzministeriums (finanzverwaltung.nrw.de) und beim Steuerzahlerbund (steuerzahler.de).