Essen. Die Leistungen für Asylbewerber sollen gekürzt werden. Das sorgt bei Flüchtlingen für Kritik. „Gelder müssten erhöht werden“, fordert ein Syrer.
Sie haben den Krieg erlebt, auf der Flucht aus Syrien sind ihnen traumatische Dinge widerfahren. Als sie endlich im Ruhrgebiet ankamen, standen Dunya Sheikhmousa, Fahad Hussein und Aladin vor weiteren Hürden: Das Geld war knapp, die Sprache schwierig zu erlernen und ihre Berufsqualifikationen wurden teils nicht anerkannt, erzählen sie. Den neuen Beschlüssen zur Migrationspolitik stehen sie kritisch gegenüber.
Zum Hintergrund:Deutschland will seine Asylpolitik verschärfen. Mehr Abschiebungen, weniger Leistungen, aber auch schnellere Arbeitsaufnahme. Das sind die wesentlichen Beschlüsse des Migrationsgipfels von Bund und Ländern. Im Detail sollen noch nicht anerkannte Aslybewerber Leistungen in Höhe der Sozialhilfe erst nach 36 statt 18 Monaten bekommen. Barauszahlungen werden eingeschränkt, es soll dafür eine Bezahlkarte geben. Stillstand herrscht beim Familiennachzug. Zudem dürfen alle Asylbewerber in Aufnahmeeinrichtungen künftig schon nach sechs Monaten arbeiten. Auch Geduldeten soll nun im Regelfall eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. (Lesen Sie hier: Warum Hendrik Wüst mit dem Zuwanderungs-Kompromiss hadert) Wir haben mit Menschen, die selbst geflohen sind, über die verschärften Regeln gesprochen.
Migrationspolitik: Aladin aus Bochum möchte „in Würde leben“
Aladin ist 29 Jahre alt, lebt in Bochum und möchte seinen Nachnamen nicht öffentlich lesen. Der Syrer ist 2015 nach Deutschland geflohen und hält die Verschärfung für „nicht umsetzbar“:
„Im ersten Moment war es mir egal, ob und wie viel Geld ich hier in Deutschland bekomme. Ich wollte einfach nur in Sicherheit einschlafen, ohne Angst haben zu müssen, dass Bomben in der Nacht auf mich niederprasseln. Doch als ich mehr und mehr zum Teil der Gesellschaft hier in Deutschland wurde, bin ich in finanzielle Schwierigkeiten gekommen.
Etwa ein halbes Jahr habe ich in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln gelebt, eine Basketballhalle, in der ich auf Faltbetten geschlafen habe. Dreimal am Tag gab es dort umsonst Essen. Vom Sozialamt habe ich monatlich 140 Euro bekommen, davon konnte ich mir einen Handyvertrag, Zigaretten und ab und an ein Brötchen von Aldi leisten. Geld für Freizeit hatte ich nicht, in dieser Zeit habe ich gar nichts unternommen. Dabei wollte ich so gerne raus und unter Menschen, die Sprache lernen, dazu gehören.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn ich noch weniger Geld zur Verfügung gehabt hätte. Die Leistungskürzungen für Geflüchtete finde ich zu radikal. Wie sollen sie denn so Teil der Gesellschaft werden?
Auch den schnelleren Zugang zu Arbeit halte ich für nicht umsetzbar. Ich selbst arbeite im medizinischen Bereich, doch bis dahin war es ein langer Weg. Ich habe unter enormem Druck vom Jobcenter gestanden, die wollten mir schnellstmöglich eine Arbeit als Putzkraft andrehen – obwohl ich in meiner Heimat im medizinischen Bereich ausgebildet wurde.
Doch hier in Deutschland musste ich dafür Fortbildungen und Qualifikationskurse machen, die Geld gekostet haben. Ich hatte große Schwierigkeiten, einen Bildungsschein zu bekommen. Ich finde: Ein schneller Zugang darf nicht bedeuten, dass man als billige Fachkraft eingesetzt wird und dafür seinen Zielen nicht nachgehen kann.“
>>>Lesen Sie hier: Flüchtling zu Migrationspolitik: Ich bin für Geldkürzungen
Syrer zu Migrationspolitik: „Sozialleistungen müssen erhöht werden“
Fahad Hussein wünscht sich nichts mehr, als in Deutschland eine gute Arbeit zu finden. In Syrien hat der 52-jährige Familienvater als Laborant gearbeitet. Mit welchen Hürden der Mann aus Wanne-Eickel kämpft, lesen Sie im Protokoll. (Das Gespräch wurde mit Hilfe eines Übersetzers vom Verein PlanB Ruhr geführt, der Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt):
„Hier in Deutschland wird meine Arbeit als Laborant nicht gleich bewertet wie in meiner Heimat Syrien. Ich habe einen Antrag auf Anerkennung gestellt und muss nun erst viele Qualifizierungskurse hinter mich bringen. Als Geflüchteter ist es für mich nicht einfach, mich auf dem Arbeitsmarkt zurecht zu finden. Außerdem braucht es Zeit, die deutsche Sprache zu lernen. Ich frage mich deshalb, wie die neuen Regeln der Regierung funktionieren sollen.
Was die Kürzung der finanziellen Leistungen betrifft: Ich finde, die Sozialleistungen sollten für Geflüchtete nicht gekürzt, sondern erhöht werden. Schon jetzt fällt es meiner Familie schwer, von unserem Geld zu leben. Meine vier Kinder gehen hier in Deutschland auf die Uni, meine Frau arbeitet als Schulbegleiterin. Dafür bekommt sie 900 Euro. Dazu bekommen wir Sozialleistungen in Höhe von 1500 Euro. Davon gehen jedoch schon 1100 Euro an Mietkosten ab.
Zum Leben bleibt uns in Zeiten der Inflation nicht mehr viel übrig – wir können uns kein Auto leisten, kaufen Second-Hand-Kleidung, an Urlaub ist sowieso nicht zu denken. Dabei bin ich vor dem Krieg geflüchtet, damit meine Kinder eine gesicherte Zukunft haben und hier einmal wertvolle Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt werden.“
Syrerin aus Herne: „Möchte nicht mehr abhängig vom Arbeitsamt sein“
Die alleinerziehende Mutter Dunya Sheikhmousa (32) ist vor sechs Jahren mit ihren zwei Kindern aus Syrien nach Deutschland geflohen. Die Sozialhilfeempfängerin aus Herne blickt mit Sorgen auf die Verschärfungen in der Migrationspolitik (Das Gespräch wurde mit Hilfe eines Übersetzers vom Verein PlanB Ruhr geführt, der Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt):
„Ich bin über eine Familienzusammenführung mit meinen beiden Kindern nach Deutschland gekommen. Zuvor waren meine Kinder für anderthalb Monate in Gefangenschaft von der Terrororganisation IS. In Deutschland kamen sie schwer traumatisiert an und werden seitdem psychologisch behandelt.
Meine Kinder stehen für mich an erster Stelle. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass sie hier in Deutschland eine Zukunft haben, studieren können und eine Arbeit finden. Gerade suche ich selbst einen Job, denn ich möchte nicht mehr vom Arbeitsamt abhängig sein.
Ich wünsche mir für neu zugewanderte Familien, dass sie ebenfalls eine ausreichende finanzielle Unterstützung erhalten, damit sie sich hier ein Leben und eine Zukunft für ihre Kinder aufbauen können.“
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