Essen. Die Grundsteuerreform könnte das Wohnen teils dramatisch verteuern. Der Steuerzahlerbund hat erstmals entsprechende Beispielfälle berechnet.

Die geplante Grundsteuer-Reform von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) könnte vor allem in Ballungsräumen zu erheblichen Verwerfungen führen. Das zeigen Berechnungen des Steuerzahlerbundes, die der WAZ vorliegen. Der Verband hatte in bundesweiten Stichproben für seine Mitglieder errechnet, wie sich ihre Grundsteuer nach dem Scholz-Modell verändern würde. Beispiele aus NRW und anderen Bundesländern zeigen dabei, dass die Belastung teils drastisch zunimmt – falls die Kommunen ihre Hebesätze nicht absenken. Grundsteuer zahlen nicht nur Hausbesitzer, sondern auch deren Mieter, weil die Abgabe komplett auf die Nebenkosten umgelegt werden kann.

2686 Euro statt 988 im Jahr

Für ein Düsseldorfer Mietshaus etwa würde sich laut Steuerzahlerbund die Grundsteuer von derzeit jährlich 988 Euro auf 2686 Euro nahezu verdreifachen. Im Falle eines Einfamilienhauses im Kölner Stadtteil Longerich würde die Grundsteuer ohne Anpassung der örtlichen Hebesätze von 574 Euro auf 984 Euro steigen. Bei einem Eigenheim im ländlichen Greven (Münsterland) stiege die Abgabe dagegen nur von 436 auf 506 Euro. Extrem ist ein Beispiel aus Mainz. Dort steigt die Grundsteuer um 683 Prozent.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). © dpa | Axel Heimken

In der Debatte über sein Reformmodell hatte Scholz erkennen lassen, dass er zwar mit Kostensteigerungen rechnet. Diese aber könne durch die Anpassung der kommunalen Hebesätze abgefedert werden. Der Steuerzahlerbund NRW (BdSt) fürchtet hingegen, dass vor allem finanzschwache NRW-Kommunen etwa im Ruhrgebiet wegen ihrer schwierigen Kassenlage versucht sein könnten, ihre Hebesätze eben nicht entsprechend abzusenken. „Solange wir keine Lösung für die Altschuldenproblematik der Städte haben, droht dieses Szenario“, sagte BdSt-Steuerexperte Hans-Ulrich Liebern der WAZ. Die von der Politik versprochene Aufkommensneutralität gelte zwar für die Städte, nicht aber für den einzelnen Bürger, so Liebern.

„Aufkommensneutralität gilt nur für Städte, nicht für Bürger“

Beispiel-Berechnungen aus Berlin zeigen zudem, welcher Spagat von den Städten geleistet werden müsste, um eine einigermaßen zumutbare Verteilung der Belastung innerhalb einer Stadt zu gewährleisten. Abhängig vom Bezirk steigt die Grundsteuer nach dem Scholz-Modell in der Bundeshauptstadt mal um neun, mal um 187 Prozent. „Durch Anpassung der Hebesätze könnte eine Aufkommensneutralität hier sicherlich nicht erreicht werden“, glaubt der BdSt.

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Der Steuerzahlerbund weist daraufhin, dass die Beispiele nicht repräsentativ sind. „Bei unseren Beispielen gibt es zwar auch Fälle, bei denen die Belastung leicht abnimmt. Doch insgesamt fallen im Durchschnitt etwa 70 Prozent mehr Grundsteuern an“, heißt es im Mitgliedermagazin des Bundes. Die Aktion zeige zudem, wie kompliziert die Ermittlung der Grundsteuer nach dem Scholz-Modell sei.

Die vom Bundesverfassungsgericht bis Ende 2019 geforderte Grundsteuer-Reform kommt derzeit nicht voran. Vor allem Bayern will, dass den Bundesländern erlaubt wird, von einer Bundesregelung abzuweichen. Der Freistaat will ein Modell, bei dem sich die Steuerhöhe pauschal an der Fläche orientiert und verlangt deshalb eine Öffnungsklausel für einzelne Bundesländer. Auch der Steuerzahlerbund favorisiert das pauschale Flächenmodell. Die Pläne des Bundesfinanzministers sehen indes vor, dass bei der Berechnung der Grundsteuer künftig vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen.

Zuletzt hatte der Deutsche Städtetag auf seiner Hauptversammlung in Dortmund vor einem Scheitern der Reform gewarnt. Aus gutem Grund: Falls eine Einigung nicht gelingt, dürften die Städte die Grundsteuer ab 2020 nicht mehr erheben. Damit bräche eine wichtige Säule der Kommunalfinanzen weg. Laut Steuerschätzung können die Städte und Gemeinden im nächsten Jahr bundesweit mit insgesamt 14,5 Milliarden Euro Einnahmen aus der Grundsteuer rechnen. Einigt sich die Politik rechtzeitig auf ein Reformmodell, haben die Finanzbehörden fünf Jahre Zeit für die Umsetzung. (Weiterlesen: Trotz Bürgerwut: NRW-Städte beharren auf Straßenbaubeiträgen)