Düsseldorf. Sind die Bund-Länder-Beschlüsse zur Migration “historisch“ oder Murks? NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat dazu eine klare Meinung.
- Bund und Länder haben sich in zähen Verhandlungen auf Maßnahmen zur Reduzierung der Zuwanderung geeinigt.
- Der Kanzler spricht von einem "historischen Moment", NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ist eher unzufrieden.
- Er hält insbesondere die beschlossene Pro-Kopf-Pauschale von 7500 Euro pro Flüchtling und Jahr für viel zu niedrig.
Mit großer Skepsis hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf die Bund-Länder Beschlüsse zur Zuwanderungspolitik reagiert.
Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach der Ministerpräsidentenkonferenz von einem „sehr historischen Moment“ sprach, war Wüst unzufrieden. „Das Treffen hat kein ausreichendes Ergebnis gebracht, schon gar nicht für einen Deutschlandpakt in der Migration. Es ist ein erster Schritt, nicht der große Wurf“, sagte er am Dienstag in Berlin.
Flüchtlinge: Endlich "atmendes System" zur Versorgung von Asylbewerbern
Im Prinzip einverstanden ist Wüst mit der zwischen Bund und Ländern verabredeten Finanzierung der Flüchtlingsversorgung. Hier sei es gelungen, ein „atmendes System“ einzuführen, das sich erstmals an der Zahl der zu versorgenden Menschen orientiere.
Es gebe an dieser Stelle aber "Licht und Schatten". Die vorgesehene Pro-Kopf-Pauschale des Bundes von 7500 Euro für jeden Geflüchtetem decke aber die Kosten, die den Städten in NRW durch die Versorgung von Geflüchteten entstünden, „nicht annähernd ab“, kritisierte Wüst. Es müssten 20.000 Euro pro Kopf und Jahr sein.
Flüchtlinge: Deutsche Asylverfahren künftig in Ruanda?
Neben diesen Finanzierungsfragen hatten sich Bund und Länder in zähen Verhandlungen auf weitere Maßnahmen zur Begrenzung der Migration geeinigt. So will die Bundesregierung prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Wüst und der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merk raten zu ausgelagerten Asylverfahren, zum Beispiel in Ruanda. Vorbild für dieses „Ruanda-Modell“ ist Großbritannien.
Asylverfahren sollen zudem nach dem Willen von Bund und Ländern beschleunigt werden, vor allem bei Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent. Wenn sich Verfahren hinziehen, sollen künftig nicht mehr 18, sondern 36 Monate lang nur Grundleistungen-- zum Beispiel für Unterkunft, Nahrung und Hygieneartikel -- und keine richtige Sozialhilfe gezahlt werden. Asylbewerber sollen außerdem einen Teil ihrer Leistungen als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen.
Wüst bedauert, dass es der Union nicht gelungen sei, strengere Regeln im Kampf gegen den Missbrauch von Asylverfahren durchzusetzen. Es fehle auch ein gesetzlicher Automatismus für schnellere Asylverfahren für Menschen mit geringen Chancen auf Anerkennung.
Flüchtlinge: SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott nennt die Wüst-Kritik "absurd"
CDU-Chef Friedrich Merz forderte die „Ampel“ auf, die Beschlüsse zur Zuwanderung noch in diesem Jahr von Bundestag und Bundesrat bestätigen zu lassen. Nur so könnten sie zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte den Migrationspakt ausdrücklich.
SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott lobte den Migrationskompromiss als „Durchbruch“. Gerade die Städte profitierten von der Einigung bei den Kosten zur Flüchtlingsversorgung. NRW müsse das Geld des Bundes aber unmittelbar an die Kommunen weiterreichen und dürfe sich nicht selbst bedienen. Wüsts Kritik an den Bund-Länder-Beschlüssen mache „fassungslos“, sagte Ott. Es sei „absurd, erst zu verhandeln und anschließend zu sagen, die Ergebnisse gingen nicht weit genug“.
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