Düsseldorf. Bei der Grundsteuer in NRW gilt künftig Bundesrecht. Der Verband Haus & Grund rechnet mit deutlichen Mehrkosten - besonders für Eigenheime.
In NRW wird die Grundsteuer für Millionen von Gebäuden künftig nach dem umstrittenen Reformmodell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) berechnet. Viele Hausbesitzer müssen sich nun auf deutlich höhere Kosten einstellen, meint der Eigentümerverband Haus & Grund. "Wir rechnen mit deutlichen Mehrkosten vor allem für Besitzer von Einfamilienhäusern", sagte der Geschäftsführer von Haus & Grund NRW, Werner Weskamp, am Freitag der WAZ. Ursache dafür sei die Einbeziehung der Bodenrichtwerte in die ab 2025 geltende Neuberechnung der Kommunalabgabe.
Haus & Grund: Bundesmodell wird auf breite Ablehnung stoßen
"Dort, wo die Bodenrichtwerte hoch sind, wird es starke Veränderungen geben. Und in Wohnquartieren mit vielen Einfamilienhäusern sind die Bodenrichtwerte oft höher", so Weskamp. Ein weiterer Grund für die von Haus & Grund erwartete Verteuerung der Grundsteuer für Eigenheime sei die im Vergleich zu Etagenwohnungen oft größere Wohnfläche. Weskamp rechnet mit einer Welle von Klagen und Widersprüchen gegen die Neuberechnung der Grundsteuer. "Das Bundesmodell ist viel zu kompliziert. Das wird auf eine breite Ablehnung stoßen", ist sich der Haus & Grund-Sprecher sicher.
Die Grundsteuer wird ab 2025 bundesweit völlig neu geregelt. NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) hatte am Donnerstag im Landtag überraschend verkündete, NRW werde keinen Gebrauch von der Öffnungsklausel machen, die den Bundesländern bei der Reform vom Bund zugestanden worden war.
Kein Einvernehmen in der schwarz-gelben Regierungskoalition
"Die klare Botschaft ist: Es wird keine Inanspruchnahme der Öffnungsklausel geben. Das bedeutet, das Bundesrecht wird gelten", sagte Lienenkämper im Haushaltsausschuss des Landtages. Der Minister ließ durchblicken, dass die Entscheidung innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition keineswegs einhellig gewesen sei. "Ich will das nicht verhehlen", sagte Lienenkämper. FDP-Vizefraktionschef Ralf Witzel legte in der Sitzung prompt nach. Die Entscheidung sei ausdrücklich kein Beschluss für das Reformmodell der Bundesregierung. Sie folge lediglich dem Automatismus, dass das Bundesmodell in den Ländern ohne eine eigene Regelung zur Anwendung kommen werde. "Die Ablehnung des Scholz-Modells in der FDP ist hinreichend bekannt", sagte Witzel. Monika Düker von den Grünen nannte die Entscheidung "bedauerlich" und kritisierte das Fehlen einer "interfraktionellen Debatte" über das Thema.
"Für die Steuerzahler die teuerste und schlechteste Lösung"
Der Steuerzahlerbund NRW kritisierte die Entscheidung scharf. "Die Umsetzung des Bundesmodells ist für die Steuerzahler die teuerste und schlechteste Lösung", sagte Verbandschef Rick Steinheuer. Das Bundesmodell habe gravierende Nachteile. "Durch die wertabhängige Komponente besteht bei weiter steigenden Immobilienwerten die Gefahr einer Steuererhöhung durch die Hintertür, weil die Grundsteuer unabhängig von den kommunalen Hebesätzen automatisch heraufgesetzt werden muss", sagte Steinheuer der WAZ. Außerdem lasse sich der enorme Bürokratieaufwand nicht wegdiskutieren, weil zu viele Faktoren bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt und immer wieder nachgesteuert werden müssten, wie etwa der Alterswert nach erfolgter Sanierung.
Scholz-Modell gilt als kompliziert
Das von Finanzminister Scholz vorgelegte Ertragswertemodell gilt vielen Experten als zu kompliziert. Weil es für die künftige Berechnung der Grundsteuer neben dem Boden- auch die Ertragswerte einer Immobilie oder eines Grundstücks berücksichtigt, wurde es schon als "Bürokratiemonster" gegeißelt. Gegen das Scholz-Modell waren zuletzt noch einmal Wirtschafts- und Verbraucherverbände in NRW Sturm gelaufen. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Handwerk, IHK, Unternehmerverband, Steuerzahlerbund und Haus & Grund jüngst eine Lösung, die nur die Grundstücks- und Gebäudefläche berücksichtigt.
SPD spricht von "Befreiungsschlag"
Die Verbände lehnen das Bundesmodell als zu unberechenbar ab. Eine Lösung, die sich nur an Gebäude- und Grundstücksflächen ausrichte, sei für Finanzverwaltung und Steuerpflichtige „deutlich weniger aufwendig und berge keine unkalkulierbare Belastungsdynamik“. Auch die Liberalen in NRW hatten sich immer wieder für ein reines Flächenmodell stark gemacht, sind aber nun offensichtlich am Widerstand ihres Koalitionspartners CDU gescheitert. Die Landtags-SPD bezeichnete die Entscheidung der Landesregierung am Donnerstag indes als "Befreiungsschlag". Allerdings stelle sich die Frage, wieso das eigentlich drei Jahre gedauert habe, teilten die beiden Vizefraktionschefs Michael Hübner und Christian Dahm mit. „Endlich bekommen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Gewissheit, nach der sie so lange verzweifelt gerufen haben. Nach drei Jahren hat sich die Landesregierung auf eine Reform der Grundsteuer einigen können", so Hübner und Dahm.
Hängepartie in NRW
Die Reform der Grundsteuer beschäftigt Gerichte, Gesetzgeber, Städte und Verbraucher schon seit Jahren. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 müssen die veralteten, teilweise noch auf die 30-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückgehenden Bewertungsgrundlagen von Millionen Grundstücken angepasst werden. Der Bund hatte Ende 2019 deshalb ein neues Grundsteuer-Gesetz erlassen, den Ländern aber eigene Modelle zugestanden. Viele Länder haben bereits angekündigt, davon Gebrauch machen zu wollen. Die bayrische Landesregierung hatte bereits unmittelbar nach der Neufassung des Bundesgesetzes angekündigt, auf ein eigenes reines Flächenmodell zu setzen. Zuletzt positionierten sich Hessen und Niedersachsen. In den beiden NRW-Nachbarländern soll es ein vereinfachtes Flächen-Lage-Modell geben. Die schwarz-gelbe NRW-Regierung hatte sich in der Sache dagegen lange nicht bewegt. Auch dies war auf Kritik gestoßen.
Neue Grundsteuer kommt 2025
Die Neuregelung der wichtigsten Kommunalabgabe muss laut Verfassungsgericht bis Ende 2024 umgesetzt sein. Geschieht das nicht, gilt die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form als verfassungswidrig und dürfte ab 2025 nicht mehr von den Kommunen erhoben werden. Diese Sorge ist in NRW jetzt vom Tisch.
Die Verteilung der Grundsteuerlast wird sich deutlich verschieben
Was auf Mieter, die die Grundsteuer anteilig über ihre Nebenkosten bezahlen, sowie Haus- und Wohnungseigentümer zukommt, ist aber auch nach der NRW-Entscheidung zunächst noch völlig unklar. Sicher ist: Die Verteilung der Grundsteuerlast in Deutschland wird sich deutlich verschieben. Die Reform soll zwar aufkommensneutral sein. Das aber heißt nur, dass die Gesamtsumme von rund 14 Milliarden gleich bleibt, nicht aber das individuelle Aufkommen.